Dramatische Entwicklung der Stromerzeugung

Sonnige Feiertage bedeuten für die Netzbetreiber eine Netzsteuerung am Limit: Der erzeugte Fotovoltaik-Strom übersteigt den momentanen Strombedarf, im Fachjargon „Hellbrise“ genannt. Der Solarstrom der meisten privaten Solarzellenbetreiber lässt sich nicht abschalten. Er droht, das Netz zu destabilisieren, wenn er nicht rechtzeitig abgeleitet werden kann. Diese Situation wird durch zeitgleichen kräftigen Windstrom noch verstärkt.

Für Netzbetreiber ist das Überangebot eine genauso große Herausforderung wie eine Dunkelflaute (keine Sonne, kein Wind). Zur Aufrechterhaltung der Netzstabilität müssen Verbrauch und Angebot in jeder Sekunde ausbalanciert werden. Das ist bei der vorhandenen Volatilität von Wind und Sonne ein schwieriges Unterfangen, zumal die Ableitung des Überschussstroms in Nachbarländer von diesen immer weniger gewünscht wird.

Unter den letzten beiden Bundesregierungen wurden die Windenergie- und Solaranlagen kräftig ausgebaut. Die „Ampelregierung“ hat sich zum Ziel gesetzt, den Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch bis 2030 auf 80 Prozent zu erhöhen. Für die Windenergie an Land ist ein Ausbauziel von 115 Gigawatt bis 2030 vorgesehen. Für die Windenergie auf See sind 30 Gigawatt bis 2030 und 70 Gigawatt bis 2045 geplant. Bis 2030 soll an Fotovoltaik eine Leistung von mindestens 215 Gigawatt am Netz sein (aktuell: über 100 Gigawatt).

Das folgende Diagramm von Rolf Schuster [1] macht die bereits erreichte dramatische Situation im Vergleich der Stromerzeugungen im Juni 2015 und Juni 2025 deutlich.

Zur Grafik: Hellbraun ist der Leistungsbedarf in GW an Fossilkraftwerken (im Juni 2015 auch an Kernkraftwerken), die so genannte Residuallast, zum Ausgleich mangelnder Wind- und Solarstrom-Erzeugung. Die schwarze Kurve gibt den Börsenwert des Stroms in €/MWh an.

Im Juni 2015 betrug die installierte Leistung aller Windenergie- und Solaranlage rund 87 Gigawatt. Die Einschnitte im Kurvenverlauf resultieren aus den Schwankungen des täglichen Strombedarfs und aus den Schwankungen der Wind- und Solarstrom-Erzeugung. Letztere Schwankungen konnten durch Kraftwerke im Juni 2015 noch recht problemlos ausgeglichen werde. Im ganzen Jahr 2015 lag die Wind- und Solarstrom-Erzeugung an insgesamt 82 Stunden über dem Strombedarf, den so genannten Negativstunden im Sinne des Strom-Marktwertes.

10 Jahre später, im Juni 2025 betrug die installierte Leistung aller Windenergie- und Solaranlagen rund 181 Gigawatt. Bereits dieser Ausbau führte zu extremen nicht planbaren Schwankungen des Residuallastbedarfs. In der Zeit vom 1. bis 24. Juni 2025 traten 136 Negativstunden auf. Vom 1. Januar bis 24. Juni waren es 407 Negativstunden. Das hierdurch entstandene Problem der Netzregelung wurde im Artikel „Blackout: Diese Probleme der Energiewende darf Deutschland nicht ignorieren“ ausführlich erläutert.

Die zunehmende Zahl an Stunden mit negativer Residuallast lässt befürchten, dass die Versorgungssicherheit bei zusätzlichen Störungen – intern wie extern – ernsthaft gefährdet ist. Braunouts (kontrollierte Verringerung der Spannung im Stromnetz) oder gar Blackouts (kompletter Stromausfall) erscheinen nicht mehr ausgeschlossen. Und dabei ist der geplante Windenergie- und Solaranlagen-Ausbau noch längst nicht erreicht.

 Kosten

Mit einer halben Milliarde Euro hat der Staat im vergangenen Jahr die Erzeuger von Ökostrom entschädigt – weil sie an sonnen- und windreichen Tagen so oft ihre Anlagen drosseln oder gleich ganz abschalten mussten. Diese hätten sonst das Stromnetz überlastet. Das ist ärgerlich, weil die Ökoenergie ungenutzt bleibt und das den Staat zudem viel Geld kostet. Eine absurde Lage, die zeigt, wie sehr die Energiewende in die Schieflage geraten ist und wie wenig sie technisch und wirtschaftlich durchdacht war.

Speicherung

Zur Ausbalancierung von Strommangel und Stromüberschuss wird die Stromspeicherung ins Gespräch gebracht. Eine Null-Lösung: Weder werden in Deutschland jemals Pump-Speicherkraftwerke mit ausreichender Kapazität zur Verfügung stehen, noch sind andere realistische und vor allem wirtschaftlich Techniken in Sicht. Zwar sind große Batteriespeicher im Gespräch und teilweise realisiert, aber ihre Kapazität reicht bei weitem nicht aus, eine großflächige, mehrere Tage andauernde Dunkelflaute zu überbrücken. So könnte zum Beispiel ein riesiger Batteriespeicher mit 3000 MWh Kapazität, wie er in Kalifornien gebaut wurde aber am 16. Januar 2025 in Flammen aufging, Deutschland für nur drei bis vier Minuten mit Strom versorgen. Batteriespeicher werden an den riesigen Kosten und wahrscheinlich auch am Materialbedarf scheitern.

Gaskraftwerke

Nach dem geplanten Kohleausstieg steht (außer Kernenergie) nur noch der Einsatz von Gaskraftwerken für den Residuallast-Bedarf (siehe Grafik) zur Verfügung. Wirtschaftsministerin Katharina Reiche hat kürzlich angekündigt, 20 Gigawatt neuer Gaskraftwerke bauen zu lassen. Beachtenswert: Gaskraftwerke wurden aus Kostengründen nur als „Drittlösung“ nach Kernenergie und Kohle zur Stromerzeugung herangezogen. Nach dem Merit-Order-Prinzip ist der in Gaskraftwerken erzeugte Strom am teuersten.

Noch steht der geplante Einsatz von „grünem“ Wasserstoff für den Betrieb der Gaskraftwerke im Raum. Bei den dafür benötigten Mengen wäre Deutschland auf Importe angewiesen. Zur Wasserstoff-Strategie der Bundesregierung hatten wir uns unter anderem hier und hier kritisch geäußert. In einer Studie [2], an der unter anderem die TU München beteiligt war, kommen die Autoren zu dem Schluss, dass Importe von grünem Wasserstoff aus Afrika viel teurer werden als gedacht.  Überdies würde Deutschland erneut in eine hohe Abhängigkeit gegenüber internationalen wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen begeben.

Vielleicht besinnt sich die neue Bundesregierung eines nicht so fernen Tages an das große Potential des in Deutschland verfügbaren Schiefergases (im Fachjargon: Frackinggas), dessen Förderung gesetzlich untersagt ist.

Quellen

[1] https://www.vernunftkraft-odenwald.de/grafiken-von-rolf-schuster-zur-energiewende/

[2] https://www.nature.com/articles/s41560-025-01768-y