Brauchen wir eine ‘Verschwendungswende’?

 

Dr. Jürgen Schulz

Was, meinst Du, ändert sich leichter, ein Stein oder deine Ansicht darüber?” sagte Bertold Brecht einmal.

Das Containerschiff ist eine Verdinglichung der Globalisierung. Die Inhalte der Container sind Verdinglichungen unseres Wohlstands. Wir definieren uns unter anderem über sie. Wirtschaftlich aufsteigende Nationen nehmen sie als Maßstab für ihre Bestrebungen daran teilzuhaben.

Die Medaille hat eine Kehrseite:

  • Jede Produktion von jedem Ding benötigt immer Energie.
  • Jeglicher Einsatz von Energie produziert immer CO2.
  • Unser Wohlstand, unsere Bedürfnisse für Rohstoffe, Energie, Produktion und Konsum steigen stetig, und damit steigen auch zwangsläufig anthropogene CO2-Emissionen.
  • Die Erdbevölkerung beträgt heute ca. 8 Mrd., im Jahr 1800 waren es ca. 1 Mrd. Diese Menschen müssen alle versorgt werden, und das erfordert Energie, Rohstoffe und Ressourcen im Allgemeinen

Laut Medienberichten nehmen Extremwetterereignisse ständig und überall auf der Welt zu. Der Fingerzeig auf CO2 fehlt nie, dabei kennt niemand das Verhältnis von natürlichen zu anthropogenen CO2-Emissionen, und niemand kennt die Klimasensitivität von CO2. Ständige Wiederholungen dieser Behauptungen, egal ob sie wahr oder falsch sind, dienen jedoch nicht der Suche nach Lösungen.

Ist das so, weil man glaubt, die Lösung bereits gefunden zu haben? Ohne Energie gibt es keine Wirtschaft, und ohne Wirtschaft gibt es keine …

Wenn da nicht die Erkenntnisse des jüngsten Berichts von UN Climate Change wären: ‘Die Anstrengungen aller Staaten sind unzureichend, die CO2-Emissionen einzudämmen’.[1] Demnach sind alle Staaten entweder auf dem Holzweg oder in einer Sackgasse.

Deutschlands Pfad ist dabei besonders besonders und besonders verschwenderisch.

Verschwendung: ‚Die Energiewende

Das EEG-Ziel der Bundesregierung ist, bis 2030 80% seines Strombedarfs aus ‘Erneuerbaren Energien’ zu decken.[2] Die zentralen Säulen dabei sind: Wind- und Sonnenenergie und grüner Wasserstoff, als Backup, ohne Mithilfe von Kernenergie. Kann das funktionieren?

Elektrischer Strom und Wasserstoff kommen in der Natur nicht in verwendbarer Form vor: sie müssen erzeugt werden, und sie schicken daher Rechnungen. Die Daten des Fraunhofer Instituts sprechen für sich [3]; ein Urteil des Bundesrechnungshofes [4] sowie eine Beurteilung einer Expertenkommission [5] hauen in dieselbe Kerbe: Nein!

Die 2030-Ziele sind völlig unrealistisch, sie werden verfehlt werden. Trotzdem hält man an ihnen fest, und es werden Tausende von Windenergieanlagen (WEAs) und PV-Paneelen gebaut. Die produzierte Energie ist noch nicht einmal grundlastfähig; aus diesem Grund sind Medienberichte über 50% oder gar 100% Deckung des Energiebedarfs durch ‚Erneuerbare Energien’ irreführend bzw. falsch; solche Aussagen treffen nur auf ausgewählte Zeitfenster zu.

Der Pferdefuß dieser Technologien ist ihre Flatterhaftigkeit. Es fehlen Energiespeicher, um diese Flatterhaftigkeit zu kompensieren. Eine gewaltige Materialschlacht ist notwendig. Sie ist der geringen Energiedichte von Wind und Sonne geschuldet, also letztendlich der Physik. Sie ist intrinsisch und kann nicht überwunden werden.

Die 2030-Ziele werden nicht erreicht werden können.

Die Energiewende ist eine Verschwendung von Ressourcen auf Kosten der Natur.

Verschwendung: Wasserstoff

Wasserstoff wird als Lösung des Problems der fehlenden Energiespeicher hochstilisiert. WEAs und PV-Anlagen, die heutzutage zusammen noch nicht einmal grundlastfähig die Hälfte des derzeitigen Strombedarfs decken, sollen bis 2030 zusätzlich 10 GW installierte Leistung bereitstellen zur Elektrolyse von Wasser zur Erzeugung von Wasserstoff: heute sind lediglich 0,1 GW installiert, und das nur in Form einer Pilotanlage.[6]

Auch dieses 2030-Ziel wird nicht erreicht werden.

