Zunehmend europäischer Widerstand gegen Netto-Null

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Eine zentrale Behauptung der Bewegung für grüne Energie ist seit langem, dass die intermittierenden “erneuerbaren Energien” – Wind und Sonne – die billigste Form der Energie liefern. Unsere Leserinnen und Leser erinnern sich, die Energiewende werde im Durchschnittshaushalt umgerechnet nicht mehr als eine Kugel Eis im Monat kosten (Trittin). Deshalb, so die Befürworter, sollte man einfach genügend Windturbinen und Sonnenkollektoren bauen, den gesamten Energieverbrauch in Elektrizität umwandeln und sich zurücklehnen und eine Zukunft mit bezahlbarer Energie ohne nachteilige Folgen für die Umwelt genießen. Unsere Politiker leben in einer ökologischen Traumwelt…

 Der rasante politische Ansturm auf den CO2-Emissionsabbau auf Netto-Null bis 2050, der von demokratischen Regierungen auf der ganzen Welt ohne Rücksicht auf Kosten und industriellen Auswirkungen verfolgt wurde, stößt endlich auf den Widerstand der Bevölkerung und auf dramatische Warnungen namhafter Industrievertreter.

Tatsache ist, dass Netto-Null von einem so überwältigenden politischen Konsens und einer Cheerleader-Presse unterstützt wurde (die es versäumt hat, ihren Job zu machen, den Konsens in Frage zu stellen), dass Kostenfragen von wenig hilfreichen Neinsagern als unnötiger Sand im Getriebe angesehen wurden.

McKinsey [1] schätzt (besser unterschätzt), dass “Netto-Null” bis 2050 global Investitionen in Höhe von fast 300 Billionen US-Dollar erfordert…

Hunderte von Milliarden Euro mussten allein in Deutschland an Subventionen aufgewandt werden, um die Erneuerbaren ans Laufen zu bringen. Die wirklichen auch künftig noch zu erwartenden Kosten der Energiewende wurden bislang verschwiegen. Schätzungen wurden erst gar nicht angestellt.

Die Beratungsfirma Ernst Young etwa beziffert die Umsetzung allein der energetischen Zielvorgaben (EU-Gebäuderichtlinie plus GEG) auf den gesamten deutschen Immobilien-Bestand mit Kosten von circa 3.000 Milliarden Euro, im Durchschnitt 1000 Euro pro Quadratmeter sanierungsbedürftiger Wohnfläche [2].

Ist überhaupt bekannt, dass nach dem IPCC MAGICC-Klimamodell [3], die Erdtemperatur bei Erreichung von Netto-Null in der gesamten westlichen Welt, im Jahr 2100 voraussichtlich um nur 0,3 Grad Celsius niedriger sein würde?… Eine Zahl, die kaum messbar ist und das in 77 Jahren…  und angenommen, das Klimamodell ist korrekt? Bezogen auf die McKinsey-Angabe sind das 10 Billionen Dollar pro 0,01 Grad Temperatur-Reduktion, die für das Jahr 2100 modelliert wurde.

Von Anfang an wurde von Menschen und Familien auch mit bescheidenem Einkommen erwartet, dass sie für den Übergang zu Netto-Null bezahlen. Die Öffentlichkeit beginnt sich zu wehren. Der allgegenwärtige Widerstand zwingt die Politiker, ihre grünen Tugendsignale aufzugeben und den Prozess zu verlangsamen oder sogar zu stoppen.

Mainstream-Politiker der Linken, der Rechten und der Mitte sprechen zwar immer noch ihre einvernehmlichen Netto-Null-Plattitüden aus, aber einige rudern von der Politik zurück, oder nehmen die Geschwindigkeit raus.

Am krassesten sei nach Ansicht von Dailymail [4] der Widerstand in Deutschland, das sich lange Zeit als Vorreiter des europäischen Übergangs zu Netto-Null gesehen hat. Die Pläne der Ampelkoalition, die Zulassung von Öl- und Gasheizung in den Häusern auslaufen zu lassen, hätten die Regierung in diesem Sommer fast zum Scheitern gebracht und mussten abgeschwächt werden. Der Druck für weitere Zugeständnisse beim EU-Verbot von Verbrennern bis 2035 wächst. Strengere Vorschriften für die Energieeffizienz von Gebäuden wurden auf Eis gelegt. Das generelle Verbot des Verbrenner-Autos wurde insoweit gestoppt, dass der Verbrenner ab 2035 mit „grünem“ Kraftstoff weiter betrieben werden darf.

Deutschlands grüne Referenzen liegen in Trümmern: In diesem Winter mussten wieder mehrere eingemottete Kohlekraftwerke in Betrieb genommen werden. „Andernfalls befürchtet die Regierung, dass die Lichter ausgehen würden.“ Eine weitere Betriebsverlängerung ist in Diskussion.

Es sei eine Wiederholung des letzten Winters, aber ernster, seit die Regierungskoalition im vergangenen Frühjahr die verbliebenen Kernkraftwerke des Landes abschalten ließ [3].

„Wenn es um Energie-Dummheit geht, ist Deutschland unter einer langen Liste von Kandidaten der klare Gewinner. Das industrielle Kraftzentrum Europas wird durch die Energiepolitik aus Berlin und Brüssel deindustrialisiert,“ schreibt die Dailymail [4].

