Radioaktive Strahlung: Der Feind des Menschen?

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Radioaktive Strahlung löst bei vielen Menschen Angst aus, nicht etwa Strahlung schlechthin, sondern radioaktive Strahlung. Ist die Angst berechtigt? Was könnte diese Strahlenart bewirken, kann sie uns schädigen? Ist die radioaktive Strahlung nicht auch Teil unserer natürlichen Lebensbedingungen? Kann man sich ihr überhaupt entziehen? Wo kommt die radioaktive Strahlung her und muss man sich grundsätzlich vor ihr in Acht nehmen?

Eine einfache Antwort auf die Frage ‚Ist Radioaktivität und deren Strahlung gefährlich?’ gibt es nicht. Dieser Artikel möchte sachgerecht und objektiv über die (natürliche) radioaktive Strahlung aufklären und dadurch bis zu einem gewissen Grade ihren Schrecken nehmen.

Es mag manchen erstaunen, dass Hörfunk, Fernsehfunk, Solarium, Licht, Mobilfunk, Mikrowellen, Röntgenstrahlen und radioaktive Strahlung in Form von Gammastrahlen von der gleichen physikalischen „Machart“ sind. Es sind allesamt elektromagnetische Wellen. Sie unterscheiden sich in Wellenlänge und Frequenz.

Während Rundfunk- und Fernsehfunkwellen, die uns überall und pausenlos umgeben, für den menschlichen Organismus abseits der Sendemasten offenbar unschädlich sind und die Sonnenstrahlen das Wohlbefinden fördert, können der Ultraviolett (UV)-Anteil des Sonnenlichtes wie auch die UV-Strahlung der Solarien bei zu intensiver Bestrahlung Sonnenbrand, Sonnenallergien und schlimmstenfalls Hautkrebs verursachen. Bei Strahlungen mit noch kürzerer Wellenlänge steigt das Risiko einer schädigenden Strahlenwirkung. So werden bekanntlich bei Röntgenaufnahmen strahlenempfindliche Körperpartien zur Vermeidung unnötiger Bestrahlung mit einer Bleischürze abgedeckt. Dem gegenüber kennt die Medizin auch die heilende Wirkung der Röntgenreizbestrahlung. Das ist beileibe kein Widerspruch:
Hier wie auch in vielen anderen Fällen gilt eine allgemeine Lebenserfahrung: Jedes zu viel ist schädlich. Oder wie der Arzt und Naturforscher Paracelsus es ausdrückte: Die Dosis macht das Gift. Substanzen, die in geringer Menge eingenommen, heilende Wirkung haben, wirken bei zu hoher Dosierung schädlich.

Radioaktive Strahlung gehört zur Umwelt

Der Mensch kann sich den natürlichen radioaktiven Strahlenquellen nicht entziehen. Mit der Entstehung der Materie unserer Erde entstanden zahlreiche radioaktive Elemente (Radionuklide), von denen Radionuklide mit Halbwertszeiten in der Größenordnung des Erdalters bis zum heutigen Tage vorhanden sind. Die Entwicklung des Lebens und die menschliche Evolution vollzogen sich unter dem ständigen Einfluss radioaktiver Strahlung. Aus natürlichen Quellen wird der Mensch sowohl äußerlich durch terrestrische und kosmische Strahlung als auch innerlich belastet (bestrahlt), indem er radioaktive Stoffe einatmet oder mit der Nahrung aufnimmt. Dass bedeutet, dass alle Lebewesen, so auch der Mensch, sich diesen Lebensbedingungen angepasst haben.

Die natürlichen Radionuklide wie auch deren Zerfallsprodukte sind in unterschiedlichen Konzentrationen in den Böden, in Gesteinen der Erdkruste und in den Meeren vorhanden. Die wichtigsten Radionuklide, die einen nennenswerten Beitrag zu dieser terrestrischen Strahlung leisten, sind Kalium-40, Uran und Thorium mit ihren Zerfallsprodukten. Folglich weisen auch Baumaterialen für den Hausbau (zum Beispiel Kalkstein, Ziegel, Klinker, Schlackenstein) einen natürlichen Radioaktivitätsgehalt auf.

