Grüner Wasserstoff zur Stromerzeugung: Eine utopische Vorstellung

H2

„Grüner“ Wasserstoff (H2) ist der Wunschtraum der Bundesregierung für die CO2-freie Stromerzeugung. Er soll bei der intermittierenden Stromerzeugung durch Windenergie- und Solaranlagen für eine sichere Stromversorgung sorgen. Aber: Wasserstoff ist keine Primärenergie; er muss unter Nutzung von Primärenergie erst hergestellt werden.

Über 90% des Wasserstoffs wird heute über Steamreforming erzeugt, der eingesetzte Primärenergieträger ist meist Erdgas. Der auf diese Weise erzeugte Wasserstoff wird als „blauer“ Wasserstoff bezeichnet, da bei der Ausspaltung des Erdgases CO2 entsteht.

Die Wasserelektrolyse ist zwar eine zweite ausgereifte Herstellungstechnologie für die Wasserstofferzeugung, wurde aber wegen erheblicher Mehrkosten gegenüber dem Steamreforming deutlich weniger eingesetzt. Wird für den Betrieb der Elektrolyse Ökostrom verwendet, wird der entstehende Wasserstoff als „grün“ bezeichnet, da hierbei kein CO2 anfällt. Diese Technik wird von der Bundesregierung priorisiert.

Was aber bedeutet nun die politisch geforderte elektrolytische Herstellung des Wasserstoffs mittels mit „grünem“ Strom betriebenen Elektrolyseure für den Betrieb von mindestens 20 Gaskraftwerken?

Wasserstoffbedarf

Betrachten wir nur den Wasserstoffbedarf für den Ersatz der Fossilenergie durch grünen Wasserstoff zur Stromerzeugung. Die Bruttostromerzeugung in Deutschland lag 2024 bei rund 492 TWh [1]. Die erneuerbaren Energien hatten daran einen Anteil von 284 TWh, die konventionellen Energieträger 208 TWh. Somit wäre der konventionelle Energieträgeranteil (Kohle/Gas) grob von derselben Größenordnung durch 208 TWh grünen Wasserstoff zu ersetzen.

Hingegen plant Deutschland offiziell für das Jahr 2030 mit einem Wasserstoffbedarf von nur rund 100 TWh pro Jahr. Der aktuelle Bedarf, der im Wesentlichen in der Industrie gegenwärtig benötigt wird, liegt bei etwa 55 TWh.

Elektrolyseleistung und Strombedarf

Die 208 TWh grüner Wasserstoff sind mittels grünem Strom in Elektrolyseuren zu erzeugen. Die notwendige Leistung hängt von der Effizienz der Elektrolyseure ab. Überschlägig entspricht die Energie zur Erzeugung von Wasserstoff der benötigten elektrischen Energie (in TWh) unter Berücksichtigung des Elektrolysewirkungsgrades. Typische Wirkungsgrade moderner PEM- oder Alkaline-Elektrolyseure liegen grob zwischen 65% und 75% (je nach Betriebspunkt).

Berechnungsschritte (vereinfachtes Beispiel):

  1. Nehmen wir einen Wirkungsgrad von 70%.
  2. Eingesetzte Energie = 208 TWh.
  3. Benötigte elektrische Energie bei 70% Wirkungsgrad = 208 TWh / 0.70 ≈ 297 TWh.

Dazu kommt noch der notwendige Sicherheits- und Verlustrahmen sowie Anlauf- und Betriebsverluste, aber grob wären rund 300 TWh elektrische Energie nötig, um 208 TWh Wasserstoff zu erzeugen, bei einem Wirkungsgrad um die 70% der Elektrolyseure.

Wenn man 300 TWh/a über ein volles Jahr erzeugen möchte, ist die notwendige Nettoleistung Energie pro Jahr / (Jahresstunden) = 430.000 GWh / 8.760 h ≈ 49 GW der Elektrolyseure. Berücksichtigt man Betriebsverluste, Anlaufzeiten, Wartung etc., könnte man auf ca. 50–60 GW installierte Elektrolyseleistung kommen.

Elekrolyseure im Bau bzw. Planung

Im November 2025 wurde in Emden mit dem Bau eines 320 MW-Elekrolyseurs begonnen. Die Inbetriebnahme ist für Ende 2027 geplant und dann pro Jahr rund 26.000 Tonnen grünen Wasserstoff für unterschiedliche Anwendungen bereitstellen [3].

