Fracking-Stellungnahme aus geowissenschaftlicher Sicht

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Im Bericht „Verzicht auf Förderung von Fracking-Gas wäre nächster großer Fehler der Energiewende“ wurde bereits die Bedeutung des Fracking-Gases für Deutschland hervorgehoben.

Eine umfassende Beurteilung dieser so wesentlichen potentiellen Energiequelle aus geowissenschaftlicher Sicht wurde von dem damaligen Präsidenten der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) Prof. Dr. Hans-Joachim Kümpel gegeben und zwar in der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie des Deutschen Bundestages am 10. Juni 2015 anlässlich der Vorlage eines Gesetzentwurfes zur Ausdehnung der Bergschadenshaftung auf den Bohrlochbergbau und Kavernen‘, BT-Drs. 18/4714 [1].

In Kursivschrift wurde die von Prof. Kümpel am 22.Nov.2022 vorgenommene Aktualisierung hinzugefügt [2].

Erfahrungen mit Fracking

 Aus geowissenschaftlicher Sicht ist die Fracking-Technologie bei sachgerechter Anwendung sicher und umweltverträglich einsetzbar. Weltweit wird die Technologie seit vielen Jahrzehnten regelmäßig eingesetzt. Beim Fracking werden Tiefengesteine durch Einpressen einer Frac-Flüssigkeit – überwiegend Wasser – aufgebrochen, um im Gestein millimeterdünne künstliche Fließwege für Erdöl, Erdgas oder heißes Wasser zu erzeugen oder um, etwa für wissenschaftliche Zwecke, die Gebirgsspannung zu messen. Seit den 1960er Jahren wurden in Deutschland mehr als 300 Fracking-Maßnahmen durchgeführt, überwiegend in dichten Sandsteinformationen, meist in Tiefen von mehr als 3000 Meter. Dabei ist durch die Anwendung der Fracking-Technologie selbst kein Schadensfall aufgetreten, der zu einer Umweltbeeinträchtigung oder Grundwasserkontamination geführt hat. Aufgrund umfangreicher Vorsorgemaßnahmen und bewährter Praxis beim Bohrlochbau war das, und ist dies auch künftig, nicht zu erwarten.

In den USA wurde mittlerweile mehr als 3 Millionen mal gefrackt. Seit 2015 wurden wie zuvor Effizienz und Sicherheitsstandards fortlaufend erhöht.

Einigkeit der Fachleute

Vor jedem Abteufen einer Bohrung findet von der Erdoberfläche aus eine geologisch-geophysikalische Tiefenerkundung statt, um die spezifischen Standortbedingungen kennenzulernen. An der Durchführung und Bewertung von Fracking-Maßnahmen arbeiten in Deutschland zahlreiche Experten aus den Fachgebieten Geologie, Lagerstättenkunde, Gesteinsphysik, Seismologie, Geochemie, Hydrogeologie sowie Reservoir-, Bohrloch- und Umweltingenieurwesen zusammen – Teams gut ausgebildeter Spezialisten. Gemeinsam planen sie die jeweils erforderlichen Maßnahmen und führen sie aus. In Kenntnis dieser Situation, aber auch der kontroversen Diskussion zu Fracking in Medien und Öffentlichkeit, haben die staatlichen Geologischen Dienste Deutschlands als interessenneutrale Fachbehörden bereits 2013 gemeinschaftlich erklärt: „Sofern die gesetzlichen Regelungen und die technischen Standards eingehalten und detaillierte standortbezogene Voruntersuchungen durchgeführt werden, ist der Einsatz der Technologie aus geowissenschaftlicher Sicht sicher und umweltverträglich möglich.

Schutz des Trinkwassers im Untergrund

Einzelne Zwischenfälle in den USA, bei denen es lokal zu einer Grundwasserkontamination gekommen ist, können nicht als Beleg für drohende Gefahren bei uns gelten. Die aufgetretenen Probleme sind an Bohrungen entstanden, die in Deutschland nicht genehmigungsfähig gewesen wären. Bei uns hat der Trinkwasserschutz höchste Priorität. Dies spiegelt sich in klaren Vorschriften und hohen Genehmigungsauflagen, die von den Firmen der Erdöl- und Erdgasindustrie unter staatlicher Aufsicht der zuständigen Bergbehörden einzuhalten sind, wider. Fracking-Maßnahmen zur Erdgas- oder Erdölgewinnung dürfen in Deutschland nur in großen Sicherheitsabständen zu nutzbaren Grundwasservorkommen durchgeführt werden. Bohrungen sind nur von einem zum Untergrund komplett abgedichteten Bohrplatz zulässig; ein Versickern von Schadstoffen in den Boden wird dadurch verhindert. Bei einer Bohrung muss die Verrohrung konzentrisch als Mehrfachverrohrung ausgeführt werden. Äußere Teilverrohrungen sind mit einer Zementschicht ummantelt, innere mit empfindlichen Drucksensoren ausgestattet. Äußerst selten auftretende Leckagen werden dadurch sofort erkannt und umgehend behoben. All diese Maßnahmen stellen sicher, dass Schadstoffe nicht mit Grundwasser in Kontakt kommen können und eine Beeinträchtigung der Grundwassergüte so gut wie ausgeschlossen werden kann. Eine Gefährdung des Trinkwassers ist nach menschlichem Ermessen nicht gegeben.