Deutschland benötigt also Hilfe aus dem Ausland: man hat Übereinkommen mit Namibia [7] und Indien [8] getroffen. Diese Länder werden ihre Flächen und Ressourcen teuer zur Verfügung stellen, um für Deutschland sogenannten grünen Wasserstoff herzustellen. Ed Conway schreibt in seinem Buch ‘Material World’: „Allerdings ist die Elektrolyse zur Herstellung von Wasserstoff ein so ineffizientes Verfahren, dass es einem die Tränen in die Augen treibt. [9]

Dazu kommt folgendes: der grüne Wasserstoff muss verflüssigt werden, damit er um die halbe Welt nach Deutschland verschifft werden kann. Es gibt zur Zeit aber nur einen einzigen kommerziell genutzten Wasserstoff-Tanker auf der Welt, der dafür ausgerüstet ist, die japanische Suiso Frontier.[10]

Wasserstoff ist ein kostbarer chemischer Grundbaustein für die Industrie. Wasserstoff jedoch teuer am anderen Ende der Welt aus Wasser herzustellen, nur um ihn zuhause zu Wasser zu verbrennen, um daraus CO2-freie Energie zu gewinnen, ist bestenfalls als Verschwendung zu bezeichnen, streng genommen ist es Irrsinn.[11]

Das ist Verschwendung von Ressourcen auf Kosten der Natur.

Verschwendung: Deindustrialisierung

Die Energiewende’ destabilisiert das deutsche Stromnetz zunehmend, die Stromversorgung wird immer unsicherer [4]und immer teurer. Als Konsequenz daraus wandert die heimische Industrie ab und produziert stattdessen im Ausland. Ausländische Firmen meiden aus denselben Gründen den Standort Deutschland. Der Produktionsstandort Deutschland demontiert sich selbst.

Deutschland hat seine CO2-Emissionen Jahr für Jahr reduziert: von ca. 1,25 Mrd. T. (1990) auf 0,674 Mrd. T. (2023); das entspricht heute 1,5-2% der globalen Emissionen. Das 2030-Ziel sind 438 Millionen Tonnen.[12] Die Reduktion deutscher Emissionen basiert zum einen auf der Umrüstung der damaligen DDR-Industrie, den niedrig hängenden Früchten, und den stetigen Effizienzsteigerungen bei der Produktion von Gütern, den höher hängenden Früchten.

Ein gutes Maß zur Beurteilung ist z. B. die Menge emittiertes CO2 pro erzeugtem Dollar/Euro des nationalen BIP. Dieser Wert hat sich seit 1991 stetig verbessert.[13] Darauf kann Deutschland stolz sein.

Dennoch ist Deutschland im Begriff, diesen, seit Jahrzehnten hart erarbeiteten, technologischen Fortschritt in weniger als einem halben Jahrzehnt über Bord zu werfen. Das geschieht nicht zufällig, es ist politisch gewollt.

Deutschlands Deindustrialisierung ist eine Verschwendung von technologischem Know-how und Wohlstand, aber nicht nur das.

Verschwendung: CO2-Emissionen

Als führende Industrienation gehört Deutschland natürlich auch zu den großen CO2-Emittenten, sollte man meinen.

Durch die Verlagerung der Produktion deutscher Firmen ins Ausland wird der CO2-Fußabdruck eines Produktes erhöht. Zum Beispiel zieht Miele nach Polen um. In Polen wird jedoch hauptsächlich Kohle verstromt. Die Konsequenz ist, das ein und dieselbe Waschmaschine, in Polen hergestellt etwa 2,5-mal soviel CO2 freisetzt als dieselbe Waschmaschine, hergestellt in Deutschland (Grafik unten: Treibhausgas-Emissionen der EU im Vergleich 2022).[14]

Unter den führenden Industrienationen der EU liegt Frankreich deutlich vor Deutschland, da Frankreich auf emissionsfreie Kernenergie setzt.

Spitzenreiter für CO2-Emissionen in der Welt sind China (2023: 11,4 Mrd. T.; 2022: 10,9 Mrd. T.) und die USA (5,3 Mrd. T.); Indien (2,7 Mrd. T.) ist die am schnellsten wachsende große Volkswirtschaft und holt schnell auf.[15] Bemerkenswert ist auch, dass China von 2022 bis 2023 seinen CO2-Ausstoss um 500 Mill. T. CO2 erhöht hat. Diese Erhöhung entspricht nahezu Deutschlands jährlichem Gesamt-CO2-Ausstoss.

Die Verlagerung der Produktion von Deutschland ins Ausland bedeutet also, dass erstens die CO2-Emissionen ins Ausland verlagert werden und zweitens, dass sie erhöht werden. Da Produktionen im Ausland generell ineffizienter sind, ist dies zwangsläufig sogar mit einem höheren CO2-Fußabdruck verknüpft.

