Der Vorsitzende der Dänischen Volkspartei, Morten Messerschmidt, bringt eine kontroverse Idee ins Spiel: Dänemark könnte das abgeschaltete Kernkraftwerk Brokdorf in Schleswig-Holstein erwerben und erneut betreiben [1].
Mit dem 2011 beschlossenen beschleunigten Ausstieg Deutschlands aus der Kernenergie, musste das Kraftwerk Brokdorf am 31. Dezember 2021 seinen Leistungsbetrieb einstellen. Die Laufzeiten der Kernkraftwerke wurde auf eine regelmäßige Gesamtlaufzeit von ca. 32 Jahren begrenzt.
Laut Medienmitteilung der PreussenElektra vom 23. Oktober 2024 soll erst im Laufe dieses Jahres der Abtransport aller Brennelemente und Sonderbrennstäbe in das Zwischenlager am Standort erfolgen. Der Antrag auf Abbaugenehmigung wurde zwar am 30 August 2024 eingereicht, befindet sich aber noch in der Prüfung. (Anm.: Solange keine Abbaugenehmigung erteilt ist, befindet sich das Kernkraftwerk weiterhin im rechtlichen Zustand der Betriebsgenehmigung.)
Messerschmidt sieht in der Reaktivierung des deutschen Kraftwerks eine pragmatische Lösung, um Zeit zu gewinnen. Der Aufbau neuer Kernkraftwerke (!) in Dänemark gestalte sich langwierig. Brokdorf könnte diese Lücke füllen, bis moderne Nukleartechnologien verfügbar sind. In einem Interview mit der „Jyllands-Posten“ [1] erklärte er, dass Dänemark bereit sei, einen hohen Preis zu zahlen. „Wenn der Scheck groß genug ist und wir die Energie nur vorübergehend benötigen, warum sollten die Deutschen ablehnen?“, argumentierte er. Sein Plan sieht vor, die Verhandlungen mit der nächsten deutschen Bundesregierung aufzunehmen. Dabei möchte er finanzielle Anreize schaffen, um den Kauf für Deutschland attraktiv zu machen.
Dänische Energiepolitik
Der dänische Energieminister Lars Aagaard betrachtet diesen Ansatz skeptisch. Er stellte die Frage, welche Kosten und Aufwände tatsächlich notwendig wären, um das Kernkraftwerk Brokdorf wieder in Betrieb zu nehmen. Gleichzeitig verwies er auf den schleppenden Ausbau der Offshore-Windkraft in Dänemark. Dennoch sei die Rückkehr zur Kernenergie für ihn keine sinnvolle Alternative. Für ihn bleibt die Wiederinbetriebnahme eines stillgelegten Kernkraftwerks eine Entscheidung mit hohen Risiken und begrenzten Vorteilen. Aagaard betonte, dass der Fokus weiterhin auf erneuerbaren Energien liegen müsse.
Die Diskussion um das Kernkraftwerk wirft ein Schlaglicht auf die dänische Energiepolitik. Während der Ausbau von Wind- und Solarenergie langsamer voranschreitet als geplant, wächst der Druck, alternative Lösungen zu finden. Messerschmidt setzt dabei auf Kernenergie als Übergangstechnologie. Seine Idee polarisiert jedoch sowohl in Dänemark als auch im internationalen Kontext.
Der Kauf und die Reaktivierung des KKW Brokdorf könnte zu einem Symbol für die Spannungen zwischen pragmatischen und ideologischen Ansätzen in der Energiepolitik werden. Ob Dänemark tatsächlich diesen ungewöhnlichen Schritt wagt, bleibt ungewiss. Klar ist jedoch, dass die Debatte über die künftige Energieversorgung Europas an Dynamik gewinnt.
Zwar hatte sich Dänemark 1985 mit einem Parlamentsbeschluss gegen die Nutzung der Kernenergie ausgesprochen, gleichwohl aber stets große Forschungsanstrengungen in der Nukleartechnik beibehalten. Im Januar 2024 gründete die Dänische Technische Universität (DTU) ein neues interdisziplinäres Zentrum, das die Forschung im Bereich der Nukleartechnologien konsolidieren und stärken soll.
„Die technologischen Durchbrüche, die sich in diesen Jahren in der Kernenergie vollziehen, sind für die Forschung von großem Interesse. Es könnte sich herausstellen, dass neue Reaktortechnologien einen wichtigen Beitrag zur weltweiten Energieversorgung leisten können, und das muss unsere Forschung klären helfen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir als technische Universität bereit sind, neue technologische Möglichkeiten zu ergreifen, wenn sie sich ergeben“, erklärte Bent Lauritzen, leitender Leiter der DTU-Physik [2].
Herausforderungen
Die Idee, ein stillgelegtes Kernkraftwerk zu kaufen und erneut zu betreiben, bringt zahlreiche Herausforderungen mit sich. Deutschland hat sich seit 2011 mit dem Kernenergieausstieg klar positioniert, sodass ein Verkauf an Dänemark ein politisches Novum darstellen würde. Allerdings haben sich die Unionsparteien in ihrem Regierungsprogramm für eine erneute Kernenergienutzung ausgesprochen bis hin zur Wiederinbetriebnahme der zuletzt abgeschalteten drei Kernkraftwerke. Aber auch dazu bedarf es einer Änderung des Atomgesetzes, das in seiner jetzigen Fassung die kommerzielle Nutzung der Kernenergie zur Stromerzeugung verbietet. Dazu machen sicherheitstechnische Modernisierungen und strenge Sicherheitsstandards das Vorhaben komplex. Last but not least bestehen auf deutscher Seite weiterhin politische Widerstände. Eine Unterstützung des dänischen Vorschlags durch die EU wäre denkbar, denn auch sie hat sich im Rahmen der Taxonomie für die Kernenergienutzung ausgesprochen.
[2] https://www.nuklearforum.ch/de/news/daenische-universitaet-gruendet-neues-kernforschungszentrum/