Energiewende eine Erfolgsgeschichte? Von wegen!

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Folgt man dem Bundeswirtschaftsministerium, dann ist die Energiewende nach seiner Beurteilung eine „Erfolgsgeschichte“. So heißt es unter diesem Titel auf seiner Webseite: „Raus aus den konventionellen, rein in die erneuerbaren Energien und mehr Energieeffizienz: Dieser grundlegende Wandel ist der Kern der Energiewende. Die Energieversorgung in Deutschland soll umweltverträglich und weitgehend klimaneutral werden.“

Mittlerweile seien fast alle Vorhaben umgesetzt. Die Energiewende stünde jetzt auf rechtlich und ökonomisch sicherem Grund und sei erstmals auch europäisch durchdacht. Die Erneuerbaren seien inzwischen unsere wichtigste Stromquelle. Damit würde Deutschland immer unabhängiger sowohl von nuklearen als auch von fossilen Brennstoffen mit ihren klimaschädlichen Auswirkungen. Zugleich sei die Energieversorgung eine der sichersten weltweit und es werde weniger Energie verbraucht bei gleichzeitig wachsender Wirtschaft.

 

Große Tageszeitungen kommen zu gänzlich anderen Bewertungen, seit Jahren schon. Hier nur eine kleine Auswahl von Schlagzeilen zur Energiewende, die das belegen: „Kurzschluss bei der Energiewende“ (Die Welt 24.07.2017), „Der Ausstieg ist ein großer Fehler“ (SpiegelOnline15.11.2017), „Ökostrom: Die Baustelle“ (FAZ 10.05.2017), „Grüne Landschaftsfresser“ (Die Welt 18.04.2017), „Die Dunkelflaute bringt Deutschlands Stromversorgung ans Limit“ (Die Welt 06.02.2017), „Bis kein Storch mehr fliegt und keine Lerche mehr singt“ (Die Welt 27.07.2017), „Das falsche Vorbild“ (Züricher Zeitung 04.05.2017), „Sind die Vorreiter der Energiepolitik noch zu retten“ ( Dt. Arbeitgeberverband 16.03.2016), „Atomkraft? Ja bitte“ (FAZ 20.05.2017), „Schmutziger Irrtum“ (Die Zeit 04.12.2014), „Die Verbraucher sind die Deppen“ (Die Welt 26.01.2013).

Selbst Dena, die bundeseigene Energieagentur, hält die deutsche Klima- und Energiepolitik für engstirnig und unrealistisch. Besonders deutlich werden die Fachleute, was den Verkehr angeht. Über die Dena-Studie 3) berichtete die FAZ am 10.10.2017 mit dem Titel „Heftige Kritik an der deutschen Klimapolitik“.

Seit 2017 verfolgt das Beratungsunternehmen McKinsey halbjährlich den Fortschritt der Energiewende. Das Unternehmen bewertet ihn auf der Grundlage des energiewirtschaftlichen Dreiecks: Klima- und Umweltschutz, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit anhand von 14 Indikatoren, inwieweit sie die für 2020 geplanten Zielwerte der Energiewende erreicht haben beziehungsweise noch erreichbar sind.1) Fünf Jahre nach der ersten Bewertung falle das Ergebnis gemischt aus.

Die aktuelle Bewertung 1) von Oktober 2017 weist einen mageren Umsetzungsstatus aus. Nur fünf von 14 Indikatoren werden als „realistisch“ eingestuft, für acht ist die Zielrichtung „unrealistisch“. Ein Indikator fällt in die Kategorie „leichter Anpassungsbedarf“.

Indikatoren mit realistischem Tempo in der Zielerreichung sind unter anderem die Stromerzeugung aus Erneuerbaren, die Arbeitsplätze in stromintensiven Industrien, die nach vorübergehendem Rückgang wieder leicht zugenommen haben und die Arbeitsplätze in erneuerbaren Energien, die trotz Rückgang mit 330.000 Mitarbeitern im Zielkorridor liegen würden. McKinsey schließt nicht aus, dass dieses Ziel „mittelfristig gefährdet ist“, wenn sich der Jobabbau wie zuletzt fortsetzen sollte.

