Die Erdtemperatur: Zielverfehlung

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In Net Zero Watch [1] setzte sich Lennart Bengtsson*) kritisch mit dem 1,5 °C-Ziel auseinander:

Es ist nichts falsch daran, sich Ziele zu setzen. Es ist jedoch wichtig, zunächst sicherzustellen, dass die Ziele vernünftig und vor allem realisierbar sind. Das Formulieren irrelevanter Ziele – oder Ziele, die aus wissenschaftlichen, technischen oder wirtschaftlichen Gründen nicht erreicht werden können – nützt niemandem, schon gar nicht den Bürgern des Landes oder der Weltbevölkerung. Es hilft überhaupt nichts, egal wie geschickt die Parolen formuliert sind.

Das vielleicht unglücklichste Beispiel ist das sogenannte 1,5°C-Ziel, das keine wissenschaftliche Grundlage hat, sondern lediglich ein politischer Trick ist. Ich sage das aus folgenden Gründen:

* Es gibt keinen direkten oder einfachen Zusammenhang zwischen den Treibhausgasemissionen und der Erdtemperatur. Der IPCC hat dies in allen seinen sechs Berichten deutlich gemacht. Der Hauptgrund ist, dass wir die Klimasensitivität (die Beziehung zwischen Kohlendioxid und Temperatur) nicht gut genug kennen. Eine Verdoppelung der Treibhausgaskonzentrationen könnte die globale Temperatur im Klimagleichgewicht um 2 °C bis 5 °C erhöhen, was bedeutet, dass selbst wenn wir die Emissionen genau bestimmen können, der daraus resultierende Temperaturanstieg nicht besser als um den Faktor 2-3 bestimmt werden kann. Das einzig Sinnvolle, was getan werden kann, ist, sich auf ein Emissionsziel zu einigen, wie es beim Kyoto-Abkommen der Fall war.

* Die nicht-westliche Weltbevölkerung leidet unter Energiemangel und in vielen Teilen der Welt unter einem großen Mangel. Seit Anfang der 1970er Jahre wird Energie aus fossilen Brennstoffen (über 80 %) und Biomasse (rund 10 %) gewonnen. Dies ist immer noch der Fall. Diese Energiequellen produzieren bei der Verbrennung Kohlendioxid. Niemand hat ernsthaft darüber nachgedacht, wie diese Quellen realistisch ersetzt werden können, und vor allem nicht, wie lange es dauern wird, dies zu tun, oder ob es überhaupt möglich ist. Schweden ist hier eine leuchtende Ausnahme, dank der vernünftigen Anstrengungen früherer Generationen von Ingenieuren und Politikern und nicht der Bemühungen von heute.

* Es gibt keine verlässlichen Ergebnisse, die zeigen, dass die Welt eine Erwärmung von 1,5°C nicht verkraften kann (nur ein paar Zehntel Grad mehr als das, was bereits geschehen ist). Die Menschen, die in den heutigen Städten leben, sind bereits 2-3°C wärmer als vor 50 Jahren, aber die meisten Menschen ziehen es vor, in Städten zu leben. Europa ist heute im Durchschnitt etwas mehr als 2°C wärmer als vor 60 Jahren. Denn die Vorteile überwiegen die Nachteile, sonst würde dort niemand wohnen. Darüber hinaus hat die Anpassung – die Umsetzung technischer Maßnahmen wie funktionierende Heiz- und Kühlsysteme für Wohnungen und Arbeitsplätze – gut funktioniert. Die Probleme, die heute bestehen, sind hauptsächlich auf mangelnde Kapazitäten, Korruption und politische Inkompetenz zurückzuführen.

Am sinnvollsten ist es heute, die Gebiete der Welt zu untersuchen, die es geschafft haben, sich an raue Klimazonen anzupassen. Solche Bereiche gibt es und hat es schon immer gegeben. Die Menschen in Nordeuropa haben sich bewundernswert gut an ein raues und anspruchsvolles Winterklima angepasst. Auch anderswo ist dies den Menschen gelungen, zum Beispiel in anspruchsvollen Klimazonen wie dem äquatorialen Singapur oder Israel, Dubai, Kuwait und Saudi-Arabien in den Wüsten des Nahen Ostens.

