“Ohne Kernenergie wird die globale Energiewende schwierig”

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“Die Atomenergie gehört auf die Agenda der Energiepolitik” überschrieb die FAZ vom 29.5.2019 einen Artikel, der sich mit Empfehlungen im Bericht der Internationalen Energieagentur (1) befasst. Dem Bericht zufolge ist die Kernenergie weltweit die zweitgrösste Quelle von CO2-armer Elektrizität. Sie macht 10% der globalen Stromerzeugung aus und ist beim sauberen Strom nur übertroffen von der Wasserkraft mit 16%. Für hochentwickelte Volkswirtschaften – darunter die USA, Kanada, die EU und Japan – war die Kernenergie in den letzten drei Jahrzehnten die grösste CO2-arme Stromquelle und ist dies auch heute noch. Sie spielt eine wichtige Rolle bei der Versorgungssicherheit zahlreicher Länder.

Vereinzelte Länder haben aufgrund unterschiedlicher Motive beschlossen, aus der Kernenergienutzung auszusteigen. Viele andere Staaten schreiben der Kernenergie eine Rolle in ihrer Energiewende zu, unternehmen aber laut dem Bericht nicht genug für die Erreichung ihrer Ziele. Ohne gegenzusteuern, würden die Industriestaaten bis 2025 ein Viertel ihrer Kernkraftkapazitäten verlieren und zwei Drittel bis zum Jahre 2040. Das wiederum könnte zu zusätzlichen Kohlendioxidemissionen im Umfang von 4 Milliarden Tonnen CO2 führen. Das ist mehr als das Vierfache der deutschen Jahresemissionen.

Mit ihrem Bericht, den sie im Rahmen des zehnten Clean Energy Ministerials in Vancouver, Kanada, veröffentlicht hat, hofft die IEA, die Kernenergie wieder in die globale Energiedebatte einzubringen. «Ohne den wichtigen Beitrag der Kernenergie wird die globale Energiewende viel schwieriger», sagte Dr. Fatih Birol, Executive Director der IEA. «Zusammen mit Erneuerbaren, Energieeffizienz und anderen innovativen Technologien kann die Kernenergie beträchtlich zu nachhaltigen Energiezielen und einer hohen Versorgungssicherheit beitragen. Wenn jedoch die Hürden nicht überwunden werden, wird die Bedeutung der Kernenergie bald deutlich abnehmen, vor allem in den USA, Europa und Japan.»

Der Bericht der IEA hält fest, dass Laufzeitverlängerungen bei bestehenden Kernkraftwerken substantielle Investitionen bedingen. Aber die Kernenergie ist punkto Kosten konkurrenzfähig gegenüber anderen Stromerzeugungstechnologien, inklusive neuer Solar- und Windprojekte, und kann zu einer sichereren, stabileren Energiewende beitragen. Ein starker Rückgang der Kernenergiekapazitäten in hochentwickelten Volkswirtschaften hätte dagegen erhebliche Auswirkungen. Ohne zusätzliche Laufzeitverlängerungen und neue Kernkraftwerke wird es schwieriger und teurer, wichtige Nachhaltigkeits- und Klimaziele im Energiebereich zu erreichen.

Die IEA bezweifelt, dass es auf kurze oder mittlere Sicht möglich sei, die durch das Abschalten der Kernkraftwerke entstehende Lücke durch Ökostrom zu schließen. In den vergangenen 20 Jahren sei die Erzeugungskapazität von Wind- und Solarstrom in den Industriestaaten zwar um 580.000 Megawatt – rechnerisch etwa 580 Kernkraftwerke – gewachsen. Allerdings müsse dann binnen 20 Jