Die Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche hat im Bundestag den neuen Monitoringbericht über den Zustand der deutschen Energiewende vorgestellt.[1] Ihr Urteil überrascht nicht: Zweieinhalb Jahrzehnte Energiewende sind gescheitert. Was überrascht ist jedoch das, was fehlt, nämlich Impulse für entscheidende Richtungsänderungen; von Kernenergie ist weiterhin keine Rede. Mit anderen Worten, die Verschwendung von Ressourcen (Kapital, Rohstoffe, Natur) geht weiter. Eine Wende von dieser Verschwendung ist dringend erforderlich. Wer wagt endlich den Sprung?
Sisyphus: Reduktion globaler CO2 – Emissionen
Es gibt Situationen im Leben, da muss man sich scheinbar übernatürlichen Anstrengungen unterwerfen, um ein höheres Ziel zu erreichen. Das höhere Ziel der Energiewende heißt ‚Reduktion von CO2 – Emissionen zur Rettung des Erdklimas‘. Für Deutschland ist es sogar zum Staatsziel erklärt worden: “Artikel 20a GG verpflichtet den Staat zum Klimaschutz und zielt auf die Herstellung von Klimaneutralität.”
Aufgrund der Energiewende senkt Deutschland jedes Jahr seine CO2 – Emissionen, von 0,85 Gt im Jahr 2005 auf 0,65 Gt im Jahr 2024.[2] Medien und Politik feiern das als Erfolg, es sind sozusagen ihre Erfolgs-Fakten. Fakten sind aber Interpretationen von Daten. Fakten sind meistens emotionsgeladen. Daten sind immer emotionslos. Man benötigt Referenzpunkte zur Beurteilung von Daten, um daraus aussagekräftige Fakten zu konstruieren. Zahlreiche Institutionen liefern sie. Jeder kann sie kennen, wenn man sie kennen will.

Es sind die Steigerungen der Emissionen dieser Länder im Verhältnis zu Deutschlands Gesamtemissionen, die auch dem letzten Ideologen die Augen öffnen sollten:
- Deutschland emittiert heute ca. 0,65 Gt/Jahr insgesamt.
- China emittiert heute 0,6 Gt/Jahr mehr als noch vor 4 Jahren.
- Indien emittiert heute 0,7 Gt/Jahr mehr als noch vor 4 Jahren.
Alleine die Mehr-Emissionen von China heute, im Vergleich zu 2020, eliminieren Deutschlands heutige Gesamt-Emissionen. Die Mehr-Emissionen von Indien verschlucken ebenfalls Deutschlands Gesamt-Emissionen. Um es weiter zu verdeutlichen: Die Energiewende trägt zur Senkung der globalen Emissionen Null bei. Selbst wenn Deutschland null CO2 – Emissionen hätte, würde sich das in der globalen Bilanz nicht widerspiegeln. Es ist Tatsache, dass Deutschland eigentlich überhaupt keine Emissionen einspart: Deutschland exportiert seine ‘eingesparten’ Emissionen ins Ausland (s. u.).
Die Anstrengungen des Sisyphus sind genauso produktiv wie die deutsche Energiewende. Albert Camus macht jedoch Hoffnung, denn letztendlich sind es Emotionen, die über Erfolg und Misserfolg entscheiden. Camus sagt: „Man muss sich Sisyphus als einen glücklichen Menschen vorstellen.“ Es bestätigt ein altes japanisches Sprichwort „Es ist besser, hoffnungsvoll zu reisen als anzukommen.“ In der Tat sind die deutschen Medien und der Mainstream glücklich, dass Deutschland jedes Jahr ‚seine‘ Klimaziele erreicht. Sie umarmen Sinnlosigkeit.
Mag sein, dass aufgrund von Definitionen von Bürokraten nationale Klimaziele erreicht werden, aber sie sind objektiv gesehen bedeutungslos bzgl. des Primärziels, sie sind leer.
Sisyphus: Reduktion von CO2 im Strommix
2024 gab es den letzten Monitoringbericht.[4] Dieser fiel bereits vernichtend aus. Seitdem hat sich die Situation noch verschlechtert. Die einzige Dimension der Energiewende, die hier mit ‚grün‘ (Ausbauziele werden voraussichtlich erreicht) bewertet wurde, ist der Ausbau von Windkraftanlagen und PV-Anlagen. Hier wurde bisher jedoch nur eindimensional gedacht.