Langfristig ist es jedoch notwendig, alternative Energiesysteme zu finden, die den Ausstoß von Treibhausgasen reduzieren. Der effektivste Weg, dies zu tun, besteht darin, die derzeitigen fossilen Energiequellen durch kostengünstigere zu ersetzen. Dies erfordert jedoch Zeit, wie insbesondere China bereits verstanden hat; Wir können uns nur wünschen, dass Europa den gleichen Realismus an den Tag legt.

Lösungen können nicht einfach bestellt werden. Wenn man auf die Tapferkeit “ehrgeiziger” Politiker oder die Ad-hoc-Ideen schreiender Teenager hört (es gibt heute keinen Mangel an beidem), besteht die Gefahr, dass mehr Probleme als Lösungen entstehen.

Soweit die Äußerung von Bengtsson.

Auch ein anderer Aspekt der Temperatur muss bedacht werden: Die Temperaturmessung. Temperaturmessungen sind nach einem alten Spruch von Meteorologen das größte Problem ihrer Zunft. Das Messverfahren hat sich in den letzten Jahrhunderten geändert hat, das technisch immer ausgereifter wurde, wodurch die Vergleichbarkeit früher und späterer Messungen deutlich erschwert ist. Auch die Vergleichbarkeit von Temperaturen, die mit unterschiedlicher Messverfahren ermittelt wurden, ist nicht zwingend gegeben. Temperaturmessungen rund um den Globus lassen sich letztlich nur mit gleichartigen Instrumenten vergleichen. Auch eine Aussage über die zeitliche Temperaturentwicklung ist nur unter dieser Bedingung möglich.

Damit ist es noch nicht getan. Auch der Tageszeitpunkt der Messungen muss festgelegt werden, wie auch die Messbedingungen vor Ort sind zu normieren. Für Messungen im Freien sehen die Vorschriften für offizielle Temperaturmessungen einen Standort zwei Meter über dem Boden auf einer freien Fläche vor. Der Messfühler muss (zunächst) abgeschaltet sein, und ein Ventilator muss die Luft durchwedeln. Das Thermometer soll nicht die eigene Wärme messen, sondern die der Luft.

Damit ist noch nicht gesagt, dass die Messumgebungen über die Jahre hinweg gleich bleiben. Bebauungen oder Bewuchs ändern die Wärmeverhältnisse. Häuser strahlen Wärme ab ebenso wie Asphaltflächen. Etliche Beobachtungsstationen mussten daher schon verlegt werden.

Was damit zum Ausdruck gebracht werden soll, dass die Aussagekraft der Temperaturentwicklung über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte hinweg sehr delikat ist, lokal betrachtet, aber erst recht weltweit. Es ist ein sehr schwieriges Unterfangen, Temperaturmesswerte über viele Jahre zu vergleichen. Die Aussagekraft von Temperaturentwicklungen über die letzten 100, 200 Jahre sogar auf eine Stelle nach dem Komma anzugeben, wie das in der heutigen Klimadiskussion üblich ist, ohne Messfehlerangabe ist daher sehr kritisch zu sehen, zumal, wenn es sich um globale Temperaturen handelt.

 

https://www.netzerowatch.com/prof-lennart-bengtsson-off-target/?mc_cid=861f0a97d4

*) Professor Lennart Bengtsson war von 1975 bis 1981 Forschungsleiter am Europäischen Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage und von 1982 bis 1990 dessen Direktor. Von 1991 bis 2000 war er Direktor des Max-Planck-Instituts für Meteorologie in Hamburg. Von 2000 bis 2015 war er Professor an der University of Reading und von 2008 bis 2013 Direktor des International Space Science Institute in Bern, Schweiz. Er ist Ehrenmitglied der American Meteorological Society, der Royal Meteorological Society und der European Geophysical Union. Dies ist eine leicht bearbeitete Version eines Blogbeitrags, der ursprünglich auf dem Blog von Det Goda Samhället erschienen ist.