GesteinsartKalium-40Thorium-232Uran-238
Granit10008060
Tonschiefer7005040
Diorit7003020
Sandstein3501020
Basalt2501010
Kalkstein90730

Typische spezifische Aktivitäten in Bq/kg einiger Gesteinsarten nach Koelzer/1/

Uran ist in Deutschland insbesondere im Vorland des Erzgebirges und im Fichtelgebirge von nicht unwesentlicher radiologischer Bedeutung. Uran und auch Thorium wandeln sich durch Zerfall über verschiedene Zwischenprodukte schließlich in stabiles Blei um. Eines der Zwischenprodukte der Uran-238-Zerfallsreihe ist das Radon-222, das wiederum aus Radium-226 entsteht. Radon ist gasförmig und kann daher durch Spalten und Kapillaren aus dem Erdreich in die Atmosphäre ebenso auch über Risse und Undichtigkeiten im Fundament in Häuser gelangen. In der Bodennähe wird das Radon rasch verteilt, nicht so in Häusern, wo sich unter Umständen beachtliche Radonkonzentrationen bilden können.

Auch Trinkwässer und in besonderer Weise Mineralwässer, die häufig aus tief liegenden Wasservorkommen gefördert werden, enthalten nicht selten auch natürliche radioaktive Stoffe. Je nach Gehalten der Untergrundgesteine an Uran und Thorium variiert die Radioaktivität der im Mineralwasser enthaltenen natürlichen Radionuklide, wie zum Beispiel Uran-238, Uran-235, Uran-234, Radium-226 und Radium-228, jeweils in weiten Grenzen.

Ferner wirkt die kosmische Strahlung als äußere Strahlung auf den Menschen ein. Genauer gesagt: Der Teil der kosmischen Strahlung, der die Erdatmosphäre durchdringen konnte, der weitaus größere Teil wurde von der äußeren Atmosphäre zurück gehalten und vom Magnetfeld der Erde in den Weltraum abgelenkt. Die kosmische Strahlung besteht aus einer elektromagnetischen Hintergrundstrahlung (Röntgen- und Gamma-Strahlung) und einer Teilchenstrahlung. Letztere wiederum besteht aus energiereichen Nukleonen (Protonen, Neutronen), Neutrinos, Photonen, Alpha-Teilchen und schweren Atomkernen. Die kosmische Strahlenkomponente ist vor allem durch die bemannte Raumfahrt bekannt geworden, wobei die Astronauten bei ihren zum Teil monatelangen Aufenthalten im All einer Strahlenbelastung ausgesetzt sind, die über das hinausgeht, was einer beruflich strahlenexponierten Person zugemutet werden dürfte.

Aus dem Boden gelangen die natürlichen Radionuklide in Wasser, Pflanzen und Tiere und damit in die Nahrung des Menschen. Von den Radionukliden überwiegt das radioaktive Kalium-40, das im natürlich vorkommenden Element Kalium, einem lebenswichtigen Baustein des menschlichen Körpers, mit 0,012 Prozent enthalten ist. Mit jedem Kilogramm unserer pflanzlichen und tierischen Nahrung nehmen wir im Mittel etwa 100 Becquerel (Bq) an natürlichen Radionukliden auf. Ein Becquerel, eine Maßzahl für die Radioaktivität, entspricht einem radioaktiven Zerfall pro Sekunde. Durch Aufnahme und Ausscheidung stellt sich im menschlichen Körper ein Aktivitätsgleichgewicht an natürlichen Radionukliden ein, das im erwachsenen Menschen –gewichtsabhängig – bei etwa 8000 bis 9000 Bq liegt /2/.

