Energiepolitik, bitte ohne Scheuklappen, mal mit Sachkenntnis

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Der nachfolgende Artikel, ein Leserbrief von Gastautor Dr. rer. sec., Ing. Dietmar Ufer, nimmt Bezug auf einen Beitrag der Leipziger Volkszeitung LVZ vom 01.11.2021 zur Energiepolitik:

Eines der schwerwiegendsten Probleme der künftigen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung ist die Gestaltung der Energieversorgung. Dabei geht es nicht allein um die Kosten, bei denen wir uns auf bisher nicht gekannte Werte einstellen müssen, sondern auch um die zuverlässige Stromversorgung in jeder Sekunde.

In den vergangenen Debatten zur Bundestagswahl fiel zwar durchaus ab und zu das Wort „Versorgungssicherheit“. Zuhörer konnten sicher sein, dass keiner der Spitzenpolitiker, die sich ums Kanzleramt rauften, wusste, wie beim angestrebten „Klimaschutz“ eine zuverlässige Stromversorgung ohne Kohle-, Gas- und Kernkraftwerke vor sich gehen kann. Immer wieder wurde der weitere Ausbau von Wind- und Solaranlagen und der Bau neuer Fernleitungen gefordert. Keiner der Beteiligten hatte offenbar eine Ahnung davon, dass der Wind nicht regelmäßig weht, zweitweise sogar völlig ausfällt und die Sonne bei Bewölkung nur eingeschränkt die Photovoltaik-Zellen erreicht, nachts gar nicht. Fachlich nur wenig bewanderte Bürger wurden mit solchen Debatten regelrecht belogen.

Nun ist diese Politikphase überwunden und man könnte hoffen, dass die drei potentiellen Regierungsparteien nunmehr zu einer sachlichen Arbeit vordringen, auch auf dem Gebiet der Energiepolitik. Nach wie vor steht – selbstverständlich! – der „Kampf gegen den Klimawandel“ im Vordergrund, ohne den Wählern ehrlich zu sagen, dass Deutschland überhaupt nicht in der Lage ist, das Klima auf der Erdkugel auch nur um ein Zehntel Grad zu ändern – auch dann nicht, wenn man die gesamte Industrie stilllegt und alle Menschen zur Emigration zwingt! Aber die künftige Bundesregierung möchte ja die Industrie Deutschlands erhalten, und zwar sowohl „klimaneutral“ als auch wettbewerbsfähig! Wie das mit einer völlig unzuverlässigen Elektroenergieversorgung vor sich gehen soll, bleibt das Geheimnis der führenden Politiker. Besonders aufschlussreich eine Debatte bei Anne Will am 24.10.2021. Robert Habeck erklärte, dass 2040 „die Strom- und Energieproduktion“ klimaneutral sein muss. Die logische Konsequenz sei, dass „dann die erneuerbaren Energien die Versorgungssicherheit gewährleisten, nicht mehr Kohle-, Gas- oder Atomkraftwerke“. Natürlich will das auch die bisherige Umweltministerin Schulze, die im LVZ-Interview vom 30.10.21 posaunte: „Wir werden klimaneutral mit erneuerbaren Energien“. Es bleibt zu hoffen, dass den künftigen Ministern recht bald einfallen wird, wie dann die Versorgungssicherheit gewährleistet wird.

Letztlich bleiben nur zwei Wege: Stromimport aus Kohle- und Kernkraftwerken benachbarter Länder, mit denen man aber bald rechtsverbindliche Vereinbarungen, auch über weitere Leitungen, abschließen muss. Die zweite Möglichkeit ist der Bau von Energiespeichern, die dann einspringen, wenn Wind und Sonne für ein, zwei Wochen energetisch nicht wirken. Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass im Falle von „Dunkelflauten“ neunzig Prozent dieser Leistung ausfällt. Das bedeutet, dass fast die gesamte Wind- und Photovoltaik-Leistung in Gestalt von Speicherkapazitäten errichtet werden muss: Zusätzlich zu 1000 MW „Flatterstrom“-Leistung müssen mindestens 900 MW Speicherleistung errichtet werden. Überschlagsrechnungen zeigen, dass man mindestens zweitausend (!) große Pumpspeicherkraftwerke (die wirtschaftlichste Art der gegenwärtig bekannten Speicher) bauen müsste. Gedacht ist dabei an Anlagen wie das PSW Goldisthal (Thüringen), das größte in Deutschland. Die Kosten würden im Billionenbereich liegen.

Interessanterweise vollzieht sich das Wortgeplänkel um zuverlässige Energieversorgung nicht nur auf der Bundesebene, sondern auch zum Beispiel in Sachsen. Der grüne Energie- und Umweltminister Günther will – wie auch die Regierungswilligen in Berlin – den Ausstieg aus der Braunkohle bis 2030 (LVZ 22.10.2021 u. a.). Und die will er ersetzen durch eine Vielzahl von Windmühlen, mit denen er zwei Prozent der Kulturlandschaft Sachsens verschandeln will. An der Fähigkeit Günthers, sein Amt als Staatsminister auszuführen, müssen erhebliche Zweifel angemeldet werden: Als Umweltminister sollte er – eigentlich! – für den Umweltschutz sorgen, wozu auch der Landschaftsschutz gehört. Als Energieminister sollte er – eigentlich! – wissen, dass Windenergieanlagen nicht in der Lage sind, eine ebenso zuverlässige Stromversorgung zu gewährleisten wie unsere modernen Braunkohlenkraftwerke. Glücklicherweise lehnt Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer den vorzeitigen Ausstieg aus der Braunkohle vehement ab, besteht bei der künftigen Bundesregierung auf Vertragstreue und fordert für Deutschland eine tragfähige Energieversorgung.

Anstelle weiterer Spekulationen beim „Kampf gegen den Klimawandel“, der inzwischen – wenigstens in deutschen Medien – zu einem „Klimakrieg“ ausgewachsen ist, sollte die neue Bundesregierung schnellstmöglich ein Energiekonzept auf den Tisch legen, aus dem nicht nur hervorgeht, wie groß der künftige Energiebedarf sein wird, sondern auch wie er gedeckt werden soll, und zwar zu jedem Zeitpunkt! Interessant wird dann auch sein zu erfahren, wie die „Energiewende“ Land und Leute finanziell belasten wird und was speziell solche Wirtschaftszweige wie Chemie, Metallurgie oder die Autoindustrie dazu sagen werden. Eine künftige Bundesregierung muss sich und uns die Frage beantworten, ob der Erhalt der Wirtschaftskraft und damit des Lebensstandards Deutschlands oder der „Kampf gegen den Klimawandel“ in Gestalt der unsinnigen „Dekarbonisierung“ wichtiger sind. Beides zugleich dürfte eine Utopie sein!