Einige Punkte aus drei Berichten zur Situation im deutschen Stromnetz

Die Bundesnetzagentur (BNetzA) veröffentlicht zahlreiche Berichte über die von ihr bearbeiteten Themenbereiche, von denen hier das Stromnetz betrachtet wird. Man kann konstatieren, dass sie Daten, Fakten und Zusammenhänge objektiv darstellt. Was grundsätzlich fehlt, sind Bewertungen und Prognosen zu den voraussichtlichen Geschehnissen im Netz und selbstverständlich auch kritische Anmerkungen zu den Fehlern der Regierungspolitik, die gefährliche Situationen heraufbeschwören – schließlich ist die BNetzA eine nachgeordnete Bundesbehörde, die dem Bundeswirtschaftsministerium untersteht.

Immerhin gestatten die berichteten Daten, Fakten und Zusammenhänge fachkundigen  Lesern einen guten Einblick in die Lage. Diesen Lesern obliegt die Aufgabe, daraus ihre Schlussfolgerungen zu ziehen und diese ihrerseits allgemeinverständlich zu veröffentlichen.

Die hier vorgelegte Zusammenfassung aus drei Berichten soll zunächst Hinweise auf interessante Aussagen geben, wobei zu einigen Punkten auch Bewertungen angefügt wurden. Der Autor, der  kein Netz-Experte ist, hofft auf die Prüfung dieser (und weiterer) Berichte durch diejenigen, die es sind, und auf ihre Darlegung der ohne jeden Zweifel immer ernster werdenden Situation sowie die sich daraus ergebenden Konsequenzen.

Die angegebenen Abbildungen, Tabellen und Kapitel beziehen sich auf den jeweiligen Bericht.

Es geht um die folgenden Berichte:

  1. Monitoringbericht 2016 der Bundesnetzagentur und des Bundeskartellamtes vom 30.11.2016
  1. „Netz- und Sicherheitsmaßnahmen“ Bericht zum 1.Quartal 2016 der BNetzA, vom 11.10.2016
  1. „Feststellung des Reservekraftwerksbedarfs für den Winter 2015/2016 sowie die Jahre 2016/2017 und 2019/2020“ der BNetzA, vom 30.4.2015

Diese Berichte sind mit Hilfe der o.a. Angaben im Internet zu erhalten.

Zu Nr.1: Monitoringbericht 2016

  1. Kernaussagen und Zusammenfassung (S.9 und S.23) sowie Langtext
  1. Unterbrechungsdauer der Stromversorgung:

Sie betrug 2015 durchschnittlich 12,7 Minuten. Damit lag die Versorgungsqualität auf hohem Niveau.

  1. Redispatch (s. auch Kap. 1.3.3 , S. 25 und Kap. 5.1.1, S. 100)

Zitat: „Das Jahr 2015 war durch einen sehr hohen Redispatchbedarf gekennzeichnet.

Dazu tragen die vorzeitige Abschaltung des AKW Grafenrheinfeld, ein sehr hoher Wind-(Kraft)-Zubau, ein relativ windreiches Wetter, verspätete Umsetzung der Netzausbaumaßnahmen…….bei.“

Gesamtdauer von strom- und spannungsbedingten Redispatchmaßnahmen:

– 2015: 15.811 Stunden

– 2014:   8.453 Stunden          .

Die Redispatch-Gesamtmenge hat sich gegenüber 2014 mehr als verdreifacht und beträgt

2015 rund 16.000 GWh (1 GWh = 1000 MWh).  2014 waren es noch 5.197 GWh.

Zitat: „ Insgesamt wurden an 331 Tagen des Jahres entsprechende Eingriffe angewiesen. Somit wurde beinahe täglich ein Redispatch durchgeführt.“

(Anmerkung: Man verschweigt, wie viele Redispatch-Maßnahmen an den einzelnen Tagen des problematischen 4. Quartals durchgeführt werden mussten. Daraus könnte man nämlich ableiten, wie nahe man schon mit diesen Maßnahmen an der Grenze liegt, jenseits derer man mit allen Eingriffen nicht mehr nachkommt – somit Blackout.)

(Siehe Abb.42, S. 108, letzter Absatz).

Die veranschlagten Kosten für Redispatch 2015 wurden von den Übertragungsnetzbetreibern ÜNB (Amprion, Tennet, 50Hertz…) mit rund 412 Mio € angegeben. (s. auch Kap. 5.2, S. 107).

  1. Einspeise-Management                                                                       (Zwangsweises Abschalten störender/überflüssiger Stromeinspeisungen durch Windstrom, Solarstrom und Biomassestrom).

Die abgeschalteten Erzeuger werden für den nicht erzeugten Strom gem. EEG zu bis zu 100% „entschädigt“.

