Schlechtes politisches Wetter für die Windkraft. Der Rheingau verbannt die Windräder. Bericht Nr. 3

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Die Serie unerfreulicher Nachrichten für die Windenergie-Anhänger in Politik und Wirtschaft erfuhr Anfang September 2018 eine schmerzliche Fortsetzung: „Die Weinregion bleibt vorerst frei von Windrädern“ meldete die FAZ/Rhein-Main-Zeitung  am 3.9. unter der knackigen Artikelüberschrift „Vom Rheingau lernen, heißt Rotoren stoppen.“ (1). Im Rheingau gab es tatsächlich eine neue Qualität im fünf Jahre währenden Kampf der Widerständler der „Initiative Pro Kulturland Rheingau“ gegen die Verschandelung ihrer Heimat durch riesige Windräder.

Der Kampf begann mit dem ersten Entwurf 2013 des „Sachlichen Teilplans Erneuerbare Energien“ der im Frühjahr 2014 vom hessischen Regierungspräsidium in Darmstadt veröffentlicht und im Landratsamt des Rheingau-Taunus-Kreises öffentlich ausgelegt wurde. Neben anderen Themen wie Solar- oder Bioenergie waren es vor allem die darin aufgeführten Vorranggebiete zur Nutzung der Windenergie, die in den betroffenen Kommunen für Aufregung sorgten. Die dazu eingegangenen Stellungnahmen bewirkten etliche Planveränderungen, die schließlich als Entwurf 2016 eine zweite Offenlage erlebten. Etliche Veränderungen waren darin vorgenommen worden, aber das Ausmaß des gesamten Eingriffs in die Landschaft blieb erschreckend.

Der Verein Pro Kulturlandschaft Rheingau nahm erneut den Kampf auf. (3)


In einem offenen Brief an den Regierungspräsidenten erklärte er, „dass wir mit wachsendem Erstaunen und Entsetzen von dem neuen Teilplan Kenntnis genommen haben.“ Anstatt eines Verbotes von Windkraftanlagen im Rheingau sehe der neue Plan nun wieder immense Vorrangflächen für diese einmalige Kulturlandschaft vor. „Wir können einfach nicht verstehen, warum Sie in den vergangenen Monaten die vielfältigen Proteste, Demonstrationen, Bürgerentscheide und Fachgutachten der beteiligten Behörden gegen Windräder nicht zur Kenntnis genommen haben.
Bei den ausgewiesenen, neuen Vorrangflächen sei unter anderem das Gutachten des Bundesamtes für Naturschutz, das die Rheingauer Kulturlandschaft als besonders sensibel bezeichnet und die daher keine Störungen vertrage, sträflicherweise nicht beachtet worden. Ferner (gibt es) die völlige Außerachtlassung der UNESCO als zuständige Entscheidungsinstanz und der damit verbundenen Sichtachsenstudie nach dem Grontmij-Verfahren für die geplanten Windräder in der Pufferzone Weltkulturerbe Lorch und Stephanshausen…
Aus den genannten Gründen bitte der Verein ebenso eindringlich wie ernsthaft, die Vorranggebiete im Bereich des Rheingaus ersatzlos aus dem Teilplan Erneuerbare Energien zu streichen. Mit der Rheingauer Bevölkerung sei man sich einig, „dass unsere einmalige Kulturlandschaft keine Störungen verträgt, denn Landschaft und Heimat sind nicht ersetzbar.“
Ob der Regierungspräsident geantwortet hat, steht nicht in diesem Artikel (3).
Der Teilplan 2016 wurde jedenfalls nicht zurückgezogen.

In dem Artikel von Oliver Bock wird der zähe Kampf der Windkraftgegner beschrieben, der zunächst keineswegs absehbar gewesen sei. Aber eine Kommune nach der anderen schloss sich der Ablehnungsfront an: „In Eltville und Oestrich-Winkel gab es Bürgerentscheide mit klaren Mehrheiten gegen Windräder. In Walluf, Kiedrich und Rüdesheim war die jeweilige Mehrheit der Kommunalpolitiker von vornherein dagegen, Wald für Rotoren zu opfern – oder sie scheuten den absehbaren emotionalen und heftigen Streit, der einen tiefen Riss durch die Bürgerschaft zur Folge gehabt hätte“, berichtet der Korrespondent Oliver Bock.
Dieser Riss sei in Geisenheim und – weniger stark- in Lorch zu beobachten gewesen, „wo die Kommunalparlamente zunächst den Weg für Windparks geebnet hatten“. Dort engagierte sich die Bürgerinitiative besonders und am Ende scheiterten auch beide Pläne.

