Fracking in Deutschland – Zwischen Emotionalität und Rationalität

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Dr. Klaus Tägder und Dr. Rainer Six

Das “Fracking-Verfahren“ zur Erschließung und Förderung von Erdgas aus Schiefergestein, in den USA bereits wirtschaftlich erfolgreich und im großen Stil durchgeführt, stößt in Deutschland wegen des Risikos einer Grundwasserverunreinigung auf heftigen Widerstand.
Inwieweit diese Gefahr besteht und weitere Bedenken gerechtfertigt sind, wird zwischen Pro und Contra völlig kontrovers diskutiert und bedarf somit einer sachlichen Aufklärung.
Dieser Artikel will über das Verfahren, Risiken und Chancen, über Expertenansichten sowie über gesetzliche Regelungen informieren und somit für mehr Transparenz sorgen.
Bisher wurden Öl und Gas kilometertief unter der Erdoberfläche ausschließlich aus großporigen geologischen Schichten, sogenannte konventionelle Vorkommen, gewonnen. An das Gas, das im kompaktem Muttergestein aus Schiefer oder Kohle eingeschlossen ist (“unkonventionelles Vorkommen“), gab es kein Herankommen, bis US-Forscher vor wenigen Jahren entdeckten, dass sich durch künstlich erzeugte Mikrorisse und deren Offenhaltung der Zustrom von Öl und Gas zum Bohrloch erheblich erhöhen ließ.
Diese neue Fracking-Technik hat in den USA durch die Erschließung bislang unerreichbarer, enormer Öl- und Gasvorkommen zu einem beispiellosen Energieboom mit einem Preisverfall der Energiekosten geführt. Die Internationale Energieagentur (IEA) prognostizierte, dass die Vereinigten Staaten Russland bis 2015 bei der Gas-Förderung überholen. Zwei Jahre darauf dürften die USA Saudi-Arabien bei der Ölproduktion überflügeln und 2035 von Energie-Importen komplett unabhängig sein.


Fracking (hydraulische Risserzeugung), das ist eine seit Jahrzehnten auch in Deutschland angewendete gängige Technik zur Erschließung unterirdischer Lagerstätten. Entwickelt und erstmalig eingesetzt wurde sie vor rund 50 Jahren in konventionellen Erdgasfeldern, um die nach langer Förderung durch den Druckabfall stetig sinkenden Förderraten auf möglichst hohem Niveau zu halten /1/. Hierbei werden durch Einpressen einer Flüssigkeit unter hohem Druck im Gestein Risse (fracs) erzeugt oder natürliche Risse erweitert und somit die Durchlässigkeit von Gesteinen gesteigert, um die Förderung von Erdgas, Erdöl oder thermischer Energie zu verbessern, in manchen Fällen überhaupt erst zu ermöglichen. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn das Gas in Wasser gelöst (Aquifergas), an Feststoffe gebunden (Kohleflözgas, Schiefergas und Gashydrat) oder in gering durchlässigen Gesteinen gefangen ist.
Berechnungen zeigen, dass in den meisten Fällen bei einer künstlichen Risslänge von ungefähr 90 Metern Schluss ist. Durch das entstehende Rissvolumen sinkt der Druck zu stark, um den Fels weiter aufzubrechen“ heißt es in /3/ und weiter, „Dementsprechend gilt es als unwahrscheinlich, dass Risse aus der Fracking-Zone bis in flache Trinkwasserleiter reichen können. Die Schiefer liegen in Tiefen von 1000 bis 5000 Metern. Zusätzlich ist der Untergrund, was Grundwässer betrifft, in Deutschland weit gehend zweigeteilt: In der Tiefe liegen teils extrem salzige Wasserleiter, die durch Tonschichten vom Trinkwasser in den flachen Lagen getrennt sind. Beide Wassertypen sind laut chemischen Analysen teils seit Jahrmillionen getrennt, so dass es auch unwahrscheinlich ist, dass Frack-Flüssigkeiten durch natürliche Verwerfungszonen in die Trinkwasserleiter aufsteigen“. Die Frack-Flüssigkeit besteht überwiegend aus Wasser, dem Stützmittel (Sand, Keramikgranulate, Bauxit oder Korund) und chemische Begleitstoffe hinzugefügt werden. Dies geschieht, um Risse offen zu halten und auch der Entstehung von Biofilmen und der Vermehrung von Bakterien in der Lagerstätte vorzubeugen. Dabei ist der Anteil der Begleitstoffe so gering, dass die Frack-Flüssigkeit als ungiftig eingestuft wird und nicht kennzeichnungspflichtig gemäß Chemikalienrecht ist / 1/.
