Vorsicht vor dem üblichen El-Niño-Hype

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Die Welt befindet sich wieder einmal im Griff eines halbwegs regelmäßigen Klimaalarms. Ich beziehe mich nicht auf den jüngsten Beginn des El-Niño-Zyklus, der am 4. Juli von den Vereinten Nationen “in Kraft gesetzt wurde”, sondern auf die verstärkte Rhetorik über das Tempo und das Ausmaß der Temperaturerwärmung, die solche El-Niño-Perioden immer begleitet.

Anfang dieses Monats brach das Wetter für mehrere Tage globale Temperaturrekorde, was unweigerlich zu erneuten Spekulationen über den Beginn einer galoppierenden globalen Erwärmung führte. Der Guardian fragte, ob wir mit dem Beginn eines El-Niño-Ereignisses zusätzlich zur vom Menschen verursachten globalen Erwärmung in eine unberechenbarere und gefährlichere Phase eingetreten sind.

Nun, nicht wirklich, oder zumindest nicht auf der Grundlage der Daten, die wir bisher haben. Die globalen Temperaturdaten, mit denen diese Behauptungen begründet wurden, sind natürlich vorläufig und in jedem Fall eine Mischung aus realen Daten und Eingaben von Modellen, so dass Vorsicht geboten ist. Nichtsdestotrotz wird erwartet, dass sich die Temperaturrekorde in den kommenden Monaten bestätigen werden. Die wirkliche Situation ist, wie man so schön sagt, etwas komplizierter als viele der übertriebenen Behauptungen.

Was ist El Niño?

El Niño ist eine Klimaanomalie, die durch ungewöhnliche, nicht zyklischer Meeresströmungen und Druckveränderungen im äquatorialen Pazifik entsteht. Beim El Niño erwärmt sich das Oberflächenwasser im östlichen tropischen Pazifik und das Wasser im Westen kühlt ab. Es tritt in unregelmäßigen Abständen von etwa zwei bis acht Jahren auf, meist um die Weihnachtszeit (daraus leitet sich der Name ab: Christkind). Es verursacht in verschiedenen Regionen der Erde extreme Wetterereignisse wie Dürren, Starkregen, Waldbrände oder Überschwemmungen. El Niño ist die Warmphase des ENSO-Musters, das die Wechselwirkung von Atmosphäre und Ozean beschreibt.

Das Gegenstück von El Niño ist La Niña („das Mädchen“), die Kaltphase. Das Merkmal für das Wetterphänomen La Niña, sind überdurchschnittlich hohe Luftdruckunterschiede zwischen Indonesien und Südamerika. In Südamerika ist der Luftdruck wesentlich höher als in Indonesien. Passatwind versuchen dabei, den hohen Luftdruckunterschied auszugleichen.

Aktuelle Wetterentwicklung

In den letzten Monaten war die atmosphärische Zirkulation über dem Nordatlantik ungewöhnlich. Das Azorenhoch – ein semi-permanentes Hochdruckgebiet – war viel schwächer als normal. Um dies in einen Kontext zu setzen: In den letzten zehn Jahren lag das Azorenhoch zu dieser Jahreszeit etwa oder über dem Durchschnitt. Die diesjährige Schwankung führte dazu, dass niedrige Windgeschwindigkeiten gleichzeitig mit einer sogenannten marinen Hitzewelle im Nordatlantik auftraten [1].

Die geringeren Windgeschwindigkeiten führen zu einer Verringerung der Vermischung des Oberflächenwassers mit dem kühleren Wasser darunter, wodurch die Meeresoberflächentemperaturen ansteigen können. Eine weitere Folge ist ein Rückgang des Staubtransports aus der Sahara westwärts über den Nordatlantik. Normalerweise reflektiert Saharastaub die Sonnenstrahlung zurück ins All, bevor sie die Meeresoberfläche erreicht, und kühlt sie dadurch ab. Ein weiterer Faktor ist die abnehmende Feinstaubbelastung auf der Nordhalbkugel, da die Luft über Europa und Nordamerika sauberer wird [1]. Addiert man diese Effekte zu den multidekadischen Fluktuationen der nordatlantischen Zirkulation und dem daraus resultierenden Wärmetransport, über die wir ein sehr unvollständiges Verständnis haben, dann mag man die Komplexität einer einigermaßen treffenden Analyse des Wettergeschehens begreifen.

Doch damit nicht genug, denn da ist noch der El Niño, der sich seinen Weg über die pazifischen äquatorialen Gewässer bahnt. All dies geschieht vor dem Hintergrund eines globalen Erwärmungstrends, der abgesehen von El Niño in den letzten zehn Jahren nicht oder nur einen großen Anstieg gezeigt hat.

Wenn man sich also die Wetterentwicklungen der letzten Monate und die gebrochenen Rekorde ansieht, muss man am besten eine Post-El-Niño-Analyse abwarten, ehe man voreilige und daher wahrscheinlich falsche Schlussfolgerungen aus den Hitzetagen zieht.

 

[1] https://www.netzerowatch.com/beware-habitual-el-nino-hype/?mc_cid=e6f00f2caa