Eine Herausforderung: Klimawandel in christlicher Verkündigung

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„Was hat Gott mit der Klimakatastrophe zu tun?” – Als sich der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche von Hessen-Nassau zu dieser Frage äußern sollte, da war seine Antwort: „Die ist menschengemacht!“ Allerdings: Was Volker Jung hier im Brustton der Überzeugung und mit dem Anschein eines völlig sicheren Wissens von sich gab, das sieht aus der Sicht sehr vieler Naturwissenschaftler, die sich mit diesem Thema befassen, völlig anders aus.

Da wird diskutiert, wieviel Prozent – und vorwiegend im einstelligen Bereich – menschlicher Aktivitäten wohl der jetzigen „Warmzeit“ zugeordnet werden können. Und zu wieviel Prozenten sich in welchen Teilen der Erde diese Warmzeit noch steigern kann, ehe sie wieder abklingen wird. Dazu werden Dokumente zitiert, die belegen, dass es in historischer Zeit mehrere solcher Warmzeiten gegeben hat. Besonders überzeugend die Wetterberichte aus Klosterbibliotheken und Stadtchroniken während der letzten 1200 Jahre. Auch aus anderen Kulturkreisen gibt es diese Erfahrungen, etwa aus Mittelamerika. Und über den menschlichen Erfahrungshorizont hinaus geht es dann in die Geologie, die Zeugnisse von Klimaveränderungen präsentiert aus Zeiten, als noch keine Menschen die Erde bevölkerten.

Allerdings: Um Bezugnahme auf solche Erkenntnisse hat sich Kirchenpräsident Volker Jung und haben sich andere evangelische Theologen nicht bemüht. Wenn sie schon als „Möchtegern-Naturwissenschaftler“ mitdiskutieren wollen, dann kommt es zwangsläufig zu der Frage, die ich als glaubender Christ und wohl mit vielen anderen stelle:

„Wie steht es denn um die Sicht solcher Theologen zur Frage nach einem Eingreifen Gottes in diesen Ereignisablauf?“

Denn auf diese entscheidende Frage dürfen Christen von Theologen, die den Anspruch erheben, Mittler der Botschaft Gottes zu sein, doch eine nachvollziehbare Antwort erwarten!

Vom Kindergottesdienst an über Konfirmanden- und dann weiter Religionsunterricht bis zum Abitur bin ich unterrichtet worden und habe ich gelernt, dass Gott als liebender Vater die Welt geschaffen hat, erhält und sich um seine geliebten Menschen kümmert. Und dies auch angesichts von Naturkatastrophen aller Art, deren Herr er selbstverständlich ist und bleibt. Soll nun heute ein „menschengemacht“ bei der aktuellen Klimaänderung in Teilen der Erde, die von sensationsgierigen Medien und dann Politikern zu einer „Klimakatastrophe“ aufgebaut wird, dahingehend interpretiert werden, dass Menschen hier etwas aufgebaut haben, das gegen Gottes Willen oder sogar über diesen hinaus geht? Sollte man hier oder muss man hier nicht die Christen zuerst in unserm Land und dann in verschiedenen Denominationen und weltweit fragen. ob sie Gott immer noch als Herrn der Welt und allen Geschehens in dieser Welt glauben?

In unserm Deutschland mit seinen mediengesteuerten Ängsten und seinem dramatische Ausmaße annehmenden ‚Ausstieg aus dem christlichen Glauben’, wie er als Faktum gerade wieder in den Medien berichtet wird, tut das mehr als die Hälfte der Bevölkerung nicht mehr. Und die Kirchen als organisierte Statthaltungen Gottes haben große Schwierigkeiten oder wissen überhaupt nicht mehr, wie sie ‚Staudämme’ aufbauen sollen oder können gegen dieses „Weglaufen“. Ist das weltweit so oder hauptsächlich auf Deutschland beschränkt?

