Der Mensch lebt in einem radioaktiven Umfeld. Ohne Radioaktivität gäbe es kein Leben auf der Erde

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Der Mensch lebt in einem natürlichen radioaktiven Umfeld. Er kann sich ihm nicht entziehen. In jeder Sekunde zerfallen rund 7000 bis 9000 radioaktive Elemente je nach Gewicht in einem erwachsenen Menschen, die er mit der Nahrung aufgenommen hat. Radioaktive Stoffe in der Erdkruste tragen zur äußeren und inneren Bestrahlung bei. Eine hochenergetische Teilchenstrahlung, die von der Sonne, von der Milchstraße und fernen Galaxien kommt, wirken permanent äußerlich auf ihn ein. Bei nuklearmedizinischen Untersuchungen werden radioaktive Pharmaka für diagnostische oder therapeutische Zwecke zum Wohle des Menschen eingesetzt.

Gleichwohl ist Radioaktivität ein Reizwort für viele Menschen, insbesondere dann, wenn es sich um den Transport radioaktiver Stoffe und der Endlagerung radioaktiver Abfälle geht. Man trifft auf Gesinnungen, die meinen, radioaktive Stoffe könnten das Ende der Menschheit einläuten. Dazu zwei Beispiele:

„…allerdings können wir Aussagen machen zu einer hochgiftigen Strahlung, die noch über viele hunderttausend Jahre so giftig sein wird, dass sie das Menschleben und das Leben auf dieser Erde in ihrer Existenz bedroht.“ (Landesbischof Ralf Meister)

„Er (der radioaktive Abfall) ist da und stellt für die heutige Gesellschaft und zukünftige Gesellschaften eine existenzielle Bedrohung dar“ und weiter „Atommüll gehört zum Tödlichsten, was es auf der Erde gibt. Er tötet durch Strahlung und ist hochgiftig. Bis das Risiko aus diesen Stoffen halbwegs erträglich geworden ist, vergeht eine Million Jahre. Auch dann noch haben einzelne Nuklide eine hoch umweltgefährdende Aktivität. Den Müll über einen derart langen Zeitraum so aufzubewahren, dass er Mensch und Umwelt nicht gefährden kann, scheint schier unmöglich.“ (Sylvia Kotting-Uhl, GRÜNE, Loccumer Protokoll 25/11)

Solche Ansichten lassen sich nicht ändern. Man kann aber insbesondere bei Personen, die öffentliche Ämter innehaben, verlangen, dass sie natürliche Gegebenheiten auf unserer Erde und die extrem hohen Sicherheitsanforderungen bei jeglichem Umgang mit radioaktiven Stoffen zur Kenntnis nehmen und nicht maßlose, ungerechtfertigte Ängste in der Bevölkerung verbreiten.

Mit der Entstehung der Materie, aus der unsere Erde gebildet wurde, entstanden auch zahlreiche radioaktive Elemente, die so genannten Radionuklide. Von diesen sind heute noch die Radionuklide vorhanden, deren Halbwertszeit in der Größenordnung des Erdalters liegt.

Diese natürlichen Radionuklide und deren Zerfallsprodukte sind in unterschiedlichen Konzentrationen in den Böden und Gesteinen der Erdkruste vorhanden. Die von ihnen ausgehende Strahlung wird als terrestrische Strahlung bezeichnet. Die wichtigsten Elemente, die einen Beitrag zur terrestrischen Strahlung leisten, sind Kalium, Uran mit seinem Zerfallsprodukt Radium und in einigen Regionen Thorium.

Aus dem Boden gelangen die Radionuklide in Wasser, Pflanzen und Tiere und damit in die Nahrung des Menschen. Alle unsere pflanzlichen und tierischen Nahrungsmittel enthalten geringe Konzentrationen der genannten Radionuklide. Dabei überwiegt das radioaktive Kalium-40, wobei Kalium ein unverzichtbarer, lebenswichtiger Baustein des menschlichen Körpers ist. Mit jedem Kilogramm unserer pflanzlichen und tierischen Nahrung nehmen wir im Mittel etwa 100 Becquerel (Bq = Zerfälle pro Sekunde) an Radionukliden auf.

