Es ist nicht zu fassen: Mit ihrer Pressemitteilung vom 13. Juni 2023 kündigte die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) an, dass der bisher genannte Termin für die Fertigstellung des Endlagers Konrad 2027 für schwach- und mittelradioaktive Abfälle nicht mehr gehalten werden könne.
Diese Nachricht folgte nur wenige Wochen nach Bekanntgabe, dass die Standortsuche für ein Endlager für wärmeentwickelnde radioaktive Abfälle nicht wie vorgegeben bis 2031 erfolgen könne, sondern sich auf den Zeitraum 2046 bis 2068 verschieben würde. Man beachtete die Zeitspannen-Unsicherheit von 22 Jahren allein für die Standort-SUCHE!
Dies ist nicht nur eine Blamage, dies ist ein Beleg für die Unfähigkeit der Bundesregierung ihre selbst auferlegte gesetzliche Verpflichtung zur Einrichtung von Endlagern in angemessener Zeit zu erfüllen.
Man bedenke: Bereits 1983 wurden die Verursacher radioaktiver Abfälle aufgefordert, ihr jeweiliges Abfallaufkommen zwecks Endlagerplanung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) anzugeben. Die PTB war zu der Zeit für die Planung verantwortlich. Der Autor dieser Zeilen war als Vertreter des Wirtschaftsverbandes Kernbrennstoff-Kreislauf e.V. an der Bereitstellung der geforderten Angaben beteiligt. In der folgenden Zeit mussten die Angaben regelmäßig aktualisiert werden. Die Kostenentwicklung für die Endlagerung wie auch der Zeitpunkt der Inbetriebnahme des Endlagers waren für die Abfallverursacher aus fiskalischen Gründen wesentliche Informationen. Erstmals wurde die Inbetriebnahme noch vor 2000 in Aussicht gestellt. Danach erfolgten Verschiebungen um Verschiebungen. 2027 war der letztgenannte Termin für die Inbetriebnahme.
Bei den radioaktiven Abfällen, die in Konrad in tiefer geologischer Formation endgelagert werden sollen, handelt es sich in ihrer Art um Abfälle, die zum Beispiel in Frankreich oder Großbritannien seit Jahren oberirdisch endgelagert werden. Darin kommt zum Ausdruck, dass diese Abfälle zwar zugriffssicher und überwacht gelagert werden müssen, für die Umwelt aber von den Abfällen keine Gefährdung ausgeht.
Als Gründe der erneuten Verzögerung werden in der BGE-Pressemitteilung angegeben:
- längere Vertragsverhandlungen mit den Generalplanern
- eine Unterschätzung der Aufgabe, aktualisierte Sicherheitsanforderung im kerntechnischen Regelwerk gegen Erdbeben in die Ausführungsplanungen aller Bauwerke umzusetzen
- längere Verfahrensdauern bei atomrechtlichen Zustimmungsverfahren als angenommen.
BGE kommt im Rahmen einer Bewertung der ausstehenden Bautätigkeit zur Einschätzung, dass ein Verzug von rund zwei Jahren bestehe.
Eventuell ungewollten Einblick in die Organisationsstruktur gibt folgende Passage in der BGE-Pressemitteilung:
Die BGE wird in den kommenden Jahren ein besonderes Augenmerk auf mögliche Änderungen in den sicherheitsgerichteten Regelwerken für die Fertigstellung des Endlagers Konrad legen, um schneller reagieren zu können. Insbesondere wird die BGE sich darum bemühen, in einem kontinuierlichen Dialog mit den Auftragnehmenden sowie den Behörden zielgenauer Anforderungen zu erfassen und entsprechende Unterlagen vorzulegen. Die BGE strebt insbesondere an, im Dialog mit den Behörden eine Optimierung bei der Umsetzung des Berg- und des Atomrechts zu erzielen.
Dabei ist zu beachten: Die BGE ist eine bundeseigene Gesellschaft im Geschäftsbereich des Bundesumweltministeriums.
In der KTG-Fachinfo 12/2023 vom 23.06.2023 wird auf die Folgen für die Abfallverursacher (genauer: Ablieferungspflichtigen) hingewiesen:
Die neuerliche Verzögerung der Fertigstellung von Endlager Konrad wird wieder zu Umplanungen und Kostensteigerungen bei allen Ablieferungspflichtigen führen. Nach Einschätzung des Fachverbandes KernD dürfte die zu erwartende Verzögerung in der Praxis eher bei fünf Jahren liegen. (Diese Einschätzung teilt auch der Autor dieses Textes.)
Ende des Jahres wird darüber hinaus vom Umweltministerium Niedersachsen die Entscheidung über einen von zwei Umweltverbänden gestellten Antrag erwartet, die Genehmigung (Planfeststellungsbeschluss) für das Endlager Konrad zurückzunehmen oder zu widerrufen. Sollte dieser Fall eintreten, kann von einem Endlager Konrad künftig keine Rede mehr sein und eine Parallelentwicklung zu den HAW-Abfällen wäre offenkundig. Es darf hier daran erinnert werden, dass auch Konrad – nicht nur Gorleben – von Anfang an von Kernkraftgegnern und den GRÜNEN bekämpft wurde und von diesen auch gerade immer wieder die Frage des sinngemäß „fehlenden transparenten Such- und Findungsprozesses“ in die öffentliche Diskussion getragen wurde.
Bereits vor sieben Jahren berichteten wir: „Nukleare Entsorgung: Der Bund kommt seinen Verpflichtungen nicht nach“.