Strahlendosis als Maßeinheit für die biologische Wirkung

Röntgen- und Gamma-Strahlung sind in der Lage, Ladungsträger (Elektronen) aus getroffenen Atomen oder Molekülen herauszulösen, das heißt, sie ionisieren Atome oder Moleküle. Deswegen spricht man auch von ionisierender Strahlung. Die Aktivität einer Strahlenquelle ausgedrückt in Becquerel, also Zerfälle pro Sekunde, allein sagt nichts über die Wirkung der Strahlung aus. Entscheidend ist, wie viel der Energie einer Strahlung im Körper oder Organ verbleibt und auf welcher Distanz diese Energie abgegeben wird.

Die Größe der biologischen Wirkung hängt also außer von der Intensität der Strahlung auch besonders von der Art der Strahlung und von der unterschiedlichen Strahlenempfindlichkeit einzelner Gewebe und Organe ab. Arten der Strahlung sind neben der Gamma-Strahlung die Alpha-, Beta- und Neutronen-Strahlung /3/. Für den Strahlenschutz wurde deshalb eine Maßeinheit für die so genannte effektive Strahlendosis entwickelt, die die unterschiedliche biologische Wirksamkeit der Strahlenarten wie auch die spezielle Gewebe- und Organempfindlichkeit gegenüber der jeweiligen Strahlung berücksichtigt. Die Bezeichnung dieser Maßeinheit ist Sievert (Sv), gebräuchlich ist ein Tausendstel dieser Einheit: Millisievert (mSv). Diese Dosiseinheit ist ein zuverlässiges und hinreichend genaues Vergleichsmaß für unterschiedliche, natürliche oder künstliche Strahlenexpositionen.

Natürliche effektive Strahlendosen (Strahlenexpositionen)

Die Umweltradioaktivität und die Strahlenexposition in Deutschland werden alljährlich ermittelt und von der Bundesregierung veröffentlicht. Dem Bericht von 2012 sind folgende Angaben entnommen /4/:
Die mittlere effektive Dosis für eine Person der Bevölkerung durch die natürliche und die zivilisatorisch veränderte natürliche Strahlenexposition liegt zwischen 2 und 3 mSv pro Jahr. Rechnerisch ergibt sich für Erwachsene ein Wert von 2,1 mSv. Sie weist aber beträchtliche Unterschiede auf, die vor allem durch die geologische Beschaffenheit des Untergrundes, aber auch durch die Lebens- und Ernährungsgewohnheiten und die Höhe
des Aufenthaltsortes verursacht werden.

Zur jährlichen effektiven Dosis aus der äußeren Strahlenexposition tragen die kosmische Strahlung mit 0,3 mSv und die in den Böden, Gesteinen und in den Baumaterialien vorkommenden Radionuklide mit 0,4 mSv bei.
Die Inkorporation (Aufnahme) natürlicher Radionuklide mit der Nahrung macht bei durchschnittlichen Ernährungsbedingungen eine jährliche effektive Dosis von 0,3 mSv aus.
Veränderungen der Umwelt des Menschen durch technische Entwicklungen, die eine unbeabsichtigte Anreicherung natürlicher radioaktiver Stoffe zur Folge haben, führen
zu einer zivilisatorisch bedingten Erhöhung der natürlichen Strahlenexposition. Insbesondere das radioaktive Edelgas Radon in Gebäuden führt zur Erhöhung der Exposition. Die Inhalation (Einatmung) von Radon und seiner kurzlebigen Zerfallsprodukte liefern den Hauptbeitrag zur natürlichen Strahlenexposition. Die jährliche effektive Dosis, die durch die Inhalation dieser Radionuklide entsteht, beträgt etwa 1,1 mSv, davon 0,9 mSv durch Aufenthalt in Gebäuden.
Zur mittleren effektiven Gesamtdosis für eine Person der Bevölkerung tragen ferner auch zivilisatorische Strahlenexpositionen durch medizinische Untersuchungen und durch den Betrieb von kerntechnischen Anlagen bei /4/:

Effektive Dosen durch die Medizin

Der größte Beitrag zur zivilisatorischen Strahlenexposition wird durch die Anwendung radioaktiver Stoffe und ionisierender Strahlung in der Medizin, insbesondere durch die Röntgendiagnostik, verursacht. Dieser Beitrag ist in den letzten Jahren angestiegen. Die aktuelle Schätzung für die mittlere effektive Dosis pro Einwohner bezieht sich auf das Jahr 2011 und beträgt ca. 1,8 mSv für die Röntgendiagnostik und 0,1 mSv für die Nuklearmedizin.