Ernüchternd ist jedoch: Diese Erfolge sind mit erheblichen direkten Subventionen mit jährlich annähernd 30 Milliarden Euro erkauft, die die privaten Haushalte und Firmen zu tragen haben, die nicht in den Genuss ermäßigter Strompreise kommen.  Dass sich die Energiewende selbst trägt, ist demnach auch 17 Jahre nach Inkrafttreten des Erneuerbare-Energien-Gesetzes nicht absehbar. Schon im vorletzten McKinsey-Bericht hieß es: „Ziele, die zu ihrer Erreichung keine direkte finanzielle Förderung erfahren, werden immer unrealistischer“.

Indikatoren mit unsicherer Zielerreichung sind, so der McKinsey-Bericht:

„Haushaltsstrompreise: Die hiesigen Strompreise sind erneut um rund 1,4 % auf 30,8 ct/kWh angestiegen – Strom in den übrigen europäischen Ländern kostet im Schnitt 20,5 ct/kWh. Der Preisabstand zum europäischen Durchschnitt hat sich damit seit Beginn der Index-Erhebung nahezu verdoppelt.“

Zur Erinnerung: Die Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte im Jahr 2011 prophezeit, die Umlage nach dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz werde 3, 53 ct/kWh nicht übersteigen. Sie beträgt aktuell 6,88 ct/kWh, fast doppelt so viel wie versprochen. Diese Umlage ist ein wesentlicher Kostentreiber.

Die Kostenspirale dreht sich bis weit ins nächste Jahrzehnt hinein unvermindert weiter. Die Hauptkostenquelle verschiebt sich dabei von der Förderung der Erneuerbaren auf den Ausbau und die Steuerung der Netze. Eine Kernherausforderung der kommenden Jahre wird es daher sein, neben Maßnahmen zur Ausgabensenkung eine angemessene Verteilung dieser Kosten zu erreichen. 2)

„Industriestrompreise: Die Stromkostenentwicklung für deutsche Industriekunden war zuletzt positiv. Mit 5,5 % fiel der Preisrückgang sehr viel deutlicher aus als im Rest Europas, wo die Preise nur um 2,4 % sanken. Das aktuelle Preisniveau von 9,65 ct/kWh liegt allerdings immer noch 13,4 % über dem europäischen Durchschnitt.“

„Kosten für Netzeingriffe: Neben den Kosten für Redispatch-Maßnahmen (kurzfristige Änderung des Kraftwerkseinsatzes auf Anordnung der Übertragungsnetzbetreiber zur Vermeidung von Netzengpässen) schließt dieser Indikator auch das Einspeisemanagement und die Vorhaltung von Reservekraftwerken mit ein. Die Netzeingriffskosten haben sich von insgesamt 7,34 €/MWh seit 2014 bereits verdoppelt.“

„Ausbau der Transportnetze: Zusätzlich zu den Ausbauplänen nach dem Energieleitungsausbaugesetz berücksichtigt der Indikator auch die Vorhaben nach dem Bundesbedarfsplangesetz. Er misst die Gesamtzahl der fertiggestellten Kilometer auf Basis beider Pläne und setzt sie in Relation zu einem Gesamtzielpfad. Für das Jahr 2020 liegt der Zielwert bei 3.582 km. Aktuell sind 816 km gebaut, damit fällt der Indikator in die Kategorie „unrealistisch.“

„Für vier weitere Indikatoren lagen zum Zeitpunkt der aktuellen Indizierung noch keine neuen Daten vor. Dadurch verbleiben weiterhin „unrealistisch“ in ihrer Zielerreichung: Die EEG-Umlage (Zielerreichung 3 %), der CO2-Ausstoß (Zielerreichung zuletzt 44 %), der Primärenergieverbrauch (Zielerreichung 46 %) und der Stromverbrauch (Zielerreichung       54 %).“

Bereits erkennbar ist, dass es nach dem aktuellen Stand die Energiewende nicht zu der 40 %- Reduktion der CO2-Emission bis 2020 kommt und damit eines ihrer vorgegebenen Hauptziele nicht erreicht wird. Nach der Dena-Studie 3) ergibt eine Fortschreibung aktueller Entwicklungen eine Treibhausgasminderung im Jahr 2050 von 60 %. Tatsächlich will die Bundesregierung bis dahin die Emissionen um 80 bis 95 % unter das Niveau von 1990 gesenkt haben.

