Energiekosten: Preisdeckel und Preisbremsen

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Veröffentlichung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages über die Energiekostenmaßnahmen*):

Im Verhältnis zum Sommer 2021 sind die Großhandelspreise für Strom und Gas im Herbst dieses Jahres um ein Vielfaches angestiegen (zweitweise auf das 4,5Fache). Dies belastet die privateHaushalte und die Wirtschaft. Aktuell ist daher im Gespräch, Energiepreise staatlich zu begrenzen (Preisdeckel) oder Energiekosten der Verbraucher durch verbrauchsorientierte Ausgleichszahlungen teilweise auszugleichen („Preisbremse“). Beide Begriffe werden teilweise synonym verwendet. Aus ökonomischer Sicht sind Preisdeckel und verbrauchsorientierte Ausgleichszahlungen  indes unterschiedliche Mechanismen. Preisdeckel zielen darauf ab, die Marktpreise direkt zu beeinflussen. Ausgleichszahlungen versuchen hingegen, die erhöhten Kosten der Verbraucher (zum Teil) auszugleichen. Im Folgenden werden sie als Energiekostenmaßnahme (EMzusammengefasst.

Derzeit werden in Deutschland und Europa hauptsächlich sechs EM diskutiert:

Um die Energiekosten für Endverbraucher zu senken, wird ein fixer Preis für eine Referenzmenge an Strom (EM 1) oder Gas (EM 2) definiert, z. B. der Jahresverbrauch eines Durchschnittshaushalts. Für einen Verbrauch über dieser Referenzmenge muss der Verbraucher den vollen Marktpreis zahlen. So sollen Haushalte und Unternehmen finanziell entlastet werden, aber dennoch den Anreiz haben, ihren Verbrauch zu senken. Eine Variante ist der Vorschlag der von der
Bundesregierung eingesetzten Gaskommission, Haushalten und kleineUnternehmen einen auf Basis eines Referenzverbrauchs berechneten Ausgleich zu zahlen, ohne direkt auf die Börsenpreise einzuwirken. Ein vergleichbarer Mechanismus wird in Ansätzen für Heizöl und Pellets diskutiert.

Strompreisdeckel im Großhandel (EM 3) sollen den Einkaufspreis für (kleinere) Stromversorger geringhalten. In Frankreich beispielsweise kaufen staatlich organisierte Einkäufer Strom an den Börsen zu regulären Markpreisen. Im Anschluss verkaufen sie diesen zu einem sehr viel geringeren, gedeckelten Preis an die kleineren Versorger weiter. Die dadurch entstehende Differenz begleicht der Staatshaushalt.

Aktuell sind vor allem die Gaskraftwerke Treiber des Strompreises an den Strombörsen (Preisbildungsmechanismus „Merit Order“). Daher setzt ein Preisdeckel für die Gasverstromung (EM 4am Rohstoffmarkt für die Betreiber von Gaskraftwerken einen Maximalpreis fest. Durch die Preisdeckelung vermindert sich der Preis für den durch Gas erzeugten Strom. In Folge sinkt auch der allgemeine Strompreis (Beispiel: Portugal und Spanien).

Mehrere EULänder favorisieren die Idee, durch Preisabsprachen die hohen Weltmarktpreise für Gas zu verringern. Im Gespräch sind dabei u. a. Preisdeckel für gemeinsame Einkäufe (EM 5Dies soll dann auch die Preise an Großhandelsplätzen innerhalb der EU verringern.

Eine weitere Version eines Preisdeckels (EM 6) ist die Begrenzung des Gaspreises für Handelsspitzen am größten Gashandelsplatz in der EU (die niederländische Title Transfer Facility). Der Preisdeckel soll die Volatilität und die Episoden überhöhter Gaspreise verringern.

Die nicht vorhersehbare Differenz zwischen festgesetztem Preis und Marktpreis erschwert es, die Kosten einer Maßnahme abzuschätzen. Im Gegensatz zu Ausgleichszahlungen greifenPreisdeckel in komplexe Energiemärkte und Mechanismen der Preisbildung ein und können ungewollte Preissteigerungen an den Handelsplätzen erzeugen. Kritiker warnen davor, dass Preisdeckel die Knappheit verbergen und so den Anreiz nehmen, Strom und Gas einzusparen. Befürwortern zufolge ließe sich dies durch die Ausgestaltung des Preisdeckels verhindern. Verbrauchsorientierte Ausgleichszahlungen sind demgegenüber planbarer und bieten dennoch Anreize zum Einsparen von Verbrauch. Sie wirken jedoch indirekt, teilweise verzögert und sind komplexer zu regeln. In beiden Fällen stellt sich die Frage, wie zielgenau diejenigen erreicht werden, die am meisten unter den hohen Energiepreisen leiden und wie sich die Maßnahmen mit möglichst wenig Aufwand umsetzen lassen.

Quellen:
Wissenschaftliche Dienste (2022), Energiepreisdeckel und die Koppelung von Strom und Gaspreisen, WD 5
119/22.

Sgaravatti, Tagliapietra, Zachmann (Okt. 2022), National policies to shield consumers from rising energy prices,
Bruegel Datasets, Erstveröffentlichung 4. November 2021

*)https://www.bundestag.de/resource/blob/921682/d54828ae9eb8c45c472d5170fac5d191/Energiepreisdeckel-data.pdf