Die folgende Grafik zeigt ganz deutlich, dass ein in China und Indien hergestelltes Produkt wesentlich höhere CO2-Emissionen mit sich bringt als dasselbe Produkt, hergestellt in Deutschland.[16]

Die deutschen Pläne zur Produktion von Wasserstoff in Indien und Namibia werfen daher weitere Fragen nach der Sinnhaftigkeit auf:

  • Indiens Strom wird zu über 90% aus Kohle erzeugt. Wasserstoff würde in Indien aus dreckiger Kohle gewonnen werden, und damit ist er definitiv nicht grün. Idealerweise würde man die indische Sonne mittels riesiger PV-Elektrolyse-Parks nutzen, die gibt es allerdings zur Zeit noch nicht. Was davon bis 2030 gebaut und in Betrieb sein wird, steht in den Sternen. Außerdem könnte Indien sie doch selbst gut gebrauchen im ‘klimaneutral’ zu werden!?
  • Wasserstoff aus Namibia wird am CO2-Fußabdruck wenig verändern, aber dafür wird die dortige Natur zerstört: Unmengen an Wasser muss in ein Naturschutzgebiet in der Wüste transportiert werden, um dort mittels riesiger PV-Elektrolyse-Parks, die es dort noch nicht gibt, Wasserstoff herzustellen.

Der Netto-CO2-Effekt der verschwenderischen Politik Deutschlands ist also:

  • Senkung der heimischen CO2-Emissionen
  • Steigerungen der globalen CO2-Emissionen um das 2-3fache
  • Zerstörung der eigenen Wirtschaft
  • Stärkung der Wirtschaft anderer Länder
  • Zerstörung von Natur im In- und Ausland

Die Wirkung aufs Klima wird nicht verbessert, die Ressourcen der Erde werden aber schneller erschöpft. Deutschlands Pfad hat einen faden moralischen Beigeschmack: die eigenen CO2-Emissionsziele können mit ausländischer Hilfe erreicht werden, aber man kann auf andere Länder mit dem Finger zeigen, die ihr CO2-Budget dafür ruiniert haben, damit Deutschland blütenweiß dasteht.

Ist das tatsächlich im Sinne des Erfinders von ‚Die Energiewende’?

Wäre es nicht sinnvoller, die Produktion nach Deutschland zurückzuholen?

Verschwendung: Konsum

Letztendlich ist natürlich der Konsumhunger intrinsisch mit Energiehunger verknüpft. Windenergie und Sonnenenergie können aber noch nicht einmal den Energiebedarf unseres eigenen Landes decken. Daher muss der Energieverbrauch, und damit Konsum, gesenkt werden … so der Gedanke, wie z. B. von Ulrike Herrmann.[17]

Hier ist jeder einzelne Bürger gefordert, seinen Beitrag zu leisten. Die Politik kann nur Rahmenbedingungen schaffen. Mit dem Vertreiben der einheimischen Industrie gelingt ihr das sehr gut, aber die letzte Wegstrecke erfordert die Initiative der ganzen Gesellschaft. Im Klartext heißt das Verzicht oder stärkeres Bewusstsein beim Konsumieren. Die Zahlen der

Lebensmittelverschwendung sind schockierend.[18] Hier liegt enormes Einsparpotential. Nur durch Verzicht bzw. Einschränkung von Konsum, von klein bis gross, werden Ressourcen tatsächlich geschont und der Energieverbrauch tatsächlich reduziert. Jedes Land der Erde müsste dazu bereit sein, ansonsten hätte man es ja lediglich mit Verlagerungen von Produktionen zu tun. Nur durch Verzicht auf Konsum können anthropogene CO2-Emissionen verringert werden … es sei denn man setzt auf emissionsfreie und energieeffiziente Kernenergie. Dann bleiben natürlich noch die CO2-Emissionen aus natürlichen Quellen.

Auf wie viel Verzicht wäre jeder bereit, wohlgemerkt global gesehen?

Wie viel Verschwendung kann vermieden werden?

Der Zeitgeist

Der Zeitgeist hat eine große Funktionalität für den Erfolg eines Landes bzw. einer Gesellschaft.

Der Zeitgeist in Deutschland ist offensichtlich dem Irrglauben verfallen, dass man durch ‘Die Energiewende’ allen anderen Ländern den Weg zeigt, dass man das eigene Gewissen und Konsumverhalten durch das Errichten von genügend WEAs und PV-Anlagen rein waschen kann.

Die Ampel in Politik und Gesellschaft für ein ‚weiter so wie bishersteht auf grün.

