Erdgas statt Kohle: Hilft der Wechsel dem Klimaschutz?

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Dass die volatilen erneuerbaren Energien für eine sichere Stromversorgung auf konventionelle Kraftwerke  angewiesen sind, sollte inzwischen jedem bekannt sein. Der von der Bundesregierung beschlossene Ausstieg aus der Kernenergie und aus der Kohle zwingt demzufolge zum vorerst alleinigen Einsatz von Gas zur gesicherten Stromerzeugung. Das Erdgas mit dem Hauptbestandteil Methan CH4 gilt als vergleichsweise klimafreundlich, weil im Vergleich zur Kohle bei der Verbrennung nur halb so viel CO2 entsteht. Ist das auf diese Weise angestrebte Ziel der signifikanten Reduktion von Treibhausgasen realistisch?

Nach Ansicht des Bundeswirtschaftsministeriums wird Erdgas in den „nächsten Jahrzehnten“ einen wesentlichen Beitrag zur Energieversorgung in Deutschland leisten. „Erdgaskraftwerke können eine wichtige Rolle beim Ausgleich von Stromschwankungen aus erneuerbaren Energiequellen spielen, die je nach Wetterlage und Jahreszeit erhebliche Produktionsschwankungen unterliegen [1].“ Wenn bis 2050 der Strom zu 65 % aus erneuerbaren Energien erzeugt werden soll, müssen 35 % von Gaskraftwerken übernommen werden, denn Kernenergie und Kohle sind zu dem Zeitpunkt längst passee. Zurzeit liegt deren Beitrag bei 22,6 %.

Deutschland ist in hohem Maße von Erdgasimporten abhängig. Derzeit werden knapp 94 % des Gesamtbedarfs ausschließlich über Pipelines aus verschiedenen Lieferländern bezogen. Tendenz: Steigend. Die Bedeutung eines langfristig gesicherten Erdgasimportes wird am Beispiel des Ausbaus von Nordstream 2 offensichtlich. Trotz erheblicher Kritik des Auslandes bleibt die Bundesregierung beim Ausbau der Ostsee-Gaspipeline. Die USA begründen ihre Ablehnung mit zu starker Abhängigkeit von russischem Erdgas, ist zugleich aber daran interessiert, ihr durch Fracking gefördertes Erdgas als Flüssigerdgas LNG nach Deutschland zu verkaufen. Auch Frankreich zeigt sich zum Nordstream 2 ‘pas content’.

Der aktuelle IPCC AR6 Sachstandsbericht fordert Staaten und Regierungen unter anderem auf, dringend Maßnahmen gegen industrielle Methanemissionen zu unternehmen. In der Bundestagsdrucksache 19/32671 wird die deutsche Gesamt-Methanemission in 2019 mit 49.271 Tausend Tonnen CO2-Äquivalent angegeben. Die Europäische Kommission hat einen Legislativvorschlag zur Reduzierung von Methanemissionen im Energiebereich angekündigt. Einzelheiten sind noch nicht bekannt.

Soweit der politische Rahmen.

In einer Mitteilung von Schernikau [2] mit einer Zusammenstellung einschlägiger Berichte heißt es: „Switching from coal to gas will do nothing to “save our climate” even by the most aggressive – unrealistic – climate models. Umschalten von Kohle auf Gas hilft dem Klimaschutz nicht. Was bisher zu wenig Beachtung gefunden habe, sei das Methan als Treibhausgas. Methan ist nach Angaben des Bundesumweltamtes 25-mal so wirksam wie CO2.

Das Methan, dem Hauptbestandteil des Erdgases, entweicht hauptsächlich bei der Förderung, beim Transport und der Verarbeitung des Erdgases. Die neue IEA-Analyse [3], die die neuesten Satellitendaten und Erkenntnisse enthält, zeigt den anhaltenden Missbrauch eines großen Teils des weltweit verbundenen Gases. Von den geschätzten 935 Mrd. Kubikmeter Gas, die 2019 in Verbindung mit Öl gefördert wurden, wurden nur etwa 75% vom Betreiber vor Ort verwendet oder erneut in die Bohrung injiziert oder an Verbraucher vermarktet. Von den verbleibenden 25% wurden schätzungsweise etwa 55 Mrd. Kubikmeter als Methan in die Atmosphäre freigesetzt wurden und die verbleibenden 150 Mrd. Kubikmeter abgefackelt.

Gasemissionen während Förderung, Verarbeitung, Transport und Verwendung des Gases

Das Abfackeln von Erdgas ist seit langem ein Problem für die Ölindustrie. Trotz des zunehmenden Bewusstseins für das Problem und einer Reihe von Initiativen zur Eindämmung des Abfackelns ist die Menge des weltweit jährlich abfackelnden Gases in den letzten Jahren immer größer geworden, und die Welt fackelt jetzt genauso ab wie vor zehn Jahren [3].

Diese Methan-Emissionen müssen allerdings in Relation zu anderen Quellen gesehen werden. Etwa ein Drittel der weltweiten Methanemissionen stammt von Bakterien in natürlichen Feuchtgebieten, die bei der Zersetzung von organischem Material das Gas produzieren. Landwirtschaft, Viehhaltung, Reisanbau machen ein Drittel der weltweiten Methanemissionen aus. In den vergangenen zwei Jahrzehnten seien die globalen Methan-Emissionen um etwa 10 Prozent gestiegen [4].