Im Bericht: Beim Einspeisemanagement hat sich die Menge der Ausfallarbeit  ( = unerwünschte, störende Einspeisungen) von 1.581 GWh im Jahre 2014 auf 4.722 GWh fast verdreifacht.

Die Summe der 2015 ausgezahlten Entschädigiungen (s.o.) betrug rund 315 Mio €.

Die geschätzten Entschädigungsansprüche für das Jahr 2015 belaufen sich auf 498 Mio €. Im Jahre 2014 waren es noch 82,69 Mio €.

(S. hierzu Abb.44, S. 111)

Zur Ausfallarbeit: (Kap. 5.2, S. 107, Abb. 41)

Die zeitliche Verteilung der durch die ÜNB verhinderten Ausfallarbeit zwischen 2009 und  2015 zeigt Abb. 41, S. 107. Die Abkürzung „EinsMan-Maßnahme“ bedeutet Einspeisemanagement-Maßnahme).

Auf diese Abb. folgt die Erläuterung der verschiedenen Ursachen für den enormen Anstieg.

Betroffen von den EinsMan-Maßnahmen war mit 77,3% die Windenergie (!) – siehe Tabelle 23 auf S. 109. Es folgte aber nicht etwa der Solarstrom (4,8%) , sondern mit 7.7%  die Biomasse-Stromerzeugung.  (Anm.: Damit war selbst die gut durch ihre Gasspeicher regelbare Stromerzeugung aus  Biomasse von EinsMan-Maßnahmen betroffen – das deutet sogar hier auf Überkapazitäten hin.)

Die über den Zeitraum des Jahres verteilte Ausfallarbeit zeigt Abb. 42, S. 108.  Auffallend: Das 4. Quartal übertrifft jedes der 3 übrigen Quartale erheblich:

Das 1. Quartal um 80%; das 2. Quartal um 180%; das 3. Quartal um 150%.

Der Grund (Zitat): Die „windstarken Wintermonate“.

Zu Nr.2: Netz- und Sicherheitsmaßnahmen….(Bericht der BNetzA v. 11.10.16)

Obwohl Stand vom 11.10.16 behandelt dieser Bericht nur das 1. Quartal.

Tabelle 1 erlaubt wenigstens einen Vergleich der Redispatch-Mengen für die 1. Quartale von 2015 und 2016.

2016                Redispatch-Menge     Menge der Einspeisungsmaßnahmen 

1. Quartal            4560 GWh                                    1511 GWh

2015                                                                                                                          

1.Quartal             3422 GWh                                   1135  GWh

 

Die Redispatchmengen 2016 sind im 1.Quartal um 33% größer als die des 1. Quartals 2015. Um ebenfalls diesen Betrag sind auch die Einspeisungsmaßnahmen höher.

Diese höhere Menge der Redispatchmengen kann natürlich auch einen Einfluss des Wetters enthalten; eine sichere Aussage über die tatsächlichen Veränderungen kann nur durch die Daten der Folgequartale 2016 zustande kommen – vor allem die des 4. Quartals.

Zu Nr.3: „Feststellung des Reservekraftwerksbedarfs für den Winter 2015/2016 …….

Eine Engpaß-Situation hatte sich am 16.3.2015 ergeben (Grund: „Sehr hohe prognostizierte Einspeisung aus EE“).

Interessant ist die Herkunft der angeforderten Reservekraftwerke:

4 x Österreich…………785 MW

1 x Deutschland………200 MW

2 x Italien………………609 MW

Somit kamen nur 13 % dieser Reserve aus Deutschland; der „Rest“ aus südlichen Nachbarländern. Reservekraftwerke im nördlicher gelegenen Deutschland scheinen Süddeutschland wegen der mehrfach beschriebenen Engpässe im Höchstspannungsnetz auf der Breite von Frankfurt/Main nicht einsetzbar zu sein.

Eine weitere interessante Information ist die über die Situation 4 Tage darauf: Am 20.3.15 gab es eine außerordentlich hohe Einspeisung durch Solarstrom:

Die Abbildung 3 auf S. 15 zeigte den Verlauf, der um die Mittagszeit eine Spitze von enormen 19.810 MW aufwies.

In Kap. 1.7  „In der Systemanalyse berücksichtigte Risiken“ werden die verschiedenen Risiken für das Netz zusammengestellt.

Angeführt werden:

1. Potentiell netztechnisch kritische Wettersituationen und Netznutzungsfälle wie Kälteperioden, Starkwindphasen, Windflauten

Anmerkung: So weit sind wir jetzt gekommen. Das Wetter – früher unerheblich – ist heute ein Risikofaktor für die Stromversorgung geworden.

