Strom aus der Steckdose ist nicht selbstverständlich

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Die Bundesregierung hatte sich im Energiekonzept 2010 zum Ziel gesetzt, den Stromverbrauch bis zum Jahr 2020 um 10 % gegenüber 2008 zu senken. Um dies zu erreichen, wurde für den Strombereich eine deutliche Effizienzsteigerung vorausgesetzt. Wenn es in Teilen auch eine Effizienzsteigerung gegeben hat, so wurde sie durch höhere Stromnachfrage kompensiert. Der Stromverbrauch in Deutschland ist nämlich seit Beginn der 1990er Jahre im Trend gestiegen. Ist eine Senkung realistisch? Wohl kaum.

Der Anteil des Stroms an der Deckung des zukünftigen Energiebedarfs wird auch weiterhin zunehmen. Strom hat ein beachtliches Potential für die Substitution fossiler Energieträger sowohl in der industriellen Produktion als auch im Niedertemperaturwärme- und Verkehrsbereich. Die Befriedung neuer gesellschaftlicher Bedürfnisse in den Bereichen Kommunikation und Informationsverarbeitung sowie für die weitere Automatisierung der Produktion und von Prozessabläufen wie auch der Umstieg auf elektrisch angetriebene Fahrzeuge lassen einen steigenden Strombedarf erwarten. Ebenso aber auch die Zunahme elektrischer Haushaltsgeräte und die Automatisierung häuslicher Einrichtungen und Vorgänge liegen voll im Trend. Bereits wird wieder über die Verwendung von elektrischen Heizgeräten spekuliert, obwohl deren Einsatz zwischenzeitlich verpönt war. Die Entwicklung der Mikroelektronik hat völlig neue Anwendungsgebiete erschlossen, die die Verfügbarkeit des Stroms zur Voraussetzung haben.

Das Vorhandensein und die Nutzung des Stroms sind für uns eine Selbstverständlichkeit geworden, so selbstverständlich, dass einem nicht mehr bewusst ist, wie sehr wir von der Stromversorgung abhängig sind. Wenn sich kein Licht schalten lässt, kein Telefon funktioniert, die Heizung nicht anspringt, das warme Wasser ausbleibt, das Essen sich nicht zubereiten lässt und wir nachrichtlich von der Außenwelt abgeschnitten sind. Dieses Szenario würde die Allermeisten völlig unvorbereitet treffen, rat- und hilflos machen.  Nur äußerst selten fällt die Stromversorgung aus und wenn, dann regional begrenzt und für nur relativ kurze Zeit. Die bislang äußerst hohe permanente Verfügbarkeit des Stroms in Deutschland basiert auf einer zwar komplexen aber technisch wie organisatorisch bewährten Netzstruktur. NOCH, denn die Weichen sind gestellt, sie weisen in eine risikoreiche, kostenintensive Richtung.

Die Folgen des Stromausfalls wurden durch das Büro für Technik-Folgenabschätzung im Auftrag des Deutschen Bundestages untersucht [1]. Die Untersuchung ist dabei auch von einem Szenario eines zweiwöchigen Stromausfalls ausgegangen, der mehrere Bundesländer betrifft. Das Büro für Technikfolgen-Abschätzung geht in diesem Fall von einer Lage aus, die kaum beherrschbar wäre. Die öffentliche Ordnung würde stark beeinträchtigt oder gar zusammenbrechen. Die Folgen für Kliniken und Arztpraxen bei einem sogenannten “Mega-Blackout” wären dramatisch. Die pharmazeutische und medizinische Versorgung wäre nicht mehr sichergestellt. Auch der Verkehr wäre durch liegenbleibende Züge und U-Bahnen stark in Mitleidenschaft gezogen. Die Kommunikationsmöglichkeiten wären durch nicht funktionierende Handys, Telefone und ohne Internetzugriff stark eingeschränkt. Die Lebensmittelversorgung wäre beeinträchtigt.

Diese Studie liegt dem Deutschen Bundestag vor. Umso mehr verwundert, wie leichtfertigt er in Kenntnis der Studie mit der bewährten Struktur der Stromversorgung in Deutschland umgeht, in dem er hauptsächlich auf die wetterabhängige also volatile Stromerzeugung durch Wind und Sonne setzt und den Kernenergieausstieg besiegelt, wie auch den Kohleausstieg anstrebt und somit die CO2-Reduzierung als höherwertig einstuft als eine sicher funktionierende Stromversorgung, die für die Wirtschaft unerlässlich ist. Die Eingriffe zur Netzstabilisierung (Redispatch) haben gegenüber der Zeit vor der Energiewende um mindestens das Hundertfache zugenommen. Dies ist ein Beleg für die durch den volatilen Ökostrom verursachte „Netz-Instabilität“.

Weder hat das vom Menschen erzeugte CO2 nachweislich einen nennenswerten Einfluss auf die Erdtemperatur, noch wurde trotz eines inzwischen ca. 35 %-igen Anteils des Ökostroms an der Stromerzeugung CO2 eingespart.