Eine Studie der Energy Watch Group [5] kommt zu dem Ergebnis, dass eventuelle CO2-Einsparungen durch die hohen Methan-Emissionen von Erdgas bei weitem überkompensiert werden, so dass eine Umstellung von Kohle und Erdöl im Strom-, Wärme-, und Verkehrssektor auf Erdgas die „höchst negative Klimawirkung“ von Kohle und Erdöl sogar noch deutlich übertrifft. Somit leiste Erdgas entgegen der von weiten Teilen der Öffentlichkeit vermittelten Darstellung keinen Beitrag zum Klimaschutz, sondern verursache stattdessen eine zusätzliche Beschleunigung des Klimawandels. Präsident der Energy Watch Group, Hans-Josef Fell, war als ehemaliger Bundestagsabgeordneter ein vehementer Vertreter der GRÜNEN für die Förderung der erneuerbaren Energie und trat nachdrücklich für den Ausstieg aus der Kernenergie ein.

Wie aus einem Bericht der Wallstreet-Online [6] hervorgeht, schätzt die Bundesregierung Flüssigerdgas (LNG), was mittels Fracking gefördert wird, ähnlich klimaschädlich ein wie Kohle und als deutlich klimaschädlicher als Pipelinegas aus konventionellen Lagerstätten. Das geht aus einer Stellungnahme des Bundesumweltministeriums auf Veranlassung der Grünen-Bundestagsfraktion hervor, über welche das “Redaktionsnetzwerk Deutschland” berichtete.

Um die Klimawirkung zu ermitteln, müssten allerdings auch jene Emissionen berücksichtigt werden, die im Rahmen der Gewinnung und des Transportes von Erdgas anfielen. “Hierzu kann gesagt werden, dass der Einsatz von Frackinggas, das als Flüssigerdgas LNG (liquefied natural gas) nach Europa transportiert wird, nur geringe Emissionseinsparungen im Vergleich zum Einsatz von Kohle aufweist und im Vergleich zu leitungsgebundenem Erdgas deutlich schlechter abschneidet” schreibt das Umweltministerium. “Insbesondere im Vergleich zum Einsatz von leitungsgebunden importierten Erdgas dürfte der Einsatz von Frackinggas, selbst wenn das Gas in Deutschland gewonnen würde, keine positiven Wirkungen auf die Klimaziele haben”, so das Ministerium weiter.

In ihrer wissenschaftlichen Studie [7] kommen Wijngaarden und Happer bei Betrachtung der Strahlungsantriebe von CO2und Methan zu einer anderen Bewertung:

„Für aktuelle Konzentrationen von Treibhausgasen ist zwar der Strahlungsantrieb in der Tropopause pro zugesetztem Methan-Molekül etwa 30-mal größer als der Antrieb pro zugesetztem Kohlendioxid-Molekül. Dies ist auf die starke Sättigung der Absorptionsbande des reichlich vorhandenen Treibhausgases CO2 zurückzuführen. Die Steigerungsrate von CO2-Molekülen von etwa 2,3 ppm/Jahr ist jedoch etwa 300-mal höher als die Steigerungsrate von Methan-Molekülen, die seit 2008 bei etwa 0,0076 ppm/Jahr liegt. Der Beitrag von Methan zur jährlichen Zunahme des Antriebs beträgt also ein Zehntel (30/300) des Beitrags von Kohlendioxid. Der Netto-Antriebsanstieg von Methan und CO2-Anstieg beträgt etwa 0,05 W/m2 pro Jahr. Wenn andere Dinge gleich sind, führt dies zu einem Temperaturanstieg von etwa 0,012 ° C pro Jahr. Vorschläge, die Methan-Emissionen aufgrund von Erwärmungsängsten stark einzuschränken, sind nicht durch die vorliegenden Fakten gerechtfertigt.“

 

[1] https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Artikel/Energie/gas-erdgasversorgung-in-deutschland.html

[2] http://co2coalition.org/wp-content/uploads/2020/10/2020-10-Schernikau-Renewables-CementReview-email-1-1.pdf

[3] https://www.iea.org/commentaries/putting-gas-flaring-in-the-spotlight?utm_source=sendinblue&utm_campaign=2021-01-31_CO2__Coal_is_better_than_Gas__German_Green_Think_Tank_confirms&utm_medium=email

[4] Quirin Schiermeier, „Global methane levels soar to record high”, Nature 14. July 2020

[5] https://energywatchgroup.org/erdgas-leistet-keinen-beitrag-zum-klimaschutz

[6] https://www.wallstreet-online.de/nachricht/13019432-umweltministerium-fluessigerdgas-klimaschaedlich-kohle/all

[7] W.A. van Wijngaarden, W. Happer, „Methane and Climate“, 22.11.2019 http://co2coalition.org/wp-content/uploads/2019/11/Methane-and-Climate_Happer_vanWijngaarden11-25-19.pdf?utm_source=sendinblue&utm_campaign=2021-01-31_CO2__Coal_is_better_than_Gas__German_Green_Think_Tank_confirms&utm_medium=email