Grüne Energiepolitik der Widersprüche

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Der Drang nach sauberer Energie könnte verrückterweise zu einer höheren Nachfrage nach russischem Gas führen, prognostiziert Ralph Schöllhammer*) [1].

In der gesamten deutschen Geschichte war die Realität ein Ärgernis, mit dem man sich auseinandersetzen und keine Tatsache, der man sich stellen musste. Wie der Philosoph Hegel einmal witzelte: “Wenn Fakten meiner Theorie widersprechen, desto schlimmer für die Fakten”.

Diese Tradition setzt sich bis heute fort. Zum Zeitpunkt des Schreibens [1] dieser Zeilen protestieren Mitglieder der Grünen gegen den Ausbau des Kohleabbaues rund um das Dorf Lützerath und fordern ein Ende der Nutzung von Kohle zur Energiegewinnung. Dem Ausbau des Bergbaus stimmte jedoch der deutsche Bundesminister für Wirtschaft und Klima Robert Habeck zu – der ja selbst Mitglied der Grünen ist. Konfrontiert mit diesem Widerspruch und dem Argument, der Ausbau der Kohle sei notwendig, um den Niedergang der Kernenergie zu kompensieren, stellte ein grüner Bundestagsabgeordneter klar, dass die Parteibasis weder Kohle noch Atomkraft wolle.

Leider wurde in der Klarstellung nicht gesagt, woher die zukünftige Energie kommen soll, also lassen Sie uns in das Thema eintauchen: Im Jahr 2021 trug Steinkohle (sowohl Stein- als auch Braunkohle) 28,3 % zur Stromerzeugung in Deutschland bei, während die Kernenergie 11,8% beisteuerte. Das bedeutet, dass in den nächsten 10 bis 15 Jahren 40,1% der Stromproduktion ersetzt werden müssen, nur um die Versorgung stabil zu halten (einige grüne Politiker drängen auf einen noch kürzeren Zeitraum bis 2030). Erneuerbare Energien tragen 40,5% zur Stromerzeugung bei, was bedeutet, dass sich ihre tatsächliche Leistung (nicht die installierte Kapazität, die aufgrund niedrigerer Kapazitätsfaktoren für Wind und Sonne im Vergleich zu Kohle und Kernkraft noch schneller wachsen muss) verdoppeln muss.

Bruttostromerzeugung 2021 nach Energieträgern in Deutschland, Grafik: BDEW

Doch das ist nur die halbe Wahrheit: Deutschland will schnell auf Elektrofahrzeuge umsteigen und Heizung über fossile Brennstoffe durch Wärmepumpen ersetzen – Vorschläge, die den Strombedarf massiv erhöhen werden, wobei Schöllhammer die Umstellung der Industrie von Fossil- auf Elektroenergie nicht erwähnt. Laut Bundesverband Energie- und Hydroökonomie wird Deutschland bis 2030 mindestens 700 TWh Strom benötigen, was einer Steigerung von 20% gegenüber 2021 entspricht.

Somit ist Deutschland mit der Aussicht konfrontiert, das Stromangebot um fast 40% zu reduzieren, während die Nachfrage voraussichtlich um 20% steigen wird. Wie will die Bundesregierung dieses Problem lösen? Jüngsten Berichten zufolge durch die Verdoppelung der Gaskapazität (von derzeit 15% auf 30%), was natürlich die Frage aufwirft, woher dieses Gas kommen wird. Angeblich wird LNG die Antwort sein, aber es ist fraglich, ob Katar, die USA und andere LNG-Exporteure angesichts des ehrgeizigen Zeitplans der Bundesregierung in der Lage sein werden, diese steigende Nachfrage zu befriedigen. Wie Analysten wie Tracy Shuchart von Hightower Resource Advisory hervorgehoben haben, können die USA bei der derzeitigen Exportkapazität nicht einmal die LNG-Exportverträge erfüllen, die Europa bereits unterzeichnet hat.

Es gibt jedoch eine Alternative, von der derzeit niemand zu sprechen wagt. Diese Alternative heißt Russland. Wie lange würde es dauern, bis Berlin die russischen Gasimporte wiederaufnimmt, wenn ein russisch-ukrainischer Waffenstillstand vereinbart würde?

„Die Energiefrage erklärt zumindest teilweise Deutschlands glanzlose Unterstützung für die Ukraine. Aber die wahre Ironie ist, dass die Partei, die den Kampf der Ukraine gegen die russische Aggression am meisten unterstützt, dafür verantwortlich sein könnte, Deutschland wieder in die russische Umarmung zu zwingen. In gewisser Weise haben die Grünen und ihre Politik der Widersprüche sie zur deutschen Partei schlechthin gemacht: Hegel wäre stolz“, urteilt Schöllhammer [1].

 

*) Ralph Schöllhammer ist Assistenzprofessor für Politikwissenschaften und Volkswirtschaftslehre an der Webster Universität in Wien und war Journalist, Risikomanager und in der Finanzmarktaufsicht

[1] https://unherd.com/thepost/the-german-greens-are-playing-into-russias-hands/?mc_cid=7cc89f3000