Deutsche Klimaschutzpolitik eine Sache von Glaube und Hoffnung

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Wissen und Fakten sind offenbar unerheblich

Eine zeitlose Erkenntnis von Mark Twain besagt:

„Es ist viel einfacher, Menschen zu täuschen, als sie davon zu überzeugen, dass sie getäuscht wurden“.

Die dunklen Tage am Jahresende sind die Zeit, in der gern Märchen erzählt werden, nicht nur den Kindern.  Die Bundesregierung muss laut Bundesfinanzminister Olaf Scholz jetzt einen großen und überzeugenden Schritt für den Klimaschutz gehen. „Die Politik hat jetzt die Verantwortung, den Ausstoß von klimaschädlichem CO2 massiv zu senken und bis 2050 komplett zu beenden“, verheißt er auf der Webseite des Bundesfinanzministeriums [1]. Die CO2-Emissionen müssten überall in der Welt zurückgehen, nun müsse aber Deutschland vorangehen: „Weil wir die wirtschaftlichen Möglichkeiten dazu haben, die Ingenieurinnen und Ingenieure — und den klaren politischen Willen.“

„Konkret müssen wir den Umbau unserer Stromversorgung kraftvoll vorantreiben. In den nächsten drei Jahren (2022) steigen wir aus der Atomkraft aus, bis 2038 aus der Kohleverstromung. Damit verzichten wir auf einen nicht unerheblichen Teil unserer bisherigen Stromquellen. Die wichtigste Aufgabe ist jetzt aber der Netzausbau. Wir brauchen jetzt ein Netz, das den Strom vieler dezentraler Erzeugungsanlagen an die vielen dezentralen Verbraucher verteilt.“ Verheißungsvolle Worte.

Der Bundesfinanzminister lässt den Leser wissen, dass die Windenergie an Land und auf See schon heute eine „zuverlässige Technik“ sei. Erklärt dann aber lapidar und realitätsfern, dass es dazu Speicher bedarf, „denen wir Strom entnehmen können, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht. Bis ins Jahr 2030 wollen wir erreichen, dass 65 Prozent unseres Stroms aus Erneuerbaren kommt.“ Wo man ihm recht gibt, dass die Vorhaben „Jahre dauern und viel Geld kosten werden“, aber nicht, ob sie zum versprochenen Ziel führen.

Ingenieure können zwar Vieles, aber die erforderlichen Speicher können sie nicht aus dem Hut zaubern. Pumpspeicherkraftwerke sind grundsätzlich geeignet, lassen sich in Deutschland aber nicht in dem notwendigen Ausmaß realisieren. Andere Speicherarten sind real nicht in Sicht oder viel zu kostspielig und unwirtschaftlich wie die Power-to-Gas-Technik.

Wie sieht die Realität aus?

Bei dem Energiemix in 2017 betrugen die mit der Stromversorgung verbundenen CO2-Emissionen in Deutschland 486 Gramm pro Kilowattstunde, in Frankreich dagegen nur 76 Gramm pro Kilowattstunde. Der Grund: Der Energiemix in Frankreich besteht zu rund 70 % aus Kernenergiestrom und zu 10 % Strom aus Wasserkraft. Den Rest teilen sich Ökostrom und Strom aus Fossilkraftwerken. Entsprechend günstig erweist sich der Strompreis mit 17 Ct/kWh in Frankreich gegenüber 29,6 Ct/kWh in Deutschland. Selbst mit dem deutschen CO2-Reduktionsziel, 55 % in 2030 gegenüber 1990, ist Deutschland noch Meilenweit von den CO2-Emissionen seines Nachbars entfernt. Nicht Deutschland, vielmehr Frankreich könnte sich als Vorbild präsentieren.

Am 10.10.2016 berichtete „Die Welt“, die Energiewende kostet die Bürger 520.000.000.000 Euro bis 2025 – erstmal. Eine vierköpfige Familie zahlt somit direkt oder indirekt über 25.000 Euro für die Energiewende. Die Bundesregierung ist im Rahmen der Gesetzesfolgenabschätzung zwar angehalten, die finanziellen Auswirkungen ihrer Vorschriften zu beziffern. Bei der Energiewende, wo sie dutzende Gesetze erlassen hat, ist das laut Bundesrechnungshof aber bis heute nicht passiert. Er kritisierte bereits in seinem Vorjahresbericht, das zuständige Bundeswirtschaftsministerium habe trotz mehrfacher Aufforderung noch immer keinen vollständigen Überblick über die Kosten der Energiewende geliefert. Bundeswirtschaftsminister Altmaier hatte schon vor Jahren prognostiziert, dass die Kosten der Energiewende bis 2030 auf über eine Billion Euro auflaufen könnten.