In der zweiten Hälfte seines Artikels schildert Oliver Bock die am Ende erfolgreiche und wahrlich beispielhafte Vorgehensweise der Rheingauer Bürgerinitiative. Unter der Überschrift „Prominente Unterstützung“ beschreibt er, wie die Rheingauer „prominente Köpfe, die als Vorbilder und Sympathieträger dienen“ auf ihre Seite zogen. „Informationsveranstaltungen wurden organisiert, Flugblätter gedruckt, Plakatständer beklebt.“ Mit Luftballons wurde die Größe der Windturbinen verdeutlicht. Viele Briefe wurden an Denkmalschützer, an Landes- und Berufspolitiker, an die UNESCO geschrieben. Fotomontagen vermittelten einen Eindruck von einer durch Windräder „verspargelten Landschaft“. Material für kritische Fernseh-Reportagen wurde erarbeitet und verbreitet.
Mit „Guerilla-Marketing“ ist ein Kapitel der Kampagne der Pro-Kulturland-Rheingauer überschrieben, womit spektakuläre Aktionen knapp am Rande der Legalität gemeint sind, die sich die phantasievollen Initiativler ausdachten. „Bürgerlicher Ungehorsam in geringer Dosierung als erlaubtes Mittel gegen eine falsche Politik“, nennt Oliver Bock diese Methode, die einst die Spontis erfunden hatten. Oder stammt diese Definition vom Vereins-Chef Gerhard Gänsler ?
Man kann nur erstaunt und bewundernd feststellen, was diese Gruppe an Kreativität erdacht und angewendet hat.
Viele gleichfalls in Anti-Windkraft-Initiativen aktiven Bürger aus anderen Regionen der Republik stellen nun gewiss die Frage, wie die Rheingau-Initiativler das schaffen konnten. Die Bürgerinitiative hat jetzt eine Bilanz ihres Abwehrkampfs in einer Broschüre vorgelegt, die der freie Autor und Rheingauer Georg Etscheit in journalistischem Stil ausgearbeitet hat. Damit wollen sie ähnlichen Bündnissen Mut machen – und vor allem die wirksamste Vorgehensweise nach außen, aber auch für die interne Arbeitsweise erläutern (2).
Diese Broschüre könnte zum Ratgeber für die ca. 1000 Bürgerinitiativen avancieren, die gegen die Energiewende und ihre vielfachen Kollateralschäden  kämpfen.
(An die Bundesinitiative Vernunftkraft: Herr Ziegler, übernehmen Sie !).

Die abschließende Kapitelüberschrift im Artikel von Oliver Bock lautet konsequenterweise „Druck auf die Politik mit Wirkung“. Ministerpräsident Bouffier versicherte schriftlich, dass Hessen das Welterbeprädikat der UNESCO für das Mittelrheintal auf keinen Fall gefährden werde. CDU-Landesminister signalisierten Unterstützung; die CDU-Parteibasis beteiligte sich zum großen Teil am Widerstand gegen die „Verspargelung“ der Landschaft.
Die Energieversorger, die den Rheingau gerne mit vielen Windrädern in eine Industrielandschaft verwandeln wollten, haben erst einmal aufgegeben.

Der Maßstab für den harten Kern der Widerständler, so schreibt der Berichterstatter, war das erfolgreiche Verhindern der Verschandelung der Eltviller Promenade durch den Bau einer Rheinuferstraße vor 40 Jahren. Eine der ersten Bürgerinitiativen Deutschlands.
Dieser „harte Kern“ bestand jetzt „vornehmlich aus einer Gruppe älterer Herren: Gut vernetzt, beruflich erfahren und gewillt, ihre Talente einzusetzen und gegebenenfalls auch Geld in die Hand zu nehmen.“ Und sie haben gewonnen.

Hans-Jürgen Lange, Vorstandsmitglied und Unternehmensberater, fasst eine Erkenntnis aus dem erfolgreichen Kampf in dem Satz zusammen:
„Viele Bürgerinitiativen scheitern nicht an mangelnder Unterstützung, Zuspruch oder Geld. Sie scheitern an ihrer Unerfahrenheit, sich richtig und effizient zu organisieren, strategisch zu handeln und an mangelnder Eigendisziplin.“

Auch wenn der hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Die Grünen) den weiteren Ausbau der Windenergie im Land Hessen für dringend geboten hält, wird es auf den Höhenzügen im Rheingau auf absehbare Zeit keine Windräder geben. Derartige Rückschläge musste er schon mehrmals hinnehmen.
Es steht jetzt 1:0 für die Rheingauer. Aber es ist noch lange nicht vorbei…
Dazu passt ein DDR-Witz:“Woran erkennt man den Klassenfeind ?“ Antwort: „Der Klassenfeind schläft nicht.“

Quellen:
(1.) Oliver Bock: „Vom Rheingau lernen, heißt Rotoren stoppen. Sieg der
Windkraftgegner.“; Frankfurter Allgeneine- Rhein-Main; 3.9.2018;
(Der Artikel besteht aus zwei Teilen)
http://www.faz.net/aktuell/rhein-main/region-und-hessen/rheingau-kaempft-erfolgreich-gegen-windkraft-15768447.html
(2.) Bürgerinitiative „Pro Kulturlandschaft Rheingau e.V.“; Georg Etscheit: „Der
Rheingau sagt NEIN! – Die erfolgreiche Geschichte einer Bürgerinitiative“;
https://www.pro-kulturlandschaft-rheingau.de/
(3.) Rheingau-Echo: „Windräder bleiben im Rheingau weiter ein Thema“;
06.04.2017;
https://ww.rheingau-echo.de/nachrichten/region/rheingau/windraeder-bleiben-rheingau-thema-id28208.html
(4) Barbara Dietel: „Rheingauer feiern Rettung der Landschaft nach dem Aus für
die Windkraft in Lorch und Stephanshausen“; Wiesbadener Kurier;
August 2017; https://www.wiesbadener-kurier.de/lokales/rheingau/geisenheim/rheingauer-feiern-Rettung-der-Landschaft-nach-dem-aus-für-die-windkraft-in-Lorch-und-stephanshausen ..