Quelle: Persönliche Mittelung von Prof. Kümpel

Das Missverständnis beim Grundwasser

Die öffentlich verbreitete Vorstellung, durch Fracking würden Gifte in den natürlichen, sauberen Untergrund gepresst, ist unzutreffend. Ebenso die Ansicht, tiefe Grundwässer seien reiner als oberflächennahe. So ist Grundwasser im für die Erdöl-/Erdgasförderung besonders wichtigen Norddeutschen Becken in einer Tiefe von wenigen hundert Metern extrem salzig, enthält gelöste Gase, Schwermetalle und zahlreiche andere Stoffe, die es ungenießbar machen. Die Fracking-Flüssigkeit besteht in der Hauptsache aus Wasser. Weniger als zwei Prozent des Fluids sind Additive, die unter anderem dem Korrosionsschutz der Verrohrung dienen, den Transport von Sand als Stützmittel – zum Offenhalten der feinen Risse – ermöglichen, den pH-Wert im Bohrloch stabilisieren und die Reibung beim Flüssigkeitstransport in den kilometerlangen Rohren verringern (um Pumpenergie zu sparen). In den Tiefen, in denen das Fluid in das Gestein gepresst wird, führt es keineswegs zu einer Verschlechterung der (nicht vorhandenen) ‚Grundwassergüte‘. Um solche Befürchtungen aufzunehmen und gleichzeitig den Umgang mit Chemikalien am Bohrplatz zu minimieren, arbeitet die Industrie daran, den Chemikalienanteil weiter zu reduzieren. Eine Gefährdung flachliegender Trinkwasserhorizonte durch Einträge von der Erdoberfläche aus ist bei jeglichem Bohrplatzbetrieb auszuschließen und nicht Fracking-spezifisch.

 Verbleib der Frac-Fluide

Nach Einpressen von Frac-Fluiden mit Drücken, wie sie in der Zieltiefe herrschen, wird die Frac-Flüssigkeit teilweise rückgefördert und danach recycelt beziehungsweise sachgerecht entsorgt. Geringe Mengen können in den Gesteinen oder in den großen Vorkommen hochsalinarer Tiefenfluide verbleiben. Aufgrund ihrer vergleichsweise hohen Dichte können die Tiefenfluide nicht in höhere Stockwerke des Untergrundes aufsteigen. Der hydraulische Überdruck, der in diesen Tiefen herrscht, zeugt zudem von einer verlässlichen Abdichtung zu oberflächennahen Schichten.

Erdbebenrisiko

Befürchtungen, Fracking würde die Erdbebengefahr bei der Erdgasförderung erhöhen, sind nicht belegt. Im Gegenteil, nach allen der Wissenschaft vorliegenden Daten ist die Gewinnung von Schiefergas mittels Fracking-Technologie mit einem geringeren Erdbebenrisiko verbunden als die Erdgasförderung aus konventionellen Lagerstätten, als der herkömmliche Untertagebergbau oder die Errichtung von Stauseen.

Umwelt- und Klimaschutz

Für manche überraschend, sprechen Gesichtspunkte des Umwelt- und Klimaschutzes für eine heimische Schiefergasförderung. Strenge Genehmigungsauflagen sorgen bei uns dafür, dass im Umfeld der Bohranlagen die Umwelt geschont und nach Abschluss der Erdgasförderung der ursprüngliche Zustand wieder hergestellt wird. Der Wasserverbrauch für Fracking-Maßnahmen ist angesichts des bei uns gegebenen natürlichen Wasserdargebots vernachlässigbar. All dies ist in anderen Fördergebieten nicht immer der Fall. Lange Transportwege für Erdgaslieferungen entfallen zudem und damit auch Energieverluste durch notwendige Kompressor-Stationen entlang von Pipelines. Das Risiko von Methanlecks an Pipelines, die zu einer vergleichsweise hohen Treibhausgaswirkung führen können, wird auf ein Minimum reduziert.