Im friesischen Sande in der Nähe von Wilhelmshaven soll einer der größten Elektrolyseure der Welt entstehen. In der finalen Ausbaustufe soll der Wasserstoffpark über ganze 2,4 GW Anschlussleistung verfügen. Der Ausbau in Sande erfolgt schrittweise. In 2030 soll eine 400 MW-Anlage den Betrieb aufnehmen. Zu einem späteren Zeitpunkt soll die Anlage auf 800 MW verdoppelt werden. Erst langfristig soll der Ausbau auf 2,4 GW erfolgen. Das Wasser soll dem Meer entnommen werden, was eine Wasseraufbereitung notwendig macht, was zu Lasten des Wirkungsgrades geht [4].

Strombedarf kontra Kapazität

Woher soll eigentlich der Strom für die Elektrolyseure kommen? Zum Vergleich: Ein moderner Offshore-Windpark hat heute meist eine Leistung von deutlich unter einem Gigawatt (GW). Der Windpark Hollandse Kust Zuid 1–4 ist mit einer Leistung von 1,5 GW der größte in Betrieb befindliche Offshore-Windpark der Welt [2].

Überdies wird der Strombedarf durch die Elektrifizierung industrieller Einrichtungen und der KFZ-Antriebe sowie durch Großrechenzentren und KI-Nutzung künftig weiter steigen.

Produktion weltweit

Die nationalen Ziele werden weit verfehlt werden. Der Fokus und die Hoffnung auf Namibia als Retter (in der Not) hat sich als Sackgasse erwiesen. Auswege basieren auf ebenfalls unrealistischen Wünschen. Die gegenwärtig prognostizierten Zahlen für die Produktion von grünem Wasserstoff (umgerechnet in TWh) für das Jahr 2030 sind mit einem Sargnagel für die derzeitigen Pläne gleichzusetzen:

  • 63 TWh:      die globale Produktionskapazität mit finaler Investitionsentscheidung
  • 47,5 TWh:   Minimumimportbedarf Deutschlands – 3/4 der globalen Produktion
  • 91 TWh:      Maximumimportbedarf Deutschlands – übersteigt, was die ganze Welt produzieren kann

Ordnet man also die relevanten Größenordnungen global ein, so wird die Utopie deutscher Wasserstoffpläne erst so richtig deutlich. Der Bedarf Deutschlands übertrifft den Kapazitäten, die die Welt liefern kann (Stand 2025, Prognosen für 2030). Außerdem haben ja andere Länder ebenfalls Bedarf nach grünem Wasserstoff.

Um saisonale Schwankungen auszugleichen, sind zudem große Wasserstoffspeicher notwendig. Bis zu 300 TWh Speicherkapazität könnten 2050 nötig sein – etwa so viel, wie die heutigen europäischen Erdgasspeicher fassen [2].

Quantitative Potenzialabschätzung: Wasserelektrolyse in einer Wasserstoffwirtschaft 

Die Abschätzung vergleicht die Energieausbeuten verschiedener Verfahren zur Erzeugung von Wasserstoff und verschiedener Verfahren zur Nutzung von Wasserstoff, außerdem ist die stationäre Speicherung von Strom (Batterien, Pumpspeicherkraftwerke) aufgeführt [7].

  • Aufgrund der unstetigen Erzeugung von Strom aus Windkraft bzw. über Photovoltaik können die Elektrolysezellen nicht kontinuierlich am optimalen Betriebspunkt gefahren werden.

Gesamtwirkungsgrade verschiedener Nutzungsketten: 

Diese Tabellen verdeutlichen, dass die Wasserelektrolyse deutlich weniger energieeffizient ist als das Steamreforming und die Kette: Strom — Wasserstoff  — Strom besonders ineffizient ist (1 MJ Strom — 0,5 MJ Wasserstoff — 0,2 MJ Strom beim Verbraucher). Damit sind Konzepte mit Wasserelektrolysen als Komponenten eines Stromspeichersystems nicht sinnvoll. Sie stellen nur eine ultima ratio dar, wenn sich die Speicherung für fluktuierende Stromproduktion über Batterietechnologien nicht in den benötigten Dimensionen realisieren lässt.

Ein paar Daten zum Wasserstoff

Wasserstoff und erst recht grüner Wasserstoff ist viel zu wertvoll und teuer, um für die Stromerzeugung verbrannt zu werden.