Welcher Art die chemische Beigabe zur Frack-Flüssigkeit ist und welches Risiko damit verbunden ist, erläutert Ingo Kapp vom Deutschen GeoForschungszentrum des Helmholtz-Zentrums in Potsdam /3/:
Da noch in 1000 bis 2000 Meter Tiefe Bakterien leben, die sich stark vermehren, sobald ihr Lebensraum angebohrt wird, werden der Frackflüssigkeit auch Biozide zugesetzt, denn sonst würden die Leitungen verstopfen und die Förderung blockieren. Das sind Chemikalien, die auch für Schwimmbäder oder Swimmingpools verwendet werden. Ihre Zusammensetzung und Menge wird auf die jeweilige geologische Formation abgestimmt. Nun wird häufig gefordert, dass diese zugesetzten Chemikalien nicht im Untergrund verbleiben dürfen.
In dem Wasserrückfluss, der nach dem Fracking einsetzt, sind diese Chemikalien jedoch kaum noch vorhanden. Trotzdem wird die zurückgeführte Frackflüssigkeit oberirdisch in Behältern aufgefangen, umweltgerecht aufgearbeitet und wiederverwendet.
Dennoch gibt es eine Gefährdung, die deutlicher thematisiert werden muss: Der Wasserrückfluss enthält auch gelöste Stoffe aus der Tiefe, wie Benzolverbindungen oder fallweise auch radioaktive Salze. Diese durchaus toxischen Stoffe müssen entsprechend behandelt und unschädlich gemacht werden. Für diesen Zweck wurden Wasser-Aufbereitungsanlagen entwickelt, die alle giftigen und umweltgefährdenden Bestandteile abtrennen. Diese Verpflichtung muß für alle Betreiber gesetzlich verbindlich geregelt werden.
Grundsätzlich besteht kein Unterschied beim Einsatz der Fracking-Technik bei konventionellen und nicht-konventionellen Erdgasvorkommen. Allerdings erfordert die flächenhafte Erschließung nicht-konventioneller Vorkommen, wie es in /8/ heißt, ein Vielfaches an Horizontalbohrungen und Fracking-Maßnahmen.
Durch Fracking-Maßnahmen verursachte Grundwasserverunreinigungen in Deutschland sind nicht bekannt. Dessen ungeachtet blockiert eine hitzig geführte Debatte die Weiterentwicklung der Fracking-Technik und ihre Anwendung auf unkonventionelle Öl- und Gasvorkommen in Deutschland. Seit Juni 2011 gibt es in Deutschland nach Protesten keine Fracking-Anwendungen mehr, weder konventionell und erst recht nicht im Schiefergestein. Vom bundesweiten Verbot für Erkundungsbohrungen mit der Fracking-Technik bis hin zur Nutzung des Schiefergaspotenzial als Chance, sich von Gasimporten unabhängiger zu machen, reicht das Debattenspektrum.
Das vom Bundesumweltministerium (BMUB) und vom Umweltbundesamt (UBA) in Auftrag gegebene Gutachten “Umweltauswirkungen von Fracking bei der Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten”, das im September 2012 vorgelegt wurde, kommt zusammenfassend zu folgendem Ergebnis /2/:
• Kein Verbot von Fracking.
• Eingehende Untersuchung der geologischen/ hydrogeologischen Situation des tiefen Untergrundes und Erstellung eines konzeptionellen Modells.
• Beispielhafte Erkundung der unterschiedlichen Gasvorkommen unter intensiver wissenschaftlicher und behördlicher Begleitung.
• Verzicht auf Erdgasbohrungen und Fracking in sensiblen Gebieten mit ungünstigen geologischen und hydrogeologischen Bedingungen sowie in Trinkwasserschutzgebieten.
• Offenlegung der Zusammensetzung der Fracking Flüssigkeiten.
• Umweltgerechte Entsorgung des belasteten Flowbacks und der Formationswässer.
• Eingehende Prüfung der Umweltrelevanz der bisherigen Versenkungspraxis des Abwassers
• Entwicklung von Monitoringprogrammen für das Grundwasser und die Umgebungsüberwachung.
• Obligatorische UVP-Pflicht für die Aufsuchung und Förderung von Erdgas aus unkonventionellen Vorkommen.
• Wasserrechtliche Prüfung von Bohrungen und der Versenkung des Abwassers.