2. Verzögerung der geplanten Leitungsbauvorhaben

Anmerkung: Also war die Planung ein Murks.

3. Kraftwerksnichtverfügbarkeit (z.B. in Süddeutschland: Ausfälle oder Revisionen)

Anmerkung 1: Die oben geschilderten Engpaßsituationen im März 2015 und deren Bewältigung nur mit Hilfe von überwiegend im Ausland stehenden Reservekraftwerken beleuchtet die Situation für Süddeutschland.

Anmerkung 2: Die oben angesprochene „Kraftwerksnichtverfügbarkeit“ ist eine systematisch größer werdende Gefahr, die in diesem Bericht offenbar bewusst verschwiegen wird: Der Geschäftsführer des Fachverbandes Anlagenbau (FBDR), Reinhard Maaß, hat in den vdi-nachrichten vom 28.10.2016 mitgeteilt, dass „die Sicherheit der deutschen Stromversorgung aktuell gefährdet ist, weil die Bestandsanlagen zunehmend auf Verschleiß gefahren werden“. Längst habe sich die Branche von einer vorbeugenden Instandhaltung verabschiedet. Die Investitionen für Neuanlagen seien inzwischen „fast am Nullpunkt“.

Die gesetzlich erzwungene Einspeisung von Solar- und Windstrom führe „zu einem beständigen Hoch- und Herunterfahren der Kapazitäten“ was die Kraftwerke „extrem beansprucht“. „Schäden wie Rissbildungen werden die ungeplanten Stillstandszeiten, die 2015 bereits bei 12% lagen, noch weiter nach oben treiben“. „Das Szenario für eine größere Havarie wird wahrscheinlicher.“

Der Grund für diese Situation liege bei der Energiewende: „Mit der Energiewende haben in den letzten Jahren die Strompreise eine solche Talfahrt erlebt, dass konventionelle Kraftwerke je nach Brennstoffart entweder bereits unrentabel sind oder wie bei der Braunkohle an diese Grenze kommen. Die Betreiber haben also schlichtweg nicht mehr das Geld, um hier den Verschleiß vollständig zu ersetzen, der ja zudem durch die flexible Fahrweise noch deutlich angewachsen ist.“ (Zitat-Ende)

Sehr aufschlussreich ist die Kommentierung der verbleibenden Restrisiken im Bericht Nr.3 (S. 39):

„So greift das Konzept der Reservekraftwerke nur, wenn den Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB) noch ausreichend Reaktionszeit verbleibt, um auf ein Netzproblem durch das Hochfahren eines Kraftwerks zu reagieren.“

Bewertung: Leider wird hierbei nicht weiter darauf eingegangen, wieviel Zeit denn das Hochfahren eines konventionellen Kraftwerks benötigt. In der Literatur (auch im Web) kann dazu alles gefunden werden:

  • Kaltstart von Kraftwerken mit Kesseln (Braunkohle, Steinkohle, Gas-GuD-Kraftwerke) kann man vergessen. Dauert viel zu lange.
  • Nur reine Gasturbinen-Kraftwerke können Kaltstart in Minuten. Nachteil: Geringe Leistung. Außerdem sind alle Gasturbinenkraftwerke durch den stark gesunkenen Börsenpreis, der durch die Zwangseinspeisung von „kostenlosem“ (=subventioniertem) EE-Strom niedrig gehalten wird,  bankrottgegangen. Als Reservekraftwerke müssten sie daher subventioniert werden.
  • Die Laständerungs-Geschwindigkeit aller konventionellen Kraftwerke (Warmstart) liegt im Bereich von +/- 30 MW pro Minute: Das gilt auch für moderne Braunkohlekraftwerke.

Wenn das zu langsam ist, weil die störende Veränderung viel rascher erfolgt, dann helfen die Reservekraftwerke nicht mehr. Beispielsweise ein plötzlicher Ausfall von Reservekraftwerken, die sich allmählich dem Schrottzustand nähern (s.o.).

Der somit immer näher kommende Albtraum der Netzbetreiber wird in der Systemanalyse nicht betrachtet: Der gleichzeitige Ausfall von zwei oder mehr wichtigen, voneinander unabhängigen Netzkomponenten (Kraftwerke, Leitungen, Schaltanlagen, Transformatoren)  in einer das Netz destabilisierenden Wettersituation. Das wäre der Blackout. Die äußerst zahlreichen hochproblematischen Kombinationen in diesem Szenario mag kein Systemanalytiker durchrechnen; derartige Betrachtungen würden auch als Panikmache abgewertet und abgelehnt.

Aber genau so geschahen die großen Technik-bezogenen Katastrophen, die man bereits erlebt hat. Dieser Gefahr vorzubeugen würde allerdings eine radikale Umkehr in der Energiepolitik voraussetzen.