Ich war in China, habe dort christliche Gemeinden besucht, mit Christen diskutiert und war tief beeindruckt von dem Glauben dieser „Geschwister im Glauben“. Christen, denen sich im Vergleich zu den Möglichkeiten unseres deutschen „Luxus-Christentums“ viele Schwierigkeiten entgegenstellen. Was müssten diese Geschwister im Glauben denken, wenn ich Ihnen bei einer nächsten Gelegenheit sagen würde, dass in Deutschland bei Fragen über die aktuellen Klimaschwankungen ein leitender Kirchenfunktionär etwa ein für ihn absolutes „menschengemacht“ verkündet als Gegensatz zu der Allmacht Gottes? Es ist mir nicht bekannt – aber ich will gerne einmal nachfragen – ob die Kommunistische Partei Chinas der Ansicht ist, dass die sich abzeichnenden Klimaschwankungen „menschengemacht“ sind. Was als Anschuldigung wegen eines Anteils Chinas daran sehr viele „Umweltschützer“ erheben und auch durch ausgewählte Fakten ergänzen.

Dass diese Klimaschwankungen in davon besonders betroffenen Gebieten unserer Erde Menschen die Lebensgrundlagen wegnehmen und Lebensplanungen zerstören, das ist eine Tatsache, die jedes derartige historische Ereignis begleitet hat – ob es nun ganz plötzlich kam wie etwa ein Vulkanausbruch oder sich langsam aufbaute, wie solche Klimaschwankungen. Und solange es diese Naturereignisse gibt, fragen davon betroffene Christen: „Wo warst Du, Gott, als dies geschah und so viele Deiner Gläubigen in den Tod riss oder für viele Jahre oder den Rest ihres Lebens unglücklich machte?“

Versuche und das Bemühen, mit dieser Frage klarzukommen, reichen dann von Verzweiflung und tiefer Resignation bis zu zornigem Aufbegehren und völliger Abwendung vom Glauben an einen Gott, den man dann nicht mehr als ‚liebevoll’ und ‚fürsorglich’ ansehen, geschweige denn lieben kann. Und wer an den Gräbern von Angehörigen gestanden hat, die solchen Naturereignissen zum Opfer gefallen sind und dennoch den Glauben an einen liebenden Gott als Vater und an einen liebenden Bruder Jesus Christus behalten hat – ich kann ihn nur bewundern. Und von einer solchen persönlichen Mit-Betroffenheit von Geschwistern im Glauben gehen dann Weg und Herausforderung dahin, nicht zu resignieren, sondern auch weiterhin anderen von Gottes Liebe und Gottes Fürsorge zu erzählen. Wie überzeugend das „Berufstheologen“ tun können, darüber zu spekulieren, das steht mir nicht zu, das ist ein anderes Thema.

Aber gerade Berichte von Katastrophen können in Gottesdiensten und Predigten die „Stunde von Laienpredigern“ werden, die in ihrem Leben oder in ihren Berufen mit schwierigen Situationen konfrontiert wurden und fertigwerden mussten und die darüber als „von Gottes guter Führung“ sprechen können. In einer real erlebten Welt, die oft genug eine andere Welt ist als die, in der Theologen ausgebildet werden.

Denn im Theologiestudium wird doch regelmäßig oder geradezu zentral zurückgegriffen auf die Erfahrungswelt der Heiligen Schrift. Und die Auslegung und Anpassung von deren Geschichten an die Umstände ‚von heute’ macht manchmal schwierige Übersetzungsarbeit notwendig. Übersetzungsarbeit, wenn es beispielsweise darum geht, von Berichten über die Rolle der Frau in verschiedenen Zusammenhängen der Bibel in Predigten Brücken zu schlagen zu der heutigen Situation von Frauen in verschiedenen Teilen der Erde. Oder über die Sicht auf Kinder damals und heute. Bei solchen Auslegungen kann großes theologisches Wissen den Weg zum Verständnis einfacher strukturierter Hörer eher belasten – was eigene Erfahrungen aus mehr als 20 Jahren Tätigkeit als Laienprediger und unzähligen gehörten Predigten von Berufstheologen bestätigen.

Um zum Anfang des „Was hat Gott mit der Klimakatastrophe zu tun?“ zurückzukommen: Das Bemühen um eine Antwort läuft immer hinaus auf die Frage nach dem persönlichem Glauben derer, die sie stellen und derer, von denen eine Antwort erwartet wird. Für an Gott Glaubende kann eine solche Antwort verbunden sein mit Aussagen der Heiligen Schrift, dass Gott auch „zornig“ sein kann und dann für eine begrenzte Zeit „Unheil“ über die Erde und seine Menschen kommen lässt. Und dann können Christen Naturereignisse – etwa von Vulkanausbrüchen bis zu Klimaschwankungen – mit schlimmen bis katastrophalen Auswirkungen als solches „Unheil“ interpretieren. Und glauben, dass solch erfahrenes Unheil – in welchen Teilen der Welt es sich auch ereignen mag – immer noch „im Rahmen der Herrschergewalt Gottes“ geschieht.