Im Vergleich zu LNG aus Übersee ist die Klimabilanz inländisch geförderten Schiefergases deutlicher besser. Verflüssigen von Erdgas durch Abkühlen auf -162 °C, Verschiffen und Regasifizieren am Anlandepunkt benötigen ca. 20 % der transportierten Energie. Die damit verbundenen CO2-Emissionen belaufen sich auf 8 Millionen Tonnen CO2 (bei transportierten 20 Milliarden Kubikmeter Erdgas).

Skepsis der Bevölkerung

In der Öffentlichkeit wird das Thema Fracking kontrovers und zum Teil sehr emotional diskutiert. Große Teile der Bevölkerung sind durch Videosequenzen aus den USA verunsichert, in denen ein Wasserhahn zu sehen ist, aus dem ein entflammbares Wasser-Methan-Gemisch fließt – vorgeblich als Folge einer Fracking-Maßnahme im Untergrund. Die Sequenzen aus dem Film ‚Gasland‘ haben keinen Bezug zu Fracking, sie wurden aus dramaturgischen Gründen in den Film aufgenommen. Richtig ist, dass es Fälle gibt, in denen mit natürlich vorkommendem Methan angereicherte Grundwässer unsachgemäß und ohne entsprechende Aufbereitung zur direkten Trinkwassernutzung erschlossen wurden. Andere Aufnahmen aus den USA zeigen Satellitenfotos von zerstückelten Landschaften – durchzogen von zahllosen Bohrplätzen und Zufahrtstraßen. Auch diese Bilder stehen nicht in Zusammenhang mit den bisher in Deutschland durchgeführten Fracking-Maßnahmen und können aufgrund der technischen und gesetzlichen Anforderungen bei uns auch für die Zukunft ausgeschlossen werden.

Brauchen wir noch Erdgas?

Fast jeder von uns nutzt täglich Erdgas. Knapp die Hälfte aller Haushalte in Deutschland heizt mit Erdgas oder gebraucht es zur Warmwasseraufbereitung. Auf dem Sektor der Wärmeversorgung ist Erdgas der mit Abstand wichtigste Energieträger. Industrie und Gewerbe benötigen Erdgas zur Erzeugung von Prozessenergie. In der chemischen und pharmazeutischen Industrie ist Erdgas ein wichtiger Grundrohstoff. Durch Erdgas angetriebene Fahrzeuge gehören zu unserem Straßenbild – Anteil steigend. Ein beträchtlicher Teil des Erdgases dient der Stromerzeugung, auch bei ‚nächtlichen Flauten‘. Mit einem Anteil von gut 20 Prozent am Primärenergieverbrauch ist Erdgas nach Erdöl derzeit der in Deutschland zweitwichtigste Energielieferant. Auch bei einem raschen Fortschreiten der Energiewende wird Deutschland noch für Jahrzehnte auf Erdgas angewiesen sein. Derzeit benötigen wir pro Jahr rund 90 Milliarden Kubikmeter. Die heimische Förderung steuert nur gut zehn Prozent dazu bei – Tendenz sinkend. Den weitaus größten Anteil muss Deutschland importieren – vor allem aus Russland, Norwegen und den Niederlanden. Ohne die Fracking-Technologie werden die inländischen Reserven in etwa zehn Jahren aufgebraucht sein. Deutschland wird dann komplett von ausländischen Erdgaslieferungen abhängig sein, ähnlich wie nahezu beim Erdöl und ab 2018 bei der Steinkohle. Die Schiefergasförderung ist daher eine Option, die ernsthaft geprüft werden sollte.

Die 2015 bestehende Tendenz einer Zunahme erdgasbetriebener PKW ist durch den Anstieg bei Elektro- und Hybrid-PKW überholt. … Der Jahresbedarf an Erdgas beträgt in Deutschland nach wie vor rund 90 Milliarden Kubikmeter, der jährliche Anteil heimischer Förderung hat sich seit 2015 auf rund 5 Milliarden Kubikmeter halbiert.

