Materialrohstoffe: Raubbau im Namen der Umwelt

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Dieser Titel erfolgte in Anlehnung eines Spiegelartikels [2].

In ihrem Bericht „The Role of Critical Minerals in Clean Energy Transitions“ [1] beschreibt die Internationalen Energieagentur (IEA) eine Diskrepanz zwischen den klimatischen Ambitionen der Welt und der Verfügbarkeit kritischer Mineralien für den Aufbau einer Energieversorgung auf Basis erneuerbarer Energien. Dieser Bericht war bereits Gegenstand einer früheren Meldung von uns.

Seit Erscheinung des IEA-Berichtes hat sich die globale politische Situation grundlegend geändert. Mit dem Ukraine-Krieg sind die ausländischen Abhängigkeiten bei fossilen Energieträgerimporten und bei Materialrohstoffen für die erneuerbaren Energien gravierend sichtbar geworden. Der Welthandel ist pandemiebedingt derzeit in einem extrem schwierigen Fahrwasser. Die Handelsgüter aus Asien unterliegen fast ausnahmslos enormen Lieferschwierigkeiten. Vorhersagen, wie lange dieser Zustand anhält, sind nicht möglich.

Hinzukommen die spezifischen politischen Situationen in den potentiellen Lieferländern, die diese Situation ihren Interessen verstärkt unterwerfen.

Ziel der deutschen Energiewende war und ist, zum Schutz des Klimas die Stromerzeugung mittelfristig auf Wind- und Solarenergie umzustellen und auf fossile Energieträger und Kernenergie komplett zu verzichten.

Auf der Webseite des Umweltbundesamtes heißt es dazu: „Deutschland befindet sich in einer notwendigen Transformation zu einer ressourcenschonenden und auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Kreislaufwirtschaft.“

Der gesamte Prozess unter Einschluss der Wertschöpfungskette ist nicht durchdacht, noch weniger zu Ende gedacht. Der Fehler begann bereits mit einer fehlenden Option eines geeigneten Energiespeichers für das Ausbleiben von Wind und Sonne. Ohne geeignete Energiespeicher gibt es keine gesicherte Stromversorgung.

Die bei Verzicht auf Kohle, Öl und Gas notwendige Umstellung der Wirtschaft auf elektrische Ausstattungen sowie den Ersatz des Verbrennungsmotors durch Batterie betriebene Autos treibt den Strombedarf in die Höhe. In völliger Fehleinschätzung ging die Bundesregierung zunächst von Stromeinsparungen aus bzw. gleichbleibendem Strombedarf.

Nunmehr wird der massive Ausbau der wetterabhängigen Windenergie- und Solaranlagen gefordert, verkennt dabei aber erneut die Neben-, Gegen- und Wechselwirkungen des Wirtschaftsgeflechts, deren Abhängigkeiten untereinander und deren Abhängigkeiten von Materialrohstoffen.

Solar-Photovoltaik (PV)-Anlagen, Windparks und Elektrofahrzeuge (EVs) benötigen im Allgemeinen mehr Mineralien als ihre auf fossilen Brennstoffen basierenden Gegenstücke. Ein typisches Elektroauto benötigt das Sechsfache des Mineralinputs eines herkömmlichen Autos und eine Onshore-Windanlage benötigt neunmal mehr Mineralressourcen als eine gasbefeuerte Anlage. Seit 2010 ist die durchschnittliche Menge an Mineralien, die für eine neue Einheit der Stromerzeugungskapazität benötigt werden, um 50% gestiegen, da der Anteil erneuerbarer Energien an neuen Investitionen gestiegen ist.

Die Arten der verwendeten Bodenschätze variieren je nach Technologie. Lithium, Nickel, Kobalt, Mangan und Graphit sind entscheidend für die Batterieleistung, Langlebigkeit und Energiedichte. Seltene Erden sind essentiell für Permanentmagnete, die für Windkraftanlagen und EV-Motoren von entscheidender Bedeutung sind. Stromnetze benötigen eine große Menge an Kupfer und Aluminium, wobei Kupfer ein Eckpfeiler für alle strombezogenen Technologien ist.