Hier hat sich ein geradezu tragisches Kapitel aktueller deutscher Theologie entwickelt. Was ihre persönlichen Studien und Erfahrungen angeht, so darf man von deutschen Theologen nicht erwarten, dass sie die Fachkenntnisse von Wissenschaftlern haben, die auf Fragen der Präklimatologie und Geologie spezialisiert sind und die aktuellen Forschungsergebnisse dazu verfolgen. Aber Theologen werden unglaubwürdig, wenn sie etwa im Hinblick auf Aussagen zu Klimaschwankungen mit spezialisierten Wissenschaftlern konkurrieren wollen:

Das „Schuster, bleib bei deinen Leisten“ gilt auch hier! Schließlich dürfte die Zahl von Wissenschaftlern, die sowohl Theologie wie auch Physik oder weitere spezialisierte naturwissenschaftliche Fächer studiert haben – in den USA und Großbritannien immer häufiger anzutreffen – in Deutschland extrem klein sein. Aber was sollen Theologen antworten, wenn sie gefragt werden, was ihr Glaube sagt zu den alles überschwemmenden Medien und den Politiker-Behauptungen? Ein ehrliches Eingeständnis „das ist außerhalb meines Kenntnisbereiches und ehe ich etwas Falsches sage, da schweige ich lieber“ verlangt eine Charakterstärke, die nur ganz ganz wenige aufbringen. Dann ist die Berufung auf ein „Ja, aber der oder die hat doch gesagt und sollte es schließlich doch wissen und im Vertrauen darauf habe ich mich in dem, was ich gesagt habe, darauf berufen“ viel einfacher, auch wenn es endlose Diskussionen eröffnen kann.

Ebenso ausweichend dann ein Berufen auf die längst widerlegte Behauptung, dass 99,7% aller Wissenschaftler diese Behauptung von „menschengemacht“ teilen oder unterstützen.

Eine Kirche, die ihren Verkündigern freistellt, sich auf solche Diskussionen und letztlich wissenschaftliche oder politische Auseinandersetzungen einzulassen, leistet ihrer Glaubwürdigkeit keinen Dienst. Ganz im Gegenteil: Sie leistet Auseinandersetzungen und Parteibildung in ihren eigenen Reihen Vorschub, wofür es beeindruckende Beispiele gibt. Letztlich wird so Grund gelegt für jene Verunsicherung, die immer mehr Kirchenglieder fragen lässt, was es bringt, in dieser evangelischen Kirche zu bleiben.

Als promovierter Physiker habe ich mich in den letzten 30 Jahren immer eingehender mit Fragen von Klimaschwankungen beschäftigt – schließlich gibt es herausfordernde Fragen dazu schon länger und an Universitäten und anderswo haben sich Arbeitskreise gebildet, in denen neue Erkenntnisse zusammengetragen, diskutiert und bewertet werden. An solchen Arbeitskreisen nehme ich teil. Aber daneben und darüber hinaus habe ich als Laienprediger der Ev.-methodistischen Kirche bald 30 Jahre lang mein Bestes gegeben zu zeigen, dass christlicher Glauben durchaus vereinbar ist mit den Ergebnissen und Diskussionen moderner Naturwissenschaft.

Zu Gottes Herrschaft gehört eben auch, was diese unsere Welt ausmacht, zusammenhält und bewegt – und das sind eben auch Naturereignisse wie „Klimaschwankungen“. Klimaschwankungen, wie sie Gott in der Geschichte schon mehrfach über den Planeten Erde hat kommen lassen – und wie er in den letzten Millionen Jahren die Menschen mehrfach durch sie hindurch geführt und bewahrt hat. Beten wir als seine Kinder und an seine Herrschaft und an seine Liebe Glaubende, dass er uns Klimaschwankungen, die auf uns zukommen, mit möglichst wenig Opfern überstehen lässt und uns dazu Mittel und Wege zeigt.