Beim Aufbau eines neuen Systems muss systemisch gedacht werden d. h. multidimensional. Das wurde bei der Transformation vom bestehenden System, basierend auf fossilen Energien, auf das neues System, basierend auf ‚Erneuerbare Energien‘, ignoriert. Der Ausbau von ‚Erneuerbare Energie‘ ist sinnlos, wenn 1. das benötigte Stromnetz fehlt und 2. die benötigten Backups fehlen (zum Ausgleich von Windflauten und Dunkelheit) und vieler weiterer Faktoren (die Aufzählung würde hier den Rahmen sprengen).
Abgesehen von diesen völlig vorhersehbaren Problemen stellt sich die Frage, wie der deutsche Strommix denn im internationalen Vergleich abschneidet. Führt all diese Verschwendung von Ressourcen wenigstens zur Reduktion von CO2 – Emissionen pro erzeugte kWh Strom? Die Daten geben eine eindeutige Antwort: Nein!
CO2 – Äquivalente der Stromerzeugung in EU und Deutschland für das Jahr 2023:[5]
- EU 226 gCO2 /kWh
- Deutschland 380 gCO2 /kWh
- Frankreich 56 gCO2 /kWh
Deutschland hat mehr installierte Leistung von Windkraftanlagen als jedes andere europäische Land. Trotzdem sind die CO2 – Emissionen aus der Stromgewinnung schlechter als der europäische Durchschnitt. Frankreich emittiert nur einen Bruchteil von CO2 pro generierte kWh Strom im Vergleich zu Deutschland.[6] Außerdem ist Deutschland zu etwa 10-12% abhängig vom französischen Atomstrom. Der Gipfel ist, dass die deutschen Strompreise die höchsten in Europa sind, was eine direkte Folge der deutschen Energiepolitik ist. Die allseits geforderte Senkung der Preise durch Subventionen (Eingriffe des Staates) bedeutet nichts anderes als Selbstbetrug, ein Verkennen der Realität, dass die hohen Preise Energiewende-systeminhärent sind.
Das ist eine reife Leistung, genauer gesagt, das ist elementare Physik. Die geringe Energiedichte von Wind- und Sonnenenergie und deren Wetterabhängigkeit macht den Vergleich zu Kernenergie zu einem ‘Igel – Hase – Rennen’. In dem berühmten Märchen lässt sich der ‘Hase’ austricksen, die Physik jedoch steht unerbittlich hinter seinen Gesetzen. Und so steht der ‘Igel’ hier allein auf weiter Flur und verliert das Rennen.
Konsum: CO2 – Exporte in den Rest der Welt
Es wäre jedoch unfair China, oder Indien, oder anderen aufstrebenden Nationen hier den ‚Schwarzen Peter‚ zuzuschieben. Die westliche Welt verlagert ihre Produktion seit Jahrzehnten stetig und immer mehr in andere Länder. Aufgrund von David Ricardos Außenhandelstheorie, die schon über 200 Jahre alt ist, ist das ein logischer und erfolgreicher Prozess.
Die Produktion von Gütern bedeutet jedoch den Einsatz von Energie, und sie wird überwiegend durch fossile Brennstoffe bereitgestellt, auch in Deutschland. China avancierte während der letzten beiden Jahrzehnte zur Werkstatt der Welt und produziert immer mehr Konsumgüter, die der Rest der Welt braucht/will. Die westliche Welt leidet an CO2 – Obsession. Sie muss sich vorwerfen lassen, ihre CO2 – Emissionen in den Rest der Welt zu exportieren. Für die globale CO2 – Bilanz ist es primär gesehen irrelevant, wo Konsumgüter hergestellt werden. Der Rest der Welt kann nicht dafür verantwortlich gemacht werden, dass die CO2 – Emissionen weiter steigen, wenn die Welt insgesamt immer mehr Konsumgüter braucht/will.
Die deutsche Wirtschaft verzeichnet nun schon im dritten Jahr in Folge kein Wachstum mehr. Die Industrie wandert weiterhin ab. Die Konsequenzen für eine Wirtschaftsnation sind dramatisch. Sie dringen immer stärker in das Bewusstsein der Bürger und politischen Entscheidungsträger ein, denn sie werden mittlerweile für jeden spürbar. Deutschlands Weg der De-Industrialisierung schadet daher Deutschland, und zwar in erster Linie nur Deutschland. Dieser Weg leistet keinen positiven Beitrag für irgendetwas. Eine mögliche Vorreiterrolle in Sachen Energiepolitik schließt sich damit automatisch aus. Ohne den Einsatz von emissionsarmer Kernenergie werden alle Energiewenden scheitern.