Bei den Uran- und Thorium-Konzentrationen in der Erdkruste ist an Stellen höherer Konzentration die von diesen Elementen und ihren Zerfallsprodukten ausgehende Strahlung insofern von Bedeutung, dass bestimmte Strahlenexpositionen nicht überschritten werden dürfen, auch wenn es sich um natürlich vorkommende Elemente handelt.

 Von Bedeutung ist hierbei das Radon-222, das durch Zerfall des Radium-226 entsteht. Das Radon, ein Edelgas, ist aufgrund seiner Mobilität praktisch überall in unserer Lebenssphäre vorhanden und gelangt durch Inhalation in den Körper.

Dem vielfältigen Nutzen radioaktiver Nuklide und ihrer Strahlung in Medizin, Wissenschaft und Technik steht das angebliche Problem ihrer Beseitigung respektive ihrer Endlagerung entgegen. Die zwei Seiten einer Medaille. Die Endlagerung von Sondermüll mit seiner dauerhaft schädigenden Eigenschaft erfolgt ohne öffentliche Wahrnehmung. Nicht so bei radioaktiven Abfällen mit ihrer abklingenden Strahlenwirkung. Die Erkundung des Salzstockes Gorleben ist hierfür ein Paradebeispiel. Dass sich Politik und die für die Endlagerung verantwortlichen staatlichen Stellen gegenseitig behinderten, haben wir mehrfach thematisiert. Diejenigen, die gegen Endlagerplanungen vehement Kritik einbrachten und Widerstand leisteten, sind nicht selten die Gleichen, die das Fehler eines Endlagers beklagen.

 Als Replik auf das obige Zitat ist auf die internationalen und deutschen extrem hohen Sicherheitsanforderungen bei der Endlagerung radioaktiver Abfälle in tiefen geologischen Formationen zu verweisen, sowohl, was die Auswahl des Endlagerstandortes als auch die Verpackung respektive die Konditionierung der Abfälle betrifft. Zu verweisen ist auch auf die umfangreichen Berichte zu technischen und ethischen Fragen der Endlagerung, die im „Gutachten zu Strahlenschutzaspekten der „Grundsätze für die sichere Endlagerung (Sicherheitsphilosophie) des BfS““ aus dem Jahr 2006 Berücksichtigung fanden.

 An der Notwendigkeit der Errichtung eines Endlagers gibt es bei Abwägung aller Entscheidungseinflüsse keine Alternative. Das bedeutet aber zugleich, dass unterschiedliche Interessen nicht dazu führen dürfen, dass machbare Lösungen verhindert beziehungsweise bewusst verzögert werden.

 Finnland und Schweden machen uns vor, dass politisch wie technisch die Endlagerung bewerkstelligt werden kann.

 

Abschließend machen wir einen gedanklichen Sprung in das Zentrum unserer Erde:

„Zu den natürlichen Gegebenheiten gehört, dass unser Planet seine Lebensfreundlichkeit zum großen Teil seinen radioaktiven Elementen verdankt“, heißt es im Bericht von Scinexx [1]. Planeten wie die Erde sind gewaltige Wärmemaschinen, die ihre innere Hitze an ihre Oberfläche abgegeben. Die von langlebigen Radionukliden wie Uran und Thorium erzeugte Zerfallshitze ermöglicht die Plattentektonik, hält den Geodynamo in Gang, das sind natürlichen Bewegungsvorgänge im Erdinnern bzw. auf der Erdoberfläche, treibt den Vulkanismus an und schafft das Magnetfeld, das uns weitgehend vor der kosmischen Strahlung schützt.

 Diese schweren Elemente wie Uran und Thorium entstanden im Kosmos vor allem durch energiereiche Ereignisse wie Neutronensternkollisionen oder den Kollaps sehr massereicher Sterne. Der Vorrat der Erde an radioaktivem Uran und Thorium reicht genau aus, um sowohl den Geodynamo als auch die Plattentektonik am Laufen zu halten, aber eine Überhitzung zu vermeiden. Die Erde ist in dieser Hinsicht perfekt austariert [1].

Vor der tötlichen radiologischen und thermischen Wirkung der Strahlung aus dem Erdkern schützen Erdkruste und Erdmantel.

  

[1] https://www.scinexx.de/news/kosmos/wie-viel-radioaktivitaet-braucht-die-erde/