Erdkabel: Die Lösung der Trassenblockade ?

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Von Günter Keil

 Die Verbreitung von Angst gehört seit Jahren zum Erfolgsprinzip der Grünen, die mit dem Waldsterben, das es nie gab, groß wurden. Mobilfunk-Strahlen, Gentechnik, Radioaktivität, Pestizide, Rinderwahnsinn, Klimawandel – die Liste ist noch unvollständig. Diese Angstpolitik ist leider außerordentlich erfolgreich und im Ausland sogar sprichwörtlich geworden: Mit dem Begriff „German Angst“ wird inzwischen eine ganze Bevölkerung verspottet, die anscheinend vor zahllosen Dingen Angst hat – speziell vor technischen Neuerungen. Das waren einmal die Leute, die der Welt unter der stolzen Bezeichnung „Made in Germany“ moderne Technik verkauften.

Auch die Energiewende beruhte ausschließlich auf einer doppelten Angst, die zur offiziellen politischen Begründung gehörte: Der Angst vor dem angeblich vom Menschen verursachten Klimawandel und der Angst vor einem Atomunfall entsprechend der Reaktorkatastrophe von Fukushima – also letzten Endes der Angst vor einem Erdbeben der Stärke 9 und einem Tsunami in Deutschland.

Die Energiewende hat allerdings Nebenwirkungen, die man nicht bedacht hat, obwohl sie logisch sind: Weil der enorme Ausbau von Wind- und Solarstrom die deutsche CO2-Bilanz keineswegs verbessert, sondern diese Emissionen Jahr sogar für Jahr wegen der Abschaltung der Kernkraftwerke steigen, was die großspurigen Versprechungen der Klima-Kanzlerin widerlegt, muss man nun die letzte Grundlast-Stromerzeugung – die „schmutzigen“ Kohlekraftwerke – bekämpfen. Die sind zwar eigentlich unverzichtbar, erzeugen aber das böse Kohlendioxid. Das wiederum führt zu Entlassungen im Kraftwerks- und Tagebaubereich und erhöht die Blackoutgefahr. Windkraftanlagen – eine der „Säulen“ der Energiewende – verschandeln die Landschaft, erzeugen gesundheitsschädlichen Lärm und zudem Infraschall, dessen Gefahren anscheinend sehr unterschätzt worden sind. Sie töten Greifvögel und Fledermäuse. Was sie leider nicht erzeugen, ist brauchbare elektrische Energie, stattdessen wetterabhängigen „Zappelstrom“, der vor allem die Übertragungsnetze belastet. Der großflächige hochsubventionierte Maisanbau führt zu einer Verdrängung des traditionellen Ackerbaus, außerdem zu einer Gefährdung des Grundwassers. Die Artenvielfalt leidet.

Die Schadensbilanz der Energiewende wird immer länger.

Und schließlich der Netzausbau mit neuen Höchstspannungstrassen quer durch das Land.

Die durch jahrelange Strahlenangst-Propaganda erfolgreich sensibilisierten Bürger wussten schon lange, dass Hochspannungsleitungen elektromagnetische Strahlung aussenden. Nach dem Netzausbauplan sollten nun neue Freileitungen durch ihre Gemeinden gebaut werden – die Riesenmasten in Sichtweite. Es kam wie es kommen musste: Bundesweit regte sich Widerstand entlang der geplanten Trassen, zahllose Bürgerinitiativen mit dem Motto „Keine 380 kV bei uns“ bildeten sich. Zur Strahlenfurcht kam noch die Wut über die Täuschungsversuche mit dem angeblich durch die neuen Leitungen fließenden klimafreundlichen Windstrom aus Norddeutschland, der sich als Strom aus den Braunkohlerevieren herausstellte. Das brachte den bayerischen Bürgerinitiativen, die gegen den Trassenbau kämpfen, großen Zulauf und veranlasste die bayerische Staatsregierung zu einer spektakulären Kehrtwendung bezüglich der Leitungsführung und sogar zu der Infragestellung der Notwendigkeit dieser Pläne.

Viele Bürgerinitiativen forderten nun eine unterirdische Trassenführung in ihrer Gemeinde: Durch Erdkabel. Die lokale Politik und inzwischen auch die Landespolitik – in technischen Dingen ahnungslos wie meistens – unterstützte diese Forderungen in der Hoffnung auf eine Beruhigung der Bürger. Das Gejammer der Netzbetreiber half nichts.