Wind- und Solaranlagen sind und werden nicht in der Lage sein, die Grundlast des Strombedarfs zu jeder Zeit und in der notwendigen Höhe zu Decken und zwar unabhängig von deren weiteren Ausbau. Stets müssen Fossilkraftwerke betriebsbereit zur Verfügung stehen, die in den keineswegs seltenen Zeiten eines geringen Ökostroms die volle Stromversorgung übernehmen können. Somit bleibt auch die CO2-Einsparung nur sehr begrenzt möglich.

Vor einem Jahr schrieb das Handelsblatt [3]: „Windräder und Photovoltaikanlagen, verteilt übers Land, sind das wohl deutlichste Zeichen für die Energiewende und den Klimaschutz in Deutschland. Das Unterfangen im Stromsektor hat bereits dreistellige Milliardenbeträge verschlungen. Doch der unbestreitbare „Erfolg“ beim Ausbau der erneuerbaren Energien zur Stromerzeugung vermittelt einen falschen Eindruck, die CO2-Einsparungen sind teuer erkauft.“ Eine teure Illusion.

Bei Verzicht auf Kohle-, Öl- und Gas-Kraftwerken zur Stromerzeugung blieben nur Kernkraftwerke als Alternative. Diese Feststellung wurde auf dem „Ersten internationalen Kongress zum Klimawandel und der Rolle der Kernenergie“ der IAEO im Oktober 2019 bestätigt [2]. Vorgestellte Szenarien prognostizieren einen starken Anstieg der Stromerzeugung und –nachfrage bis 2050, der auf das Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum zurückzuführen ist. Die globalen Energieszenarien würden die Notwendigkeit unterstreichen, dass Kernenergie eine noch größere Rolle bei der Eindämmung des Klimawandels spielen wird, um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen. Zusammen mit anderen kohlenstoffarmen Technologien könne die Kernenergie im Rahmen einer nachhaltigen Energiewende bis 2050 einen steigenden Bedarf an Strom und nichtelektrischer Energie decken.

Diese Position wurde auch auf dem ersten US-EU High-Level Industrial Forum on SMRs bestätigt [4], das im Oktober 2019 stattfand. Unter Berufung auf Daten der Internationalen Energie Agentur (IEA) sei für 2018 ein beispielloser Anstieg der globalen Energienachfrage zu verzeichnen. Etwa die Hälfte davon entfiele auf Erdgas, gefolgt von erneuerbaren Energien, Öl, Kohle und Kernkraft. Die CO2-freien Emissionen steigen weiter und unterstreichen die Notwendigkeit, die CO2-freie Stromerzeugung zu beschleunigen.

Demzufolge bekräftigte die IEA, weltweit sei Atomkraft eine der führenden Quellen für sauberen Strom – nach Wasserkraft -, aber, wurde auch betont, viele Kernkraftwerke in fortgeschrittenen Volkswirtschaften stünden kurz vor dem Ende ihrer ursprünglichen Lebensdauer von 40 Jahren. Ohne zusätzliche Laufzeitverlängerungen oder neue Projekte würden die Nuklearkapazitäten in fortgeschrittenen Volkswirtschaften – vor allem in den USA, der EU und Japan – bis 2040 um zwei Drittel zurückgehen, was im Wesentlichen auf politische Probleme und ein unzureichendes Marktdesign zurückzuführen sei.

In 31 Staaten der Erde werden Kernkraftwerke betrieben. Sie wie auch weitere Staaten, die erstmals Kernkraftwerke bauen und weitere, die konkrete Bauabsichten haben, sehen in der Kernenergie eine zukunftssichere und zugleich CO2-freie Stromerzeugung. Die AGEU berichtete wiederholt hierüber.

Es ist und bleibt ein Rätsel, wie Deutschland als eine der größten globalen Industrienationen zur Einhaltung seiner CO2-Verminderungsziele seinen elektrischen Energiebedarf ohne realistische Aussicht auf ausreichende Stromspeicher ausschließlich mit Ökostrom wird decken können.

Mit der Abschaltung der noch in Betrieb befindlichen sieben Kernkraftwerke müssen rund 10.000 MW elektrischer Leistung ersetzt werden, hauptsächlich durch Strom aus Fossilkraftwerken. Mit dem Betrieb der sieben (verbliebenen) Kernkraftwerke wurden jährlich rund 80 Millionen Tonnen CO2 vermieden, die dann beim Einsatz der Fossilkraftwerke vermehrt abgegeben werden müssen. Noch vor wenigen Jahren, in 2016, trug die Kernenergie 33,7 % zur Stromversorgung in der Grundlast bei, jene Stromversorgung, die rund um die Uhr zur Verfügung stehen muss. Es wird die Zeit kommen, wo man sich vor den Kopf fassen wird, wieso diese umweltschonende, zuverlässige und preisgünstige Stromversorgung aufgegeben wurde.

 

[1] Technikfolgenabschätzung: Gefährdung und Verletzbarkeit moderner Gesellschaften am Beispiel eines großräumigen und langandauernden Ausfalls der Stromversorgung – Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (PDF; 2,0 MB) vom 27. April 2011, Herausgeber: Deutscher Bundestag

[2] World Nuclear News, „The untapped potential of nuclear under the Paris Agreement“, 16. 10. 2019

[3] Handelsblatt, „So könnte in Deutschland das meiste CO2 eingespart werden“, 19.10.2018

[4] World Nuclear News, “World must value nuclear, says IEA chief”, 23.10.2019