Und was hat uns nun die Installationen von tausenden Windkraft- und Solaranlagen mit einer installierten Leistung von rund 110.000 Megawatt an CO2-Verminderung gebracht? Fast nichts. Seit 10 Jahren schwanken die jährlichen CO2-Emissionen um etwa 800 Millionen Tonnen. 2018 war erstmals eine leichte Absenkung eingetreten. Die Bundesregierung hatte aber bereits erklärt, dass sie das für 2020 gesteckte Reduktionsziel nicht erreichen wird. Voraussichtlich wird das auch für 2030 gelten, denn die dann abgeschalteten Kernkraftwerke können im Wesentlichen nur durch Fossilkraftwerke ersetzt werden.

 Die Welt vom 26.10.2019 verkündete „Wind und Strom liefern erstmals mehr Strom als Kohle“. Eine Momentaufnahme, die ein trügerisches Bild vom Ökostrompotenzial liefert, denn wetterbedingt kann er am Tage darauf bereits einen nur unbedeutenden Stromanteil haben und zwar unabhängig von deren installierten Leistung. Die nachstehende Grafik der

Stromerzeugung und des Leistungsbedarfs beispielhaft im September 2019 belegt die Unzuverlässigkeit (Volatilität) des Ökostroms (blaue und gelbe Fläche), die nur durch Strom aus Kernkraft- und Fossilkraftwerken ausgeglichen werden konnte (braune Fläche). Die braunen Spitzen geben den jeweiligen maximalen Stromverbrauch an.

Die der Rubrik “Ausgewählte Kapitel der Energiewirtschaft“ der Hochschule Aachen, Prof. Dr.-Ing. H. Alt entnommene Grafik belegt zugleich die Unverzichtbarkeit konventioneller Kraftwerke, die auch dann besteht, wenn der Ausbau der Ökoanlagen weiter fortschreitet. Durch die Volatilität der Ökostromanlagen sind die Kraftwerksanlagen der konventionellen Energien (Kohle-, Gas- und Atomstrom) ständig gezwungen, ihre Leistung hoch- und runterzufahren, was zu einem höheren Verschleiß führt, anstatt mit gleicher Leistung über einen größeren Zeitverlauf Strom zu erzeugen.Die Schattenseite dieser Entwicklung aber ist, für die unverzichtbare konventionelle Stromerzeugung erfordert der geringer werdende Umsatz und der weniger effiziente Teillastbetrieb zunehmend höhere Börsenpreise.

Die folgende Grafik zeigt die Diskrepanz zwischen tatsächlichem Wert für den aus Wind- und Solarenergie

erzeugten Strom (blau) an den einzelnen Monatstagen im September und den nicht im Verhältnis dazu stehenden hohen Ausgaben an die Betreiber von Wind- und Solaranlagen aus dem Geldbeutel der privaten Stromkunden (grün). Rot stellt die Differenz dar. Sie entspricht der EEG-Umlage (EEG-Wert minus Börsenwert), die die Stromkunden auf ihrer Stromrechnung finden. Das sind im September 2019 ohne nennenswerte Herbststürme (sonst fiele die EEG Umlage noch höher aus) 1,54 Milliarden Euro.

Um es nochmals klar zu sagen: Es ist ohne geeignete Stromspeicher unmöglich, die Energiewende überwiegend durch den Ausbau der Ökostromanlagen (Wind, Solar,Bio) zu vollziehen. Es wird nicht einmal möglich sein, die Abschaltung der Kernkraftwerke klimaneutral zu gestalten. Fossilkraftwerke müssen wieder hochgefahren und neue errichtet werden. Bei alledem kamen und kommen weiterhin immense Kosten auf die Stromverbraucher zu.

Ein zutreffendes Urteil war im Magazin für politische Kultur Cicero [2] zu lesen: „Die Energiewende wird zu sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Umwälzungen führen, die sich keiner wünschen kann. Das Besondere an der real existierenden Klimapolitik in unserem Land ist die Diskrepanz zwischen ihren brachialen Mitteln und ihren jämmerlichen Resultaten. Deutschland ist dabei, seine einst hochzuverlässige Elektrizitätswirtschaft zu zerschlagen und mit hohem Aufwand einen Technologiewechsel zu vollziehen. Aber wir erreichen die Klimaziele nicht. Denn wir schaffen die Kernenergie vor der Kohlekraft ab.“

[1] https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Interviews/2019/2019-09-18-FAZ-Gastbeitrag.html

[2] Anna Veronika Wendland, „Kartharsis durch Kernkraft“, Cicero 1.11.2019