Was die wütenden Bürger nicht interessiert und was die Politik nicht weiß, ist die Tatsache, dass man sich damit auf eine Scheinlösung geeinigt hat, die es noch gar nicht gibt.

In einem Expertengespräch im Herbst 2013 der Fachzeitschrift Energiewirtschaftliche Tagesfragen gab der Fachmann des Netzbetreibers Tennet TSO GmbH Martin Fuchs Auskunft über den Stand der Entwicklung.

Zitat: „Für uns geht es beim Thema Freileitung oder Kabel nicht um die Kostenfragen. Sicherlich sind Kabel – abhängig vom Hintergrund – in der Regel vier- bis siebenmal teurer als Freileitungen, im Einzelfall auch darüber. Viel wichtiger ist für uns aber, dass wir technisch relativ am Anfang stehen; die längsten Höchstspannungs-Kabelstrecken auf der Welt sind 20 km lang, und das zeigt eigentlich schon die Grenzen. Wir selbst errichten z.Zt. in den Niederlanden eine 20 km Teststrecke und haben auch in Deutschland Projekte vorgesehen, um neuralgische Punkte umschiffen zu können. Aber die elektrotechnische Reife und Integrationsmöglichkeit dieser Kabel ist noch nicht gegeben. Letztlich sprechen doch die Zahlen für sich, wenn man die Zahlen für Kabel-Pilotstrecken mit dem Bedarf von mehreren tausend Kilometern vergleicht. Wir stellen übrigens auch fest, dass es dort, wo wir über Kabel reden – und wir haben einige Abschnitte in Vorbereitung – auch Akzeptanzprobleme gibt, denn insbesondere die Bauern sind oft skeptisch gegenüber einer Kabellösung wegen der Folgen für den Boden- und Wasserhaushalt. Höchstspannungskabel haben zudem einen höheren Flächenbedarf.“

Ergänzend RA Dr. Herbert Posser: „Eine kurze Bestätigung aus meiner planungsrechtlichen Erfahrung: Es ist in der Tat ein weit verbreiteter Irrtum, dass Erdverkabelung einen geringeren Umwelteingriff darstellt als Freileitungen. Es gibt…erhebliche Eingriffe in die Natur, so dass es im Einzelfall durchaus sein kann, dass die Kabellösung unter Umweltverträglichkeits-Gesichtspunkten die schlechtere Variante ist.“

Beide Stellungnahmen sind bemerkenswert; niemand geht aber auf die Furcht vor der elektromagnetischen Strahlung ein, die von Starkstromleitungen ausgeht – sei es eine Freileitung oder ein Erdkabel, handle es sich um Wechsel- oder Gleichstrom. Der Stand der wissenschaftlichen Diskussion darüber wird unten dargestellt.

Die Erwähnung der Akzeptanzprobleme bei den Bauern zeigt, dass sich diese gut informiert haben: Erdkabel benötigen breite, immer freizuhaltende Schneisen. Sie müssen überall zugänglich bleiben. Und sie führen zur Bodenaustrocknung.

Die Situation änderte sich vollkommen zur Jahresmitte 2015. Anfang Juli tagte in Berlin eine Art von Trassen-Krisenrat, bestehend aus den widerspenstigen Bayern (Seehofer und Aigner), dem Energieminister Gabriel und der Kanzlerin. Unter dem Eindruck der starken Bürgerinitiativen gegen den Trassenbau in Ostbayern hatte MP Seehofer sein Veto gegen die sog. „Monstertrassen“ eingelegt und alle Beschwichtigungsversuche abgelehnt. Der ÜNB Amprion war zur Untätigkeit verurteilt.

Was nun Anfang Juli 2015 in der nächtlichen Berliner Krisensitzung ablief, war im Grunde die Herbeiführung einer durch zahlreiche Unsinnigkeiten, Fehleinschätzungen, Symbolpolitik und Medienangst gekennzeichneten typischen Politikerentscheidung, durch die ein nichtexistierendes Problem mit untauglichen aber wie stets sehr teuren Mitteln scheinbar gelöst wurde: „Von nun an haben Erdkabel Vorrang vor Freileitungen“, verkündete Gabriel als Ergebnis.