Premierminister Rishi Sunak sei endlich klargeworden, schreibt die Dailymail [4], dass eine Bevölkerung, die bereits unter einer bösartigen Krise der Lebenshaltungskosten leidet, nicht mit der zusätzlichen Last der teuren und aufdringlichen grünen Agenda einer politischen Elite belastet werden muss. Sunak und sein Team rechtfertigten seine Kehrtwende damit, dass “Regierungen aller Couleur nicht ehrlich über die Kosten und Kompromisse waren”, weil das Streben nach Netto-Null “inakzeptable Kosten für hart bedrängte britische Familien” verursachen würde und weil “wir den Planeten nicht retten werden, indem wir das britische Volk in den Bankrott treiben”.

In Frankreich hat Präsident Macron ein Verbot von Gaskesseln ausgeschlossen und sich geweigert, ein Datum für den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen zu nennen, mit Ausnahme von Kohle, die Frankreich kaum verbraucht. Seine erste Amtszeit wurde beinahe durch die Proteste der “Gelbwesten” gegen die “grüne” Erhöhung der Kraftstoffsteuern zum Scheitern gebracht. Er habe keine Lust, diesen Umbruch zu wiederholen, heißt es bei Dailymail [4].

Die niederländischen Landwirte, die sich gegen Netto-Null aussprechen, haben ihr politisches System als Reaktion auf die landwirtschaftsfeindlichen Maßnahmen der niederländischen Regierung erschüttert. Die rechte Bauern-Bürger-Bewegung, die erst vier Jahre alt ist, ist heute die dominierende Partei im niederländischen Senat (Oberhaus) und in jeder Provinzversammlung [4].

Die Mitte-Links-Website Politico berichtet, dass “mit dem Näherrücken der Europawahlen 2024 [für das Europäische Parlament] eine bemerkenswerte Verschiebung in den wichtigsten Ländern der EU stattfindet: Die Wähler wenden sich angesichts einer steigenden Flut von Rechtspopulismus und Anti-EU-Stimmung von den grünen Parteien ab … Ein erheblicher Teil dieser Verschiebung ist auf die Unzufriedenheit der Wähler mit der Klimapolitik der EU zurückzuführen.”

Bei Bloomberg [5] ist zu lesen, die europäische Exekutive schlage eine zweijährige Verzögerung bei der Umsetzung eines Schlüsselelements ihres Rahmens für ein nachhaltiges Finanzwesen vor, da sich die Beschwerden häufen, dass die Unternehmen nicht mithalten können. Die Europäische Kommission erklärte, dass der Abbau von Bürokratie entscheidend sei, um sicherzustellen, dass die Unternehmen der Region wettbewerbsfähig bleiben, wie aus einem Dokument hervorgeht, in dem ihre Agenda für 2024 dargelegt wird. Das bedeutet, dass die Frist für die Verabschiedung sektoraler Elemente der European Sustainability Reporting Standards (ESRS), die derzeit im Juni 2024 in Kraft treten sollen, verlängert werden muss.

Die Entwicklung, heiß es weiter bei Bloomberg [5], ist das jüngste Zeichen dafür, dass sich Europa gegen seine Ambitionen wehrt, rasch auf den Klimawandel und die soziale Ungleichheit zu reagieren und seine Wirtschaft auf ein nachhaltigeres Modell auszurichten.

Überhaupt: Wozu Netto-Null? Unter den Wählern wächst das Gefühl, dass von ihnen große Opfer verlangt werden, ohne dass es dafür eine Gegenleistung gibt. Deutschland ist für weniger als 2 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich, China für fast 30 Prozent. Welchen Unterschied macht es für das Klima, eine billige Gastherme gegen eine teure Wärmepumpe zu tauschen?

China behauptet, dass seine CO2-Emissionen im Jahr 2030 ihren Höhepunkt und bis 2060 Netto-Null erreichen werden. Inzwischen aber erteilt China jede Woche die Baugenehmigung für zwei neue Kohlekraftwerke. Im vergangenen Jahr genehmigte sie eine Rekordkapazität von 106 Gigawatt (GW) für neue Kohlekraftwerke. In China sind derzeit 243 GW Kohlekraftwerkskapazität genehmigt oder im Bau. Mithin werden die globalen CO2-Emissionen ansteigen.

Die bittere Wahrheit ist, dass China und andere Teile Asiens aktuell viele neue Kohlekraftwerke bauen, dass die “Energiewende zu Netto-Null”, von der westliche Politiker so besessen sind, praktisch bedeutungslos ist [4].

 

Quellen

[1] https://www.mckinsey.com/capabilities/sustainability/our-insights/the-net-zero-transition-what-it-would-cost-what-it-could-bring

[2] https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/706135/habeck-gesteht-wie-teuer-die-heizwende-tatsaechlich-wird

[3] https://www.iamconsortium.org/resources/model-resources/magicc/

[4] https://www.dailymail.co.uk/debate/article-12603697/ANDREW-NEIL-theres-growing-public-revolt-against-net-zero-forcing-politicians-Europe-renege-green-virtue-signalling.html?mc_cid=4ff0792b62

[5] https://www.bloomberg.com/news/articles/2023-10-19/eu-proposes-delaying-some-esg-reporting-rules-amid-opposition?mc_cid=6ffbc99d7f&leadSource=uverify%20wall