Der volumetrische Heizwert von Wasserstoff beträgt 3 kWh/m3 und ist somit dreimal kleiner als der Heizwert von Erdgas, der zwischen 8,6 – 11,4 kWh/m3 liegt. Das heißt, im Vergleich zu LNG braucht man etwa das dreifache Transportvolumen von flüssigem Wasserstoff, um denselben ‚Heizwert zu transportieren’. Bezogen auf die Masse: 1 kg Wasserstoff enthält etwa 33,33 kWh Energie

1 kg Wasserstoff erzeugt ungefähr 14 kWh Strom (bei ca. 50 % Wirkungsgrad). Ein großes Kraftwerk verbraucht im Vollbetrieb Tausende Kilogramm pro Stunde. Um eine große Energiemenge wie 14 Milliarden kWh (= 14 TWh) Strom zu erzeugen, wären etwa 28 Milliarden kWh (= 28 TWh) Wasserstoff nötig, was eine massive Nachfrage darstellt.

Medienmeldungen

Der Spiegel [5] berichtete: In einer Befragung der Beratungsfirma Horváth unter 91 Versorgern aus dem deutschsprachigen Raum gaben rund 65 Prozent der Unternehmen an, sie wollten ihre Investitionen in Gasleitungen in den nächsten Jahren zurückfahren. Stattdessen wollen fast alle Befragten mehr Geld in Batterien investieren. Die Energiebranche verliert den Glauben daran, ihr Gasgeschäft mithilfe von Wasserstoff in eine klimaneutrale Zukunft zu retten. Dass die Hoffnung auf eine Wasserstoff-Zukunft schwindet, liegt auch an hohen Kosten: »Wasserstoff ist, Stand jetzt, dreimal so teuer wie Erdgas und dies wird auch in den kommenden Jahren so bleiben«, sagt Horváth-Berater Matthias Deeg. »Deshalb fehlt die Perspektive, dass es viele Abnehmer geben könnte.« Wasserstoffleitungen entstünden bislang praktisch nur mit staatlicher Förderung.

Nichtsdestotrotz bekommt Deutschland sein Wasserstoff-Netz: Mit 400 km ist der bislang größte Abschnitt des Kernnetzes in Betrieb. Der erste große Streckenabschnitt ist betriebsbereit: Die Gascade Gastransport GmbH aus Kassel hat am Donnerstag (12. Dezember) eine rund 400 km lange Verbindung bestehender Erdgasleitungen auf Wasserstofftransport umgestellt. „Flow – making hydrogen happen“ – so der Name des Umstellungsprogramms – bildet eine Nord-Süd-Achse für Wasserstofftransporte vom Ostseeraum bis nach Sachsen-Anhalt. Zugleich ist es eines der ersten sichtbaren Ergebnisse des größten Energieinfrastrukturprojekts der bundesdeutschen Geschichte [6]. Das Kernnetz insgesamt nehme deutlich schneller Gestalt an als ursprünglich geplant. Ob es in diesem Tempo weitergeht? Bis 2032 soll jedenfalls das gesamte Netz fertiggestellt sein.

 Quellen:

[1] https://www.bdew.de/energie/versorgungssicherheit-resilienz/strom/

[2] https://www.telepolis.de/article/Fraunhofer-Analyse-Europa-kann-Wasserstoffbedarf-selbst-decken-10038796.html

[3] https://www.ingenieur.de/technik/fachbereiche/energie/320-mw-fuer-emden-baubeginn-fuer-europas-wasserstoff-giganten/#google_vignette

[4] https://www.ingenieur.de/technik/fachbereiche/energie/wasserstoff-aus-meerwasser-riesige-24-gw-elektrolyse-entsteht-in-friesland/?xing_share=news

[5]

https://www.spiegel.de/wirtschaft/energiewende-energieversorger-setzen-verstaerkt-auf-stromspeicher-statt-wasserstoff-a-f6981d5a-0294-4409-929e-45cd33874cdf?xing_share=news

[6] https://www.ingenieur.de/technik/fachbereiche/energie/das-wasserstoff-kernnetz-wird-realitaet-start-von-400-km-h2-pipeline/?xing_share=news

[7] Wirkungsgrade für die Wasserstofferzeugung und Wirkungsgrad der (PEM)-Brennstoffzelle: M. Baerns et al. Technische Chemie, Wiley VCH, Weinheim 2006, S. 422, 423