Die Bayern ließen sich darauf ein, weil sie aus den Reihen der Anti-Trassen-Bürgerinitiativen stets genau diese Forderung gehört hatten und daher annahmen, dass sie sich nun damit zufrieden geben würden. Diese Einschätzung war zutreffend – zumindest vorerst.

Der genaue Verlauf der Leitungen wurde nun abermals geändert; anscheinend soll jetzt die „Südost“-Leitung bei Landshut enden, während die „Südlink“-Trasse von Brunsbüttel nach Großgartach in Baden-Württemberg verlaufen soll.

Werden die Bürgerinitiativen von nun an ihren Widerstand aufgeben ?

Ein spezielles Problem haben die Trassengegner behalten, obwohl sie vermutlich meinen, es nun los zu sein. Es geht um die gesundheitlichen Auswirkungen von niederfrequenter elektromagnetischer Strahlung, die von Hochspannungsleitungen ausgeht – und um die erhoffte Entlastung, die Erdkabel an Stelle von Freileitungen bringen würden. Es geht also um zwei selbst für Fachleute schwer durchschaubare Phänomene, die hier zusammen wirken: Die physikalische Strahlungseinwirkung auf die Bewohner eines Hauses in der Nähe einer Freileitung bzw. eines Erdkabels und die eventuellen gesundheitlichen Auswirkungen.

Sucht man in den Veröffentlichungen der zuständigen Stellen – speziell des Bundesamtes für Strahlenschutz BfS – nach belastbaren und klaren Informationen, bleibt man ziemlich ratlos.

Im BfS-Jahresbericht 2013 findet sich folgendes:

  1. Nach der novellierten 26. Bundesimmissionsschutzverordnung 26.Bim.schV „müssen bei neuen Gleichstrom- oder Niederfrequenzanlagen (das sind die 50-Hertz Wechselstrom-Leitungen) die elektrischen, magnetischen und elektromagnetischen Felder nach dem Stand der Technik minimiert werden.“ Details sind in einer künftigen Verwaltungsvorschrift zu regeln.
  2. „Neue Trassen sollen „möglichst nicht durch Wohngebiete geführt werden“.
  3. „Mit zunehmendem Abstand wird der Beitrag einer Hochspannungsleitung zur Belastung (der Menschen) durch elektrische und magnetische Felder immer geringer. Die Gesamtbelastung wird dann zunehmend durch die Nutzung elektrischer Energie im Haushalt bestimmt. Bei Wechselstromfreileitungen wird dies in einem Abstand von 100 bis 400 Metern der Fall sein.“
  4. „Zudem können Leitungen in die Erde verlegt werden, oder mit Gleichstrom betrieben werden. Welche Variante sich am besten eignet, hängt unter anderem von den Gegebenheiten vor Ort ab. Auch wirtschaftliche Erwägungen spielen dabei eine Rolle.“

Anmerkung: Kein Wort zu den tatsächlichen Unterschieden bei den Belastungen durch Frei- bzw. Erdleitungen.

  1. 50-Hertz-Anlagen der Stromversorgung – also Wechselstromanlagen – dürfen einen Grenzwert der magnetischen Flussdichte von 100 Mikrotesla nicht überschreiten.   Anm.: Ein Teil der neuen Trassen soll in Gleichstromtechnik realisiert werden, die bei konstanter Stromstärke nur Magnetfelder aussenden, während Stromschwankungen auch elektromagnetische Abstrahlungen verursachen.
  2. „Ansprechpartner für Messungen können Hochschulinstitute, der TÜV, die Kommunen oder Landesumweltämter sein. Auch die örtlichen Stromversorgungsunternehmen verfügen in der Regel über entsprechende Messtechnik. Im Einzelfall prüft die Bundesnetzagentur, ob Messungen angezeigt sind und führt sie in begründeten Einzelfällen auch durch. Die Messungen sind teilweise kostenpflichtig.“

Anmerkung: Dies ist ein starkes Stück. Denn echte Messungen der Strahlungsintensität von Stromleitungen – ob Freileitung oder Erdkabel – kann man erst durchführen, wenn diese Leitungen bereits errichtet und in Betrieb sind. Dass dann bei problematischen Messergebnissen die gesamte Installation wieder abgerissen wird, glaubt wohl niemand.