Fazit
- Der Beitrag der deutschen Energiewende zur globalen Reduktion von CO2 – Emissionen ist Null.
- Der CO2 – Fußabdruck der deutschen Stromproduktion ist schlechter als der europäische
- Durchschnitt.Deutsche Strompreise sind die höchsten der Welt.
- Deutschlands nationale Klimaziele werden erreicht.
Summa summarum stellt die Energiewende eine beispiellose Verschwendung von Ressourcen dar, wie z. b. Kapital, Rohstoffe aus aller Welt, Flächenfraß im eigenen ‚Vorgarten‘ usw. Eine Verschwendungswende ist dringlicher denn je.
Die jetzige Regierung will nun neue Gaskraftwerke als Backups bauen. Das wird nichts an den obigen Punkten ändern. Frau Reiche schließt die Rückkehr zur Kernenergie weiterhin aus. Das scheint auf dem ersten Blick verständlich. Waren die letzten Jahrzehnte doch stark geprägt von dramatischen Kraftwerkunfällen, von Atommüll, von Demonstrationen gegen uralte Kraftwerksysteme und dem positiven Gefühl, die Risiken der Kernenergie aus Deutschland rauszubekommen. Doch obwohl wir heute moderne, sichere und effektivere Technologien der Kernenergie kennen, spielt diese Entwicklung weiterhin keine Rolle bei allen Betrachtungen. Stattdessen wird Kernenergie zum Tabuthema stigmatisiert und die Verschwendung von Ressourcen…. geht munter weiter. Dabei würde gerade diese Technologie alle oben genannten Punkte verbessern. Das heißt nicht, dass sich dadurch das Klima beeinflussen bzw. steuern lässt, denn wie sich immer weiter herausstellt, wirken viele weitere Faktoren als CO2 auf das sich verändernde Klima.
„Achievements without fulfilment are the ultimate failure„, sagt Tony Robbins, „externe Erfolge sind nichts wert ohne innere emotionale Erfüllung„. Die Energiewende ist noch nicht einmal als externer Erfolg zu werten, geschweige denn, dass sie emotionale Erfüllung bringt (außer bei unbelehrbaren Ideologen). Selbst in dieser Beziehung ist Bhutan schon weiter, denn es misst Fortschritt in ‚Glückseinheiten‚, anstelle von sinnbefreiter ‚Klimaneutralität‚.
Es stehen also zwei nötige Wenden im Raum, um diese Trends umzukehren:
- Verschwendungswende Energiepolitik [7]
- Verschwendungswende Konsumverhalten [7]
„Die schwerste sportliche Disziplin ist der Sprung über den eigenen Schatten“, sagte der deutsche Mediziner Gerhard Uhlenbruck. Wer hat den Mut zu springen?
Abkürzungen:
Gt = Gigatonne = 1000000000000 kg
kWh = Kilowattstunde
Quellen
[1a] https://www.bundeswirtschaftsministerium.de/Redaktion/DE/Downloads/J-L/klimaneutral-
werden-wettbewerbsfaehig-bleiben.pdf?__blob=publicationFile&v=22 [1b] Tägder: Licht und
Schatten der BMWE-Energieversorgungs-Analyse; http://www.ageu-die-
realisten.com/archives/8422/#more-8422
[2] https://www.umweltbundesamt.de/daten/klima/treibhausgas-emissionen-in-
deutschland#emissionsentwicklung
[3] IEA: https://www.iea.org/reports/global-energy-review-2025/co2-emissions
[4a] https://www.bundeswirtschaftsministerium.de/Redaktion/DE/Publikationen/Energie/monitoringberic
ht-expertenkommission-zum-energiewende-monitoring.pdf?__blob=publicationFile&v=8; [4b]
Schulz: ‘Die Energiewende’ – Naturschutz oder Klimaschutz http://www.ageu-die-
realisten.com/archives/7389/
[5] https://www.umweltbundesamt.de/themen/co2-emissionen-pro-kilowattstunde-strom-2024
[6] KI-Antwort, siehe auch https://lowcarbonpower.org/de/region/Frankreich
[7] Schulz: Brauchen wir eine Verschwendungswende; https://www.ageu-die-
realisten.com/archives/7650/