„Die Energiewende erreicht ihre Zielvorgaben nicht.“ Zu diesem Ergebnis kommt auch Prognos 4), eines der ältesten Wirtschaftsforschungsinstitute in Europa, im 6. Monitoring der Energiewende, erstellt im Auftrag der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft auf der Basis offizieller Daten des Bundes. Die Versorgungssicherheit Deutschlands mit Strom bliebe zwar gewährleistet, die Ziele des Energiekonzeptes aber würden nicht erreicht:

  • „Die Indikatoren zur Entwicklung der Energieeffizienz lagen unter dem Zielpfad. Sie bleiben im roten Bereich und haben sich im Vergleich zum Jahr 2014 sogar verschlechtert.“ Das bedeutet, weder sinkt der Energiekonsum, noch steigt die Energieproduktivität.
  • „Die CO2-Emissionen lagen im siebten Jahr hintereinander deutlich über dem Zielpfad“.
  • „Die Strompreise für Haushalts-, Gewerbe- und vollständig EEG-pflichtige Industriekunden bleiben hoch.“
  • „Die zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit notwendigen Redispatch-Maßnahmen bleiben auf hohem Niveau“ und verschlingen jährlich nahezu eine Milliarde Euro. „Im Winterhalbjahr2015/2016 wurden doppelt so viel Reservekraftwerke kontrahiert wie im Halbjahr 2014/2015.“
  • „Der Netzausbau bleibt im Vergleich zum ursprünglichen Plan um mehrere Jahre verschoben.“

Besonders erstaunt die anfangs erwähnte Aussage des BMWi: „Die Erneuerbaren seien inzwischen unsere wichtigste Stromquelle“. Zwar übersteigt an wenigen Tagen des Jahres die Stromproduktion aus Erneuerbaren den Strombedarf an jenen Tagen. Aber derzeit ist ihr Anteil im Mittel maximal 30 %. Und wer liefert den Strom in der „Dunkelflaute“ (gängige Bezeichnung für wind- und solarfreie Tage)? Ausschließlich Fossil- und Kernkraftwerke.

Von einer „Erfolgsgeschichte“ der Energiewende kann nach den Ergebnissen dieser Studien keine Rede sein. Der Volksmund hat dafür eine passende Formulierung: „Eigenlob stinkt“.

Bei aller Kritik an der Verfehlung politischer Zielsetzungen zur CO2-Absenkung dürfen die erheblichen Zweifel an der Bedeutung der vom Menschen verursachten CO2-Emissionen für das Wettergeschehen (Treibhauseffekt) nicht unberücksichtigt bleiben. Die politischen Zielsetzungen basieren auf den Berichten des Weltklimarates IPCC. Deren Angaben über die so genannte Klimasensitivität (Anstieg der globalen Temperatur bei Verdopplung der atmosphärischen CO2-Konzentration) wird nach aktuellen Untersuchungsergebnissen namhafter Wissenschaftler 4) als eindeutig zu hoch eingestuft. Nach deren Erkenntnissen hätte der menschliche CO2-Beitrag nur einen marginalen Einfluss auf das Wettergeschehen. Betrachtet man überdies nur den deutschen CO2-Beitrag an dem globalen CO2-Emissionen, dann ist erst recht der deutsche Beitrag völlig unbedeutend. Im absoluten Missverhältnis dazu stehen die exorbitanten Kosten der Energiewende bis hin zur Dekarbonisierung, die inzwischen mit über einer Billiarde Euro beziffert werden.

(Weiterführende Berichte dazu sind ebenfalls auf dieser Webseite eingestellt.)

 

1) www.mckinsey.de/energiewendeindex

2) Energiewirtschaftliche Tagesfragen 67. Jg. (2017) Heft 10

3) dena-Leitstudie Integrierte Energiewende (Zwischenfazit), Impulse und Erkenntnisse aus dem Studienprozess, 2017

4) www.vbw-bayern.de/Redaktion/Frei-zugaengliche-Medien/Abteilungen-GS/Wirtschaftspolitik/2017/Downloads/171129-Studie_6.-Monitoring-der-Energiewende_final.pdf

5) zum Beispiel: Hermann Harde, „Was trägt CO2 wirklich zur globalen Erwärmung bei?“, 2011, ISBN 9 783842 371576