  1. Zu den gesundheitlichen Risiken sagt das BfS: „Offene Fragen bestehen zu einem möglichen Zusammenhang von niederfrequenten Magnetfeldern und Leukämien im Kindesalter sowie neurodegenerative Erkrankungen.“ Im Übrigen spricht das BfS zum Thema der gesundheitlichen Gefahren von „keinen eindeutigen negativen Effekten“, – „aber vereinzelten Hinweisen“.

Eigenartig ist, dass das BfS in seinem jüngsten Bericht keine Aussagen zu den Risiken von Freileitungen im Vergleich zu Erdkabeln macht. Die einzige Erwähnung der Erdkabel ist oben in Ziff.4 zitiert – sie ist ohne eine brauchbare Bewertung oder gar Empfehlung.

Auffällig ist die Vagheit und Ungenauigkeit aller Aussagen, die den Eindruck erwecken, als ob es in den vergangenen 20 – 30 Jahren keinerlei handfeste und gesicherte Erkenntnisse zu diesem wahrlich sehr alten Thema gegeben hätte. Das betrifft ganz besonders die Auswirkungen von Wechselstrom-Erdkabeln, die ebenfalls – genau wie Freileitungen – seit Beginn der Elektrifizierung zum millionenfach angewendeten Stand der Technik in städtischen Gebieten gehören. Das sind allerdings Mittel- und Niederspannungsleitungen, keine Höchstspannungsleitungen, wie sie jetzt quer durch das Land neu gebaut werden sollen.

Vollkommen anders geht man in unserem Nachbarland Schweiz mit diesem Problem um. Die Eidgenossen haben – im Gegensatz zu Deutschland – neben den „wissenschaftlich begründeten noch sogenannte Vorsorgegrenzwerte. Damit soll das Risiko für gesundheitliche Auswirkungen, die man heute noch nicht oder nicht genügend kennt, frühzeitig vermindert werden“, wie Jürg Baumann, der „Sektionsleiter Nichtionisierende Strahlung“ vom Schweizer Bundesamt für Umwelt (Bafu) erläuterte (Lit.1).

Für das Magnetfeld von voll ausgelasteten Hochspannungsleitungen setzt die Schweiz einen Maximalwert von   1 Mikrotesla – also ein Hundertstel des deutschen Grenzwertes .

Nur „wenn dies im Einzelfall technisch nicht möglich oder wirtschaftlich nicht tragbar ist, gibt es Erleichterungen“. Vergleichbar niedrige Vorsorgegrenzwerte haben die nordischen Länder Europas.

Merkwürdig ist, dass sowohl die Schweiz als auch Deutschland ihre um den Faktor 100 unterschiedlichen Grenzwerte mit „Erkenntnissen der UN-Gesundheitsorganisation“ begründen.

Auch Wilfried Kühling, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats bei der Umweltorganisation BUND und Leiter des Instituts für Geowissenschaften der Universität Halle-Wittenberg, fordert einen Grenzwert, der noch unter 1 Mikrotesla liegt, was „etwa 600 m Abstand von Höchstspannungsleitungen zur Wohnbebauung“ bedeutete.

Seither ist diese Forderung fester Bestandteil bei den Anti-Freileitungs-Bürgerinitiativen.

Nach der deutlichen Befürwortung von Erdkabeln durch den BfS-Präsidenten Ende 2010 erwartete man im 2013er Bericht endlich Fakten und Empfehlungen in Form von Zahlen. Merkwürdigerweise sind aber wiederum in diesem wichtigsten offiziellen Dokument zum Themenbereich Strahlungen keine derartigen Informationen zu finden – nur der unklare und belanglose, weil unbegründete Satz, der oben in Ziff.4 zitiert wird.

Würden die in der Schweiz geltenden Vorsorgegrenzwerte auch in Deutschland gelten, dann wäre es sowohl mit dem Bau von Freileitungen als auch von Erdkabeln, die näher als 500 Meter von einer Wohnbebauung entfernt verlaufen sollen, vorbei.