Effektive Dosen durch kerntechnische Anlagen

Der Beitrag der Strahlenexposition durch Kernkraftwerke und sonstige kerntechnische Anlagen sowie durch die Hinterlassenschaften des Uranerzbergbaus und deren Sanierung
in Sachsen und Thüringen zur mittleren effektiven Dosis der Bevölkerung blieb auch im Jahr 2012 deutlich unter 1% der gesamten zivilisatorischen Strahlenexposition. Sie ist also kleiner als 0,01 mSv. Dieser Wert ist eine obere Abschätzung unter sehr konservativen Annahmen. Die tatsächliche Strahlenexposition liegt deshalb in der Regel weit unterhalb dieses Wertes. Die Ableitungen radioaktiver Stoffe lagen bei allen kerntechnischen Anlagen unterhalb, bei den meisten weit unterhalb der genehmigten Jahreswerte /4/.

Gebiete erhöhter natürlicher Strahlenexpositionen

In einigen Gebieten der Erde sind infolge höherer Konzentrationen natürlicher radioaktiver Mineralien im Erdboden die Strahlenexpositionen wesentlich höher als in Deutschland. An der Südküste Indiens (Madras und Kerala) sowie an der brasilianischen Atlantikküste befinden sich Monazitsandablagerungen mit zum Teil erheblichen Thoriumgehalten. Die jährlichen Personendosen in beiden Gebieten erreichten in Einzelfällen bis zu 20 mSv, im Mittel lagen sie um 4 bis 6 mSv pro Jahr.

Strahlenwirkung auf den Menschen

Aus der Tatsache, dass der Mensch – je nach Wohn- und Aufenthaltsort unterschiedlich großen – effektiven Strahlendosen ausgesetzt ist, lässt sich folgern, dass nicht jede Strahlung, nicht jede Strahlungsdosis per se gesundheitsschädigende oder gar lebensbedrohende Wirkung hat. Die Frage ist also, ab welcher Dosis eine Wirkung eintritt, oder anders gefragt, mit welcher Wahrscheinlichkeit (Risiko) eine Wirkung bei einer bestimmten Dosis zu erwarten ist?

Experimentelle Untersuchungen an Gewebezellen belegen, dass ionisierende Strahlung, unabhängig davon, ob sie natürlichen oder künstlichen Ursprungs ist, eine schädigende Wirkung auf die Zellen ausüben kann. Veränderungen in den Zelle oder gar Zellverluste sind jedoch nicht gleichbedeutend mit der Entstehung eines gesundheitlichen Schadens. Der Organismus besitzt die Fähigkeit, Zellverluste auszugleichen sowie geschädigte Zellen zu erkennen und durch Reparaturmechanismen, Eliminierung abgestorbener Zellen sowie Immunabwehr den Normalzustand wieder herzustellen, insofern das Schädigungsausmaß die Leistungsfähigkeit der Reparatursysteme nicht überfordert. Hätten sich die Organismen aller Lebewesen im Laufe ihrer Evolution in dieser Weise nicht auf das Vorhandensein einer ionisierenden Strahlung eingestellt, wäre wahrscheinlich längst alles Lebens auf der Erde erloschen. Aber nicht nur die ionisierende Strahlung auch durch Inhalation oder mit der Nahrung aufgenommene, den Organismus schädigende Substanzen werden – in gewissen Grenzen – in gleicher Weise wirkungslos gemacht.