Quelle: Internationale Energieagentur [1]

Die Umstellung auf ein sauberes Energiesystem wird zu einem enormen Anstieg des Bedarfs an diesen Mineralien führen (siehe Abbildungen), was bedeutet, dass sich der Energiesektor zu einer wichtigen Kraft auf den Mineralmärkten entwickelt. Bis Mitte der 2010er Jahre machte der Energiesektor für die meisten Mineralien einen kleinen Teil der Gesamtnachfrage aus. Da die Energiewende jedoch an Fahrt gewinnt, werden saubere Energietechnologien zum am schnellsten wachsenden Nachfragesegment. In einem IEA-Szenario, das die Ziele des Pariser Abkommens erreicht (wie im IEA Sustainable Development Scenario [SDS]), steigt ihr Anteil an der Gesamtnachfrage in den nächsten zwei Jahrzehnten deutlich auf über 40% für Kupfer und Seltene Erden, 60-70% für Nickel und Kobalt und fast 90% für Lithium. Elektrofahrzeuge und Batteriespeicher haben bereits die Unterhaltungselektronik zum größten Verbraucher von Lithium verdrängt und sollen bis 2040 Edelstahl als größten Endverbraucher von Nickel ablösen.

Quelle: Internationale Energieagentur [1]

Da die Länder ihre Anstrengungen zur Verringerung der Emissionen beschleunigen, müssen sie nach Ansicht der IEA auch sicherstellen, dass die Energiesysteme widerstandsfähig und sicher bleiben. Die heutigen internationalen Energiesicherheitsmechanismen sollen eine Versicherung gegen die Risiken von Störungen oder Preisspitzen bei der Versorgung mit Kohlenwasserstoffen, insbesondere bei Öl, bieten.

„Mineralien bieten eine andere und unterschiedliche Reihe von Herausforderungen, aber ihre zunehmende Bedeutung in einem dekarbonisierenden Energiesystem erfordert, dass die Energiepolitiker ihren Horizont erweitern und potenzielle neue Schwachstellen in Betracht ziehen. Die Besorgnis über Preisschwankungen und Versorgungssicherheit verschwindet in einem elektrifizierten, an erneuerbaren Energien reichen Energiesystem nicht,“ redet die IEA den Energiepolitikern ins Gewissen, beschränkt sich in ihrer Betrachtung nur auf den Bedarf.

Der eindrucksvoll von der IEA beschriebene Bedarf [1] sollte allerdings bereits alle Alarmglocken ertönen lassen, denn mit dem Ziel der Ressourcenschonung (siehe Umweltbundesamt) steht der Bedarf im krassen Widerspruch. Damit nicht genug:

Die zur Bedarfsdeckung erforderliche Gewinnung der Mineralien erfordert einen massiven Eingriff in obere Erdschichten, den der Spiegel als „Raubbau im Namen der Umwelt“ [2] bezeichnet. Die Energiewende sei eine paradoxe Logik: „Windräder, Elektroautos und Solarmodule sollen den Planeten retten, doch für die Produktion wird er erst einmal geplündert. Sie alle enthalten kostbare Rohstoffe, für deren Gewinnung vor allem arme Länder ihre Natur zerstören. Heiligt die Klimawende jedes Mittel – oder gibt es Alternativen?“

Der IEA-Chef Birol sprach von einer „drohenden Diskrepanz zwischen Ambitionen und Angebot“, zwischen dem Ehrgeiz, das Klima zu schützen, und der Schwierigkeit, genügend bezahlbares Kupfer, Nickel oder Lithium zu bekommen. Die Metallmärkte seien in eine Schieflage geraten.

Als Birol dies sagte, herrschte noch Frieden in Europa. Inzwischen ist keineswegs sicher, ob die potentiellen Lieferländer auch weiterhin liefern werden, die weltweit erforderlichen Transporte sind stark behindert und die Rohstoffpreise stark gestiegen. Mit der Gewinnung der Mineralien allein ist es nicht getan. Werden hohe Reinheitsgrade der Mineralien verlangt, gibt es dafür nur wenig geeignete Aufbereitungsanlagen, meistens in China [3], um nur ein Beispiel der vernetzten und voneinander abhängigen Wertschöpfungsketten zu erwähnen.

Mehr denn je müssen Ziele, Machbarkeit und Nutzen der Energiewende einer intensiven, objektiven und ergebnisoffenen Prüfung unterzogen werden.

 

[1] https://www.iea.org/reports/the-role-of-critical-minerals-in-clean-energy-transitions

[2] Der Spiegel Nr. 44, 30.10.2021, „Wie stoppen wir das?“ Der Planet kollabiert.

[3] Helmut Becker, „Grüne Batterien sind Illusion“, Tichys Einblick 05/22