Wirtschaftliches Potenzial

Die weit verbreitete Skepsis gegenüber der Fracking-Technologie hat dazu geführt, dass hierzulande das Thema Schiefergas nicht als wichtige Zukunftsoption wahrgenommen wird. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) hat in einer ersten groben und noch vorläufigen Abschätzung das Schiefergaspotenzial in Deutschland auf etwa 1000 Milliarden Kubikmeter beziffert – ein Vielfaches der bisher bekannten inländischen Erdgasreserven. Derzeit werden etwa 11 Milliarden Kubikmeter unseres Jahresverbrauchs aus konventionellen heimischen Erdgaslagerstätten gedeckt. Hätten wir eine inländische Förderung von Schiefergas in ähnlicher Größenordnung, könnte eine vollständige Importabhängigkeit bei Erdgas auf lange Sicht vermieden werden – vermutlich bis zu dem Zeitpunkt, bei dem aufgrund der Energiewende der Erdgasbedarf Deutschlands im Energiebereich durch andere Energieformen kompensiert werden kann. Auch volkswirtschaftliche Gesichtspunkte sollten bedacht werden: Ein Förderverzicht macht auf Jahrzehnte hinaus Importe von umgerechnet ca. 4 Mrd. Euro jährlich notwendig, ohne dass die Vorzüge einer inländischen Wertschöpfung genutzt werden.

Ein Festhalten am Förderverzicht macht aus heutiger Sicht Mehrkosten von deutlich mehr als 4 Mrd. Euro jährlich aus. (Genaue Abschätzungen sind wegen der Volatilität der Erdgaspreise und derzeit unbekannter Rahmenbedingungen inländischer Erdgasförderung nicht möglich.)

Herausforderung Akzeptanz

Derzeit besteht die größte Herausforderung beim Einsatz der Fracking-Technologie in dem Gewinnen von Akzeptanz. Dem trägt der Koalitionsvertrag der Bundesregierung Rechnung, der einen strengen Rechtsrahmen zum Schutz der Umwelt und des Trinkwassers mit obligatorischen Umweltverträglichkeitsprüfungen und Beteiligungen der Öffentlichkeit vorsieht. Wichtig ist, in einem ersten Schritt Pilotprojekte unter Auflagen zu ermöglichen. Dadurch können Unternehmen und die Wissenschaft genauere Aussagen zu den Vorkommen, zur Umweltverträglichkeit und zur Wirtschaftlichkeit einer möglichen Produktion treffen. Gleichzeitig kann Wissen über Aufbau und Zustand des geologischen Untergrundes und über die tatsächlichen Risiken von Umweltgefährdungen vermittelt werden. Experten sind aufgerufen, den Menschen sachlich und nachvollziehbar zu erklären, warum inländische Schiefergasressourcen und der Einsatz der Fracking-Technologie wichtige Bausteine für eine sichere und schadstoffarme Energieversorgung in Deutschland sein können. Geowissenschaftlich betrachtet ist Fracking bei sachgerechter Anwendung eine nützliche und beherrschbare Technologie.

(…) Gemeint ist der Ende 2013 abgeschlossene Koalitionsvertrag der großen Koalition der Legislatur 2013 bis 2017. Weitgehend unberechtigte Vorbehalte gegen den Einsatz der Fracking-Technologie haben 2017 entgegen der fachlichen Gegebenheiten zu einem Quasi-Frackingverbot geführt. Die im Wasserhaushaltsgesetz eingebrachten Verschärfungen und das Verbot wirtschaftlicher Erdgasgewinnung aus unkonventionellen (Tonstein)- Lagerstätten entbehren fachlicher Grundlagen und sind daher als politisch motiviert anzusehen.

 Nachnutzung der Bohrungen

Bohrplätze und Tiefenbohrungen erfordern hohe Investitionssummen. Da die Förderphase von Schiefergasbohrungen typisch nur drei bis sieben Jahre währt, bietet sich eine mehrere Jahrzehnte andauernde Nachnutzung der Bohrungen zur Gewinnung grundlastfähiger Erdwärme an (petro-thermale Geothermie).

Technische Realisierung

Bohrungen in mehrere Kilometer Tiefe mit mehrere Kilometer langen Horizontalstrecken lassen sich mit moderner Bohrtechnik in wenigen Wochen realisieren. Rein technisch kann eine Schiefergasbohrung in wenigen Monaten in Produktion gehen. Wie bei der Errichtung von LNG-Terminals 2022 praktiziert, kann das Genehmigungsverfahren durch beschleunigende Vorprüfungen erheblich verkürzt werden.

[1] https://www.researchgate.net/publication/365744699_Fracking_-Stellungnahme_aus_geowissenschaftlicher_Sicht

[2] https://www.researchgate.net/publication/365745026_BGR-BT-Anhorung_-_Update_10112022_HJK

Weitere Veröffentlichungen von Prof. Kümpel zum Fracking-Thema unter:

https://www.derpragmaticus.com/r/fracking-verbot

Swiss Bull. Angew. Geol. Vol. 21/1, 2016, S. 107 – 119

Georeport –GMIT_79, 2020, Leserbrief und Briefwechsel mit dem BMU