Castortransport von Sellafield nach Biblis

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Unter den jährlich Millionen Transporten auf deutschen Straßen und Schienen erlangt der Transport eines Castorbehälters stets erneut herausragende mediale Aufmerksamkeit. Auch jetzt wieder beim Transport von sechs Castorbehälter von Sellafield in Nordengland nach Biblis, dem Standort stillgelegter Kernkraftwerke in Hessen.

Am 02.11.2020 erreichte die „Pacific Grebe“, ein englisches Spezialschiff für den Transport radioaktiver Materialien, planmäßig den norddeutschen Hafen Nordenham. Dort wurden die 6 Behälter vom Typ CASTOR® HAW28M mit radioaktiven Abfällen aus der Wiederaufarbeitung deutscher Brennelemente in Sellafield für den Weitertransport ins bundeseigene Zwischenlager in Biblis vom Schiff auf Eisenbahnwaggons umgeladen. Die Behälter haben inzwischen auf dem Schienenweg Biblis erreicht.

Bis 2005 bestand die rechtliche Verpflichtung zur „schadlosen Verwertung“ von ausgedienten (im Fachjargon: abgebrannten) Brennelementen. Die Verwertung bestand in der Wiederaufarbeitung der Brennelemente durch Abtrennung des Urans, des Plutoniums und der hochradioaktiven Zerfallsprodukte. Letztere wurden in Kokillen mit Glasbildnern verschmolzen. Diese Kokillen befinden sich in den Castorbehältern.  Neben der Wiederaufarbeitungsanlage in Sellafield befindet sich eine weitere Anlage in der französischen Stadt La Hague, in der ebenfalls deutsche Brennelemente aufgearbeitet wurden. Im Rahmen bilateraler Verträge verpflichtete sich Deutschland zur Rücknahme der Kernbrennstoffe und der radioaktiven Abfälle. Ab 2005 wurde der Transport abgebrannter Brennelemente zu den Wiederaufarbeitungsanlagen gesetzlich untersagt, was einem Wiederaufarbeitungsverbot gleichkommt. Seither werden abgebrannte Brennelemente in Castorbehältern an Kernkraftwerksstandorten aufbewahrt.

Wie die für den Transport verantwortliche Gesellschaft für Nuklearservice (GNS) auf ihrer Internetseite erklärte, wurden im Rahmen der Umladung im Hafen Nordenham von Sachverständigen erneut Messungen an allen sechs beladenen Waggons durchgeführt, um sicherzustellen, dass der gesetzlich vorgegebene Grenzwert für die Ortsdosisleistung („Strahlung“) während des Bahntransports zuverlässig eingehalten wird. Diese ergänzen die bereits in Sellafield an den beladenen Behältern durchgeführten Messungen, die die Voraussetzung für Genehmigung und Durchführung des Transports waren.

Diese Messungen hatten ergeben, dass der gesetzliche Grenzwert von 0,1 mSv/h („Millisievert pro Stunde“) für die Ortsdosisleistung in 2 Metern Abstand von der Außenfläche des Transportfahrzeugs, also des Eisenbahnwaggons, weit unterschritten wird: Der höchste in diesem Abstand gemessene Wert liegt bei 0,026 mSv/h, der Mittelwert der Dosisleistung aller Behälter in 2 Metern Abstand von der Fahrzeugaußenfläche liegt für die aktuelle Rückführungskampagne bei ca. 0,021 mSv/h – also weniger als ein Viertel des höchstens erlaubten Wertes.

Zum Vergleich: Die jährliche Dosis der natürlichen Hintergrundstrahlung beträgt etwa 2 mSv. Dieser Strahlung ist der Mensch unvermeidbar ausgesetzt.

Transporte radioaktiver Stoffe, vor allem, wenn sie durch Ortschaften führen, werden von Kernenergiegegnern zum Anlass für Demonstrationen genommen, um auf die anscheinend öffentliche Gefährdung hinzuweisen. Eine öffentliche Gefährdung besteht und bestand zu keiner Zeit:

Die Vorschriften zum Gefahrgutrecht und zum Strahlenschutzrecht sind die Grundlage dafür, dass der Schutz von Personen, der Umwelt und von Sachgütern bei der Beförderung radioaktiver Stoffe gewährleistet ist. Dazu schreibt der – von der Kernenergienutzung unabhängige – Fachverband für Strahlenschutz [1]:

In Deutschland sind das im Wesentlichen das Gefahrgutbeförderungsgesetz mit den Gefahrgutverordnungen Straße, Eisenbahn, Binnenschifffahrt und See, das Luftverkehrsgesetz sowie das Strahlenschutzgesetz mit seinen Verordnungen. Darin ist insbesondere festgelegt, welche radioaktiven Stoffe unter welchen Schutzvorkehrungen zur Beförderung auf öffentlichen Verkehrswegen zugelassen sind. Mit dem dort verankerten Schutzkonzept ist auch für eventuelle Transportunfälle Vorsorge getroffen. Die Widerstandsfähigkeit einer Verpackung muss an die Aktivität der zu transportierenden Stoffe und deren Beschaffenheit angepasst sein. Oberhalb einer festgelegten Aktivität muss eine unfallsichere Verpackung verwendet werden.

Strahlung in Form von durchdringender Gamma- oder Neutronenstrahlung kann durch die Verpackung bzw. durch die eingesetzten Abschirmmaterialien nicht vollständig abgeschirmt werden. Jedoch darf an der Außenseite eines Versandstücks bzw. des Fahrzeugs die Dosis pro Stunde 2 mSv nicht überschreiten. In 2 Metern Abstand vom Fahrzeug muss die Dosis pro Stunde – wie oben ausgeführt – auf 0,1 mSv begrenzt werden. Diese Regelungen gelten unabhängig davon, ob eine kleine Strahlenquelle zu einer Arztpraxis geschickt wird oder verbrauchte Reaktorbrennelemente in einem sogenannten CASTOR®-Behälter mit einem Schwerlasttransport-Fahrzeug befördert werden.

Begrenzung der Dosis pro Zeit bei der Beförderung radioaktiver Stoffe

Die strikte Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen bietet die Gewähr, dass die Strahlenexposition des Transportpersonals und der Bevölkerung sowohl bei der unfallfreien Beförderung als auch bei einem Transportunfall begrenzt ist.

Es besteht eine klare und detaillierte Zuweisung der Verantwortlichkeiten aller Beteiligten in einer Beförderungskette und eine umfassende Informationspflicht. Nur wer weiß, was auf einem Fahrzeug befördert wird, hat die Möglichkeit in Übereinstimmung mit den anzuwendenden Vorschriften zu handeln.

Aufgrund von Erhebungen im letzten Jahrzehnt wird die Anzahl der Versandstücke mit radioaktiven Stoffen pro Jahr auf zwischen 650.000 und 750.000 abgeschätzt.

 

[1] https://www.fs-ev.org/der-fs/oeffentlichkeitsarbeit/strahlenschutzkompakt/

Über sich selbst schreibt der Verband: „Mit fundiertem Fachwissen setzen wir uns beständig ein für den Schutz von Mensch und Umwelt vor Gefährdungen durch Strahlung in Medizin, Forschung, Industrie und bei natürlichen Strahlenquellen. Auch bei Not- und Unfällen berät und informiert der Fachverband die Öffentlichkeit – unabhängig und kompetent.“