Andererseits konnte experimentell und empirisch festgestellt werden, dass die Höhe der Dosis, ferner der Zeitraum, in dem die Dosis aufgenommen wird, sowie die räumliche Verteilung von Ionisationsprozessen über ein Organ oder den gesamten Organismus ausschlaggebende Faktoren für eine biologische Schädigung und damit für ein Versagen des Abwehr- bzw. Reparaturmechanismus sind.

Um sich vor den schädigenden Wirkungen einer Strahlung schützen zu können, war die Frage zu klären, unter welchen Bestrahlungsbedingungen eine schädigende Wirkung einsetzt. Bei chemischen Substanzen geht man davon aus, dass diese bis zu einer Schwellendosis ungefährlich sind und oberhalb dieser Schwelle schädigend wirken. In der Anfangszeit des Strahlenschutzes war diese Vorstellung auch für die Wirkung ionisierender Strahlung vorherrschend. Um aber ganz sicher zu gehen und im Strahlenschutz auf der sicheren Seite zu liegen, wurde hypothetisch angenommen, dass auch die kleinste Strahlendosis eine biologische Wirkung haben kann und ihr ein bestimmtes Strahlenrisiko zuzuordnen ist. Da aber die Wirkungen einer Strahlung nur bei relativ hohen Dosen und Dosisleistungen feststellbar sind, wurden die Strahlenrisiken auf der Grundlage von Modellen und Extrapolationen für den niedrigen Dosisbereich (für weniger als 200 mSv) berechnet /2/. Insbesondere sollte dadurch ausreichender Schutz vor der stochastischen Wirkung der Strahlung /5/ sicher gestellt sein.

Diese allein der Sicherheit geschuldete Hypothese hat eine Konsequenz, die leider immer wieder zu Missverständnissen in der Öffentlichkeit führt. Durch diese Hypothese wird auch für kleinste Dosen ein Schadensrisiko unterstellt. Wendet man dieses Risiko auf eine größere Bevölkerungsgruppe an, dann lassen sich rein rechnerisch Schadensfälle in einem großen Kollektiv, zum Beispiel Krebserkrankungen, ermitteln, die leider häufig als gesicherte biologische Realität dargestellt werden, die aber nicht nachweisbar sind und auch nicht nachweisbar sein werden und, was ebenso denkbar ist, nicht vorhanden sind. Von Gegnern der Kernenergie wird diese Konsequenz ausgenutzt, um auf die Gefährlichkeit der radioaktiven Strahlung im Allgemeinen und von Kernkraftwerken im Besonderen hinzuweisen.

Grenzwerte der Strahlenexposition

Die Internationale Strahlenschutzkommission legte die Dosisgrenzwerte in der Weise fest, dass eine andauernde Strahlenexposition oberhalb des Grenzwertes zu einem nichtakzeptablen Risiko führt. Für die Bevölkerung empfiehlt sie einen Grenzwert für die jährliche effektive Dosis von 1 mSv, also ein Wert, der im Schwankungsbereich der natürlichen Strahlenexposition liegt. Jegliche zivilisatorischen Abgaben künstlicher radioaktiver Stoffe mit Luft oder Wasser müssen so gering gehalten werden, dass dieser Grenzwert nicht überschritten wird. Wie oben ausgeführt, erhält eine Person der Bevölkerung durch den Betrieb eines Kernkraftwerkes im ungünstigsten Fall eine effektive Dosis von deutlich unterhalb 0,01 mSv im Jahr. Für Personen, die beruflich einer Strahlenexposition ausgesetzt sind, darf die effektive Dosis 20 mSv im Jahr nicht überschreiten.

Biopositive Effekte der Strahlung (Hormesis)

Bei der Frage, ob die Strahlung auch einen biopositiven Effekt haben kann, gehen die Ansichten weit auseinander. In der Fachliteratur findet man nur selten einen Hinweis auf die Hormesis, also auf den biopositiven Effekt. Für Genetiker ist es höchst unwahrscheinlich, dass eine zufällig durch ein ionisierendes Teilchen erzeugte Veränderung an den Erbanlagen eine positive Wirkung nach sich zieht. Andererseits muss man sich fragen, warum sich zahlreiche Menschen bewusst einer erhöhten Strahlenexposition durch Radon und Radium in Heilbädern wie Bad Gastein, Bad Schema, Karlsbad und anderen Orten aussetzen, um damit Arthritis, Rheuma und andere Beschwerden zu behandeln. Erfolge dieser Therapien sind wissenschaftlich belegt. Auch andere Studien über die Auswirkung natürlicher Strahlenexpositionen geben Anlass zu der Annahme, dass Bevölkerungsgruppen mit erhöhter natürlicher Strahlenexposition eher seltener an Krebs erkranken, als solche mit niedrigerer Strahlenexposition. Als Erklärung ist ein Wirkungsmechanismus denkbar, bei dem die Strahlung die Reparaturmechanismen in Zellen stimuliert beziehungsweise die Abwehrkräfte des Körpers gegen Strahlung mobilisiert.

Schlussbemerkung

Das terrestrische und kosmische Strahlenumfeld auf der Erde gehört zu den natürlichen Lebensbedingungen sämtlicher Lebewesen, die sich von Beginn ihrer Existenz an hierin entwickelt haben. Strahlenexpositionen in der Größenordnung der natürlichen Strahlendosen können folglich nicht lebensfeindlich sein. Auch ein Mehrfaches der natürlichen Strahlendosis führt zu keiner nachweisbaren Gesundheitsgefährdung, was sich aus den hohen natürlichen Strahlenexpositionen in bestimmten bewohnten Regionen der Erde ergibt. In der Fachliteratur erscheinen vermehrt Artikel, die die Hypothese, kleinste Strahlendosen haben eine biologische Wirkung, als zu konservativ (sicherheitsgerichtet) beurteilen. Effektive Jahresdosen unter 100 mSv würden zu keiner nachweisbaren Erhöhung des allgemeinen Lebensrisikos führen.

/1/ W. Koelzer, Natürliche und künstliche Radionuklide, Strahlenexpositionen und Strahlenwirkungen, Forschungszentrum Karlsruhe „Radioaktivität und Kernenergie“, Mai 2001
/2/ Bundesamt für Strahlenschutz, Strahlung und Strahlenschutz, 1998
/3/ Alpha-Strahlung: Die beim radioaktiven Zerfall von Atomkernen ausgesandten Heliumkerne (2 Protonen und 2 Neutronen) werden Alpha-Strahlen genannt. Beta-Strahlung: Beim Beta-Zerfall eines Atomkerns ausgesandten Elektronen bezeichnet man als Beta-Strahlen.
/4/ Deutscher Bundestag, Drucksache 18/708, 03.03.2014, Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung im Jahr 2012
/5/ Bei der biologischen Wirkung der ionisierenden Strahlung wird zwischen der deterministischen und der stochastischen Strahlenwirkung unterschieden:
Bei der deterministischen Wirkung variiert der Strahlenschaden mit der erhaltenen Strahlendosis. Es besteht ein Dosisschwellenwert, unterhalb dessen der Schaden nicht auftritt. Dieser liegt beim Menschen bei Bestrahlung des ganzen Körpers bei rund 500 mSv. Dann können sich kurzzeitige, nur vom Arzt feststellbare Veränderungen des Blutbildes zeigen /2/.
Bei der stochastischen Strahlenwirkung ist das Ausmaß des individuellen Strahlenschadens unabhängig von der erhaltenen Strahlendosis. Hingegen hängt die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines Strahlenschadens von der Dosishöhe ab und ist damit für das Individuum zufallsbedingt (stochastisch). Die Zeitdauer bis zum Auftreten eines Schadens nach Bestrahlung reicht von Jahren bis Jahrzehnten.