Der Zeitgeist befeuert diesen Irrglauben, indem er insinuiert, dass durch die Energiewende ein neues Wirtschaftswachstum entfacht werden wird. Bisher ist das genaue Gegenteil eingetreten. Der Zeitgeist fordert jedoch mehr desselben. Frei nach Paul Watzlawick ist das eine ‚Anleitung zum Unglücklichsein’, oder Albert Einstein „Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten. Deutschland möchte so weiterleben wie bisher, aber auf der Basis von nur Wind- und Sonnenenergie, unter Ausschluss von Kernenergie … gewissermaßen wird die Quadratur des Kreises angestrebt.

Was muss passieren, um der Verschwendung durch ideologisches Denken ein Ende zu setzen?

Der andere Blick – Brauchen wir eine ‘Verschwendungswende?

Welches der obigen drei Bilder gibt die Wirklichkeit wieder?

Die Bundesregierung denkt in ‘schwarz/weiss’ oder, treffender ausgedrückt in der Sprache der Photographie, sie denkt ‚monochrom’ also ‘einfarbig’, also ‘beschränkt’: ‚Erneuerbare Energien, sonst nichts, analog dem farblosen Bild in der Mitte. Es wird den Bürgern aber als ‚bunte, blühende Zukunftverkauft, analog dem Farbbild oben links.

Das rechte Bild entstand aufgrund besonderer Bedingungen, nämlich der Position von Sonnenlicht (tiefstehende Abendsonne) zu Kamera und Objekt unter Einsatz eines Hilfsmittels (Polarisationsfilter). Man kann sich also relativ leicht das gewünschte Bild, die gewünschte Realität, selbst erschaffen, nur etwas Nachdenken, das richtige Equipment und etwas Manipulation reichen dazu aus.

Bei dem Staatsbesuch von Bundeskanzler Olaf Scholz 2023 in Indien sagte der indische Außenminister Subrahmanyam Jaishankar zu ihm: Europa muss sich von der Vorstellung befreien, dass Europas Probleme die Probleme der Welt sind, aber die Probleme der Welt nicht die Europas.[19]

Diese Erkenntnis wäre ein wichtiger Anfang für eine Kursänderung.

Niemand wird daran gehindert, die Realität zu schaffen, die man sich wünscht? Ayn Rand sagte einmal: „Man kann die Realität ignorieren, aber nicht die Konsequenzen aus dem Ignorieren der Realität.„Realität ist, dass Deutschland gigantische Ressourcen verschwendet: Rohstoffe, Naturflächen, Energie und Geld usw. mit kontraproduktiven Auswirkungen auf die eigene Wirtschaft und die Natur zuhause und in der ganzen Welt.

Erschafft Deutschland wirklich die Realität, die man sich wünscht?

Bei so viel Verschwendung fragt man sich unweigerlich:

Ist ein ‚weiter so wie bishertolerierbar oder brauchen wir eine ‘Verschwendungswende?

Abkürzungen:

Mrd. T. = Milliarden Tonnen

Mill. T. = Millionen Tonnen

GW = Gigawatt = 1000 Megawatt = 1000000 Kilowatt

BIP = Bruttoinlandsprodukt

Quellenverzeichnis:

[2] https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/ausbau-erneuerbare-energien-2225808#:~:text=EEG -Ziel: Bis 2030 sollen,– abzüglich Umwandlungs- und Netzverlusten.

[3] https://www.ise.fraunhofer.de/de/presse-und-medien/presseinformationen/2024/oeffentliche-stromerzeugung-2023-erneuerbare-energien-decken-erstmals-grossteil-des-stromverbrauchs.html

[7] https://enertrag.com/de/projekte-show-cases/wasserstoff-projekte/hyphen-gruener-wasserstoff-namibia2

[8] https://h2-news.de/politik/indien-und-deutschland-vereinbaren-wasserstoff-roadmap/#:~:text=Ziel Indiens ist es, sich,Tonnen Wasserstoff pro Jahr aufzubauen.

[9] Ed Conway ‘Material World’, Seite 488

[11] http://www.ageu-die-realisten.com/archives/7273/#more-7273

[12] https://www.umweltbundesamt.de/daten/klima/treibhausgas-emissionen-in-deutschland

[13] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1315492/umfrage/treibhausgasintensitaet-des-bips/#:~:text=Im Jahr 2021 lag dieum gut ein Viertel gesunken.

[15] https://www.datocms-assets.com/62973/1677076004-carbon_cost_2023-de.pdf; https://www.co2online.de/klima-schuetzen/klimawandel/co2-ausstoss-der-laender/

[17] Ulrike Herrmann: ‘Das Ende des Kapitalismus

[18] https://www.bmel.de/

[19] https://www.welt.de/politik/deutschland/plus243981607/Olaf-Scholz-in-Indien-Das-ist-kein-guter-Eindruck-den-wir-hier-machen.html