Wenn man keine eindeutigen Aussagen zu einer technischen Frage bekommt, gelten dennoch die Gesetze der Physik. Eine unter Spannung stehende und stromdurchflossene Leitung – ob in der Luft hängend oder in einem Kabelschacht – erzeugt elektrische und magnetische Felder. Die elektrischen Felder können sich in der Luft ungestört ausbreiten; im Erdreich hingegen werden sie stark gedämpft. Stromfluss in der Leitung führt zu Magnetfeldern, die eine weitaus größere Reichweite haben als elektrische Felder – und die durch ein die Leitung umgebendes Erdreich so gut wie überhaupt nicht abgeschirmt werden. Wechselstrom sowie schnell schwankender Gleichstrom senden elektromagnetische Felder aus, die von Erdreich kaum gedämpft werden.

Und diese elektromagnetischen Wechselfelder bilden eben jene „Strahlung“, von der in den Strahlenschutzberichten die Rede ist und deren Wirkung auf die Gesundheit viele fürchten.

Es ist daher davon auszugehen, dass Erdkabel die gleiche Strahlungswirkung wie Freileitungskabel haben – wenn die Art des Stroms, die Stromstärke und der Abstand zum Empfänger der Strahlung gleich sind. Alle 380-kV-Trassen, die sich in der Netzplanung befinden, transportieren 50-Hertz-Drehstrom, also Wechselstrom. Sie sind daher für die Anrainer problematischer als die Gleichstromleitungen.

Sobald sich diese Erkenntnis durchsetzt, kann man davon ausgehen, dass sich der Widerstand der Bürgerinitiativen künftig auf alle neuen Wechselstromleitungen konzentriert – ob Freileitungen oder Kabel – und damit auf den ungleich größeren Teil des Energiewende-Netzausbaus als der für die Nord-Süd-HGÜ-Leitungen vorgesehene, der nur im Moment mehr Schlagzeilen macht: Die Verteilnetze.

Die Verteilnetze – die kommende riesenhafte Baustelle

Zusätzlich zum offiziell geplanten Ausbau des Höchstspannungsnetzes wird ebenfalls der Ausbau des ungleich größeren Hochspannungs-, Mittelspannungs- und Niederspannungsnetzes (Verteilnetze ) beginnen müssen, an das nahezu alle EEG-Stromeinspeiser angeschlossen sind – und weiterhin angeschlossen werden – und das dafür nicht ausgelegt ist (Lit.2).

Dieser von den Stromverbrauchern zwangsweise subventionierte gewaltige Ausbau von Windrädern, Photovoltaikanlagen und Biogas-Stromerzeugern bereitet schon heute den Betreibern der Verteilnetze, an denen sie hängen, große Schwierigkeiten. Mit der 2014 erfolgenden Novellierung des EEG wird dieser Ausbau praktisch ebenso rasch weitergehen, wie schon bisher. In diesem Rahmen könnte sich die bereits bestehende „erneuerbare“ Leistung innerhalb von 10 Jahren nochmals verdoppeln. Wie das die Verteilnetze bewältigen sollen, weiß niemand.

Zu den Verteilnetzen werden das Hochspannungs-, das Mittelspannungs- und das Niederspannungsnetz gezählt – diese haben zusammen eine Länge von 98% der rund 1,8 Millionen km Stromleitungen in Deutschland.

Im Fachartikel „Die Energiewende findet im Verteilnetz statt“ (Lit.2) fordern die Autoren für diesen Ausbau der Verteilnetze, dass für einen auch in Zukunft sicheren und stabilen Systembetrieb auch die dezentralen Erzeugungsanlagen – die EEG-geförderten – ihren Beitrag dazu leisten müssen. Und zwar bereits jetzt und zudem nicht etwa im Sinne von abermals zu vergütenden Systemdienstleistungen, sondern als einen selbstverständlich zu leistenden Systembeitrag im Sinne des Verursacherprinzips. „Wer am System partizipiert, muss es auch stützen.“

Es muss festgestellt werden, dass die geplanten Ausbaumaßnahmen des Höchstspannungsnetzes sowie die inzwischen ebenfalls als Konsequenz der Energiewende-Politik erkannten noch viel umfangreicheren Ausbau- und Anpassungsmaßnahmen in den weitaus größeren Verteilnetzen (Hochspannungs-, Mittelspannungs- und Niederspannungsnetze) völlig unnötig wären, wenn Deutschland eine normale, dem Stand der Technik entsprechende Energiepolitik betreiben würde, wie es in sämtlichen hochentwickelten Ländern eine Selbstverständlichkeit ist.

Wenn der dann tatsächlich riesenhafte Ausbau in den Verteilnetzen beginnt, – und das werden ausnahmslos Wechselstromleitungen sein – wird die Zahl der Bürger, vor deren Haustür das stattfindet, entsprechend ins Riesenhafte anwachsen. Sie werden dann von den Bürgerinitiativen, die heute gegen die Höchstspannungstrassen kämpfen, einiges lernen können.

Dazu gehört eine schlechte Nachricht: Erdkabel bringen keine Verbesserung bei der Strahlungsbelastung.

Außerdem ist es ein Irrtum, dass Erdverkabelung einen geringeren Umwelteingriff darstellt als Freileitungen. Zwölf dicke Metallrohre auf einer Breite von 20 Metern werden benötigt, um als Zwischenstück die Transportfähigkeit einer 380 kV-Freileitung unterirdisch fortzuführen. Die breite Schneise ist immer freizuhalten.

Wollte man auch die Magnetfelder des Erdkabels abschirmen, müsste man eine mehrere Zentimeter dicke Weicheisen-Ummantelung außen am Kabel anbringen. Das wäre jedoch nicht nur teurer, sondern die Magnet-Wechselfelder würden in der Eisenabschirmung Wirbelströme erzeugen, die zu erhöhten Leitungsverlusten und einer entsprechend stärkeren Erwärmung des Erdkabels führen würden. Das wird niemals erfolgen.

Die Forderung nach einer Verlegung der neuen Höchstspannungsleitungen unter die Erde kann daher nicht mit einer angeblichen Verringerung oder gar Vermeidung der magnetischen bzw. der elektromagnetischen Strahlenbelastung begründet werden. Aber die Politik hat nun – bis auf weiteres – den Vorrang für Erdkabel beschlossen.

Diese Entscheidung hat Auswirkungen:

  • Sie verteuert den Leitungsbau – um das vier- bis siebenfache.
  • Sie vermeidet riesige neue Freileitungen; durchaus ein Vorteil.
  • Sie verzögert den Leitungsbau beträchtlich, weil es die dafür benötigten Höchstspannungskabel technisch noch am Anfang stehen. Die längsten derartigen Kabelstrecken auf der Welt sind 20 km lang.
  • Die Eingriffe in Grundstücke sind größer; Genehmigungsverfahren könnten länger dauern.
  • Insgesamt bedeutet der Vorrang für Erdkabel eine starke Behinderung und Verzögerung des Netzausbaus – was im Sinne der Bürgerinitiativen ist.
  • Dass sämtliche Kostenerhöhungen auf die Stromkunden abgewälzt werden, in diesem Fall über die Netzentgelte, ist ein Grundprinzip der Energiewende, das auch hier beibehalten wird.

Der von der Politik unter dem Einfluss des Widerstands der Anrainer zugestandene Ersatz von Freileitungen durch Erdkabel wird die Energiewende nicht beschleunigen; im Gegenteil. Auf Grund der aufgezählten Schwierigkeiten wird viel Zeit bis zu einer Verwirklichung der entsprechenden Pläne verstreichen. Bis dahin wird es also in den fraglichen Teilstücken der neuen Trassen keinerlei Baumaßnahmen geben. Den Bürgerinitiativen wird es recht sein.

Wenn diese Verzögerungen zwei oder mehr weitere Jahre dauern, erfolgt Zug um Zug die Stilllegung der restlichen Kernkraftwerke und Süddeutschlands Stromversorgung wird prekär. Weder Wind-Zappelstrom noch Braunkohlestrom wird dann durch die nicht vorhandenen Nord-Süd-Leitungen zu den Haushalten und zur Industrie fließen.

Klimaschutz wird dann nicht mehr ein Thema der dortigen Politik sein.

 

(Lit.1):   Heinz Wraneschitz: „Gesucht: Vorsorgeprinzip bei Hochspannungsleitungen“, vdi-nachrichten , 3.8.2012, dort der Hinweis auf das Schweizer Bafu:           www.bafu.admin.ch/elektrosmog/01079/01080/01081/02271/index.html?lang=de

(Lit.2): Gabriel Clemens, Simon Ohrem: “Die Energiewende findet im Verteilnetz statt”, Energiewirtschaftliche Tagesfragen 64.Jg. (2014), S.8-11

 

 

Dr.-Ing. Günter Keil, Sankt Augustin

12.7.2015