Windenergie-Paradoxon: „Warum mehr Windkraftanlagen nicht immer mehr Leistung bedeuten“

Im Kindesalter musste ich mir öfter die Mahnung meiner Eltern anhören: Junge merke dir, jedes Zuviel ist schädlich. Es war zwar die Warnung vor zu viel Süßigkeiten, aber die Lebenserfahrung lehrte, diese Warnung hat größere Reichweiten. So zum Beispiel auch der maßlose Ausbau der Windenergieanlagen, der unaufhörlich voranschreitet. Sie produzieren entweder zu wenig Strom oder zu viel. Sie sind unzuverlässig und daher unwirtschaftlich.

In einem Interview mit Merkur [1] erklärte Prof. Dr. Sigismund Kobe*) ein Phänomen, das er „Übergang zum Paradoxon erneuerbarer Energien“ nennt. Seine Warnung ist eindeutig: Mehr Windkraft ins Netz könnte bald abnehmende Erträge bringen – oder gar keine mehr.

Das grundlegende Problem liegt laut Prof. Kobe in der Natur der wetterabhängigen Energie. Windenergie skaliert nicht linear so, dass die Versorgung garantiert wird. Während einer Ruhepause, wenn kein Wind weht, spielt es keine Rolle, ob du 30.000 oder 60.000 Turbinen hast. Die Ausgabe bleibt null. Eine Verdoppelung der Kapazität löst das Problem der „Dunkelflaute“ (dunkle Stagnation) nicht. Umgekehrt erzeugen die bestehenden Turbinen bei windigem Wetter oft viel mehr Strom, als das Netz bewältigen kann. Der Einbau weiterer Turbinen in diesen Perioden erhöht nur den Überschuss, der nicht genutzt werden kann, was zu erzwungenen Abschaltungen führt.

Aufbau von „nutzlosen“ Kapazitäten

Kobe argumentiert, dass Deutschland sich schnell einem „Sättigungspunkt“ nähert. Daten zeigen, dass die installierte Kapazität (das theoretische Maximum) der Windkraft zwar deutlich gewachsen ist, die tatsächliche Strommenge ins Netz jedoch nicht Schritt gehalten hat. Wir bauen im Grunde „nutzlose“ Kapazitäten, die nur dann Strom erzeugt, wenn wir bereits zu viel davon haben, während wir keinen Strom liefern, wenn wir ihn tatsächlich brauchen.

Wirtschaftliche Folgen: Für nichts bezahlen

Dieses Paradoxon ist nicht nur ein physikalisches Problem; es ist eine teure wirtschaftliche Entscheidung:

  1. Umleitungskosten: Wenn das Netz überlastet ist, müssen Netzbetreiber Windparkbesitzern dafür bezahlen, ihre Turbinen abzuschalten. Verbraucher zahlen am Ende für Strom, der nie produziert wurde.
  2. Doppelte Infrastruktur: Da Wind unzuverlässig ist, muss Deutschland eine völlig separate Flotte von „Backup“-Kraftwerken (meist gasbetrieben) unterhalten, um einzusteigen, wenn der Wind aufhört. Das bedeutet, für zwei parallele Energiesysteme zu bezahlen.

Kann Speicher uns retten?

Ohne einen Durchbruch bei massiven, erschwinglichen Speicherkapazitäten wird der Einsatz weiterer Windkraftanlagen das Netz nicht stabilisieren – es könnte es nur volatiler und teurer machen. Das übliche Gegenargument ist, dass wir einfach bessere Batterien oder Wasserstoffspeicher brauchen, sieht Prof. Kobe jedoch skeptisch. Er weist darauf hin, dass der schiere Umfang des Speicherplatzes, der nötig ist, um wochenlange Wind-Armut zu überbrücken, technisch und finanziell astronomisch ist. Die Effizienzverluste, die bei der Umwandlung von Strom in Wasserstoff und zurück entstehen, machen den resultierenden Strom unglaublich teuer.

*) Prof. em. Dr. Sigismund Kobe, Jahrgang 1940, war von 1992 bis 2006 Professor für Theorie ungeordneter Festkörper am Institut für Theoretische Physik der TU Dresden. Seit seiner Emeritierung befasst er sich intensiv mit energiewirtschaftlichen Fragestellungen, insbesondere den physikalischen Grenzen der Energiewende und der Integration erneuerbarer Energien ins Stromnetz. Er publiziert regelmäßig zu Themen der Energiepolitik und hält Vorträge zur Realisierbarkeit der deutschen Energiewende.

[1] https://www.merkur.de/wirtschaft/energiewende-paradox-erklaert-mehr-windkraft-erzeugt-nicht-mehr-strom-prof-kobe-im-interview-zr-94082975.html