Die Direktoren der Nordatlantikgruppe der Europäischen Geologischen Dienste äußerten sich am 12. September 2014 besorgt über irreführende Medienmeldungen über die Erkundung und Gewinnung von mineralischen und Energie-Rohstoffen. „Darin werden wissenschaftliche Ergebnisse und Schlussfolgerungen häufig ignoriert, was letztlich zu nachteiligen Entscheidungen für die Gesellschaft führen kann. Als besonders bedenklich wurde die Möglichkeit genannt, dass die Rolle der Geologischen Dienste übergangen werde, mit dem Ergebnis einer unzureichenden geowissenschaftlichen Beratung der Regierung.“ Schließlich würden diese Fachbehörden über den größten Teil an Basisinformationen über den geologischen Untergrund ihrer Länder verfügen. Sie seien daher am besten gerüstet, Entscheidungsträger objektiv und interessensneutral über Abschätzungen von Schiefergas- und anderen Georessourcen zu informieren – und über manche der möglichen Umweltrisiken in diesem Zusammenhang.
Die Umweltverträglichkeit der Fracking-Technik war Thema einer Veranstaltung der drei Institutionen Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), Deutsches GeoForschungs-Zentrum (GFZ) und das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) mit nationalen und internationalen Fachleuten im Juni 2013. Aus der Veranstaltung wurden die folgenden wesentlichen Schlussfolgerungen abgeleitet /4/:
1. Erdgas ist für Deutschland ein unverzichtbarer Rohstoff. Die Gewinnung von Schiefergas kann zur Stabilisierung der abnehmenden einheimischen Erdgasförderung beitragen und damit einen wichtigen Beitrag zur Rohstoffversorgungssicherheit leisten.
2. Die Anwendung der Fracking-Technik zur Schiefergasgewinnung in Deutschland erfordert umweltverträgliche Verfahren (z. B. den Einsatz umweltverträglicher Frack-Flüssigkeiten) und die Weiterentwicklung des bestehenden Rechtsrahmens zur Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas. Dabei muss der Schutz des Trinkwassers oberste Priorität haben.
3. Ob Fracking zur Schiefergasgewinnung umweltverträglich durchgeführt werden kann, ist entsprechend der geologischen Standortbedingungen fallweise zu prüfen und durch geeignete Monitoring-Maßnahmen zu begleiten. Hierzu muss im Rahmen der jeweiligen bergrechtlichen Verfahren eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden und die Beteiligung der Umweltverwaltung, insbesondere der Wasserbehörden, sichergestellt sein.
4. Der Einsatz und die Entwicklung der Technologie zur Schiefergasgewinnung in Deutschland erfordern ein transparentes und schrittweises Vorgehen. Deshalb sollten
– erste Vorhaben als Demonstrationsprojekte durchgeführt und alle Beteiligten
(Öffentlichkeit, Industrie, Wissenschaft und Umweltorganisationen) von Beginn
an einbezogen werden;
– Einzelmaßnahmen und -ergebnisse veröffentlicht und durch ein umfassendes
wissenschaftliches Programm begleitet und bewertet werden;
– Untersuchungen zur möglichen Beeinträchtigung des Grundwassers durch Fracking-Maßnahmen im Mittelpunkt stehen.
Soweit die Auffassungen von Fachleuten.
Am 19. Dezember legte die Bundesregierung Ländern und Verbänden ein Fracking-Gesetzes- und Verordnungspaket zur Beratung vor, das Änderungen im Wasserhaushalts- und Bundesnaturschutzgesetz sowie Änderungen bergrechtlicher Verordnungen enthält.
Nach Ansicht der Bundesregierung berücksichtigen die Änderungen die vorgelegten Gutachten und fachlichen Diskussionen und würden daher auf einer breiten wissenschaftlichen Basis und öffentlichen Debatte beruhen /5/. Im Kern wird Fracking bis zu einer Tiefe von 3.000 Metern zwar verboten, das Verbot aber wird gelockert, wenn sich zeigt, dass der Einsatz der Fracking-Technik im Schiefer- und Kohleflözgestein umweltverträglich möglich ist. Expressis verbis will die Bundesregierung „die Chance eröffnen, dass innovative Technologien, die verantwortbar sind, auch genutzt werden“ /6/.
Im Einzelnen ist unter anderem vorgesehen /6/:
1. Fracking in sensiblen Gebieten wie Wasserschutz- und Heilquellenschutzgebieten sowie Seen und Talsperren zur Trinkwassergewinnung wird verboten. Darüber hinaus wird den Ländern die Möglichkeit eingeräumt, an weiteren sensiblen Wasserentnahmestellen Verbote zu erlassen.
2. Die Verwendung umwelttoxischer Stoffe für jede Art des Fracking wird untersagt.
3. Zum Schutz des nutzbaren Grundwassers wird Fracking zur Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas im Schiefer- und Kohleflözgestein oberhalb von 3.000 Metern generell auf unbestimmte Dauer verboten. Aber, wissenschaftlich begleitete Erprobungsmaßnahmen sind unter strengen Anforderungen in diesem Tiefenbereich erlaubt.
4. Nach 2018 können nur dann Genehmigungen für kommerzielle Bohrungen in Schiefer- und Kohleflözgestein oberhalb von 3.000 Meter Tiefe erteilt werden, wenn Erprobungsmaßnahmen erfolgreich durchgeführt wurden und eine unabhängige Expertenkommission mehrheitlich die grundsätzliche Unbedenklichkeit hinsichtlich der Umweltauswirkungen bestätigt.
5. Auch an das konventionelle Fracking im Sandgestein werden strenge Anforderungen an den Stoffeinsatz und an die Vermeidung nachteiliger Wasserveränderungen gestellt.
6. Die Entsorgung von Rückflüssen und Lagerstättenwasser werden mit Auflagen nach dem Stand der Technik versehen. Das untertägige Einbringen von Frack-Flüssigkeiten wird untersagt.
7. Die Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung, somit die Öffentlichkeitsbeteiligung, für alle Fracking-Maßnahmen wird eingeführt.
8. In die Allgemeine Bundesbergverordnung werden unter anderen Spezialregelungen zur Bohrlochintegrität, zur Überwachung von Rückfluss und Lagerstättenwasser, zur Seismik und zum Umgang mit Lagerstättenwasser und Rückfluss nach dem Stand der Technik aufgenommen.
Deutschland hatte noch vor wenigen Jahren einen Eigenanteil an der Förderung von rund 20 Prozent seines Erdgasbedarfs. Das Hauptvorkommen an deutschem Öl und Gas liegt in Niedersachsen. Nach Aussage von Stefan Ladage von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover /7/ würden inzwischen nur noch zehn Prozent aus heimischen Quellen gefördert. Die konventionellen Erdgaslagerstätten würden sich allmählich erschöpfen. Und in diesem Fall wäre Schiefergas eine neue Option.
Die BGR wurde von der Bundesregierung mit einer Abschätzung der Gasreserven in unkonventionellen Lagerstätten beauftragt. Das endgültige Ergebnis wird für Mitte 2015 erwartet. Dem vorläufigen Ergebnis der Studie /8/ zufolge haben drei Tongesteinsformationen mit überregionaler Verbreitung in Norddeutschland ein signifikantes Schiefergaspotenzial. Die Schiefergas-Gesamtmenge beträgt nach den durchgeführten Berechnungen 13 Billionen
Kubikmeter, wobei allerdings die technisch gewinnbare Menge, die Schiefergasressourcen, auf etwa 1,3 Billionen Kubikmeter geschätzt wird. Diese Menge liegt nach Angaben im Bericht /8/ deutlich über Deutschlands konventionellen Erdgasressourcen von 0,15 Billionen Kubikmetern.

LITERATUR

/1/ www.bgr.bund.de/DE/Home/homepage_node.html
/2/ www.bmub.bund.de/presse/pressemitteilungen/pm/artikel/fracking-nur-mit-strengen-auflagen-zulassen/
/3/ www.Spektrum.de Interview vom 16.11.2011
/4/ Abschlusserklärung zur Konferenz „Umweltverträgliches Fracking?“ am 24./25.6.2013 in Hannover (Hannover-Erklärung) der drei Institutionen BGR GFZ, UFZ
/5/ www.bmub.bund.de/themen/wasser-abfall-boden/binnengewaesser/trinkwasser/fracking-gesetzentwurf-liegt-laendern-und-verbaenden-vor/
/6/ Gemeinsames BMWi- und BMUB-Schreiben vom 20.11.2014 an die Mitglieder der Fraktionen von CDU/CSU und SPD im Deutschen Bundestag
/7/ Energie-Beilage der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 5. November 2014
/8/ BGR, Abschätzung des Erdgaspotenzials aus dichten Tongesteinen (Schiefergas) in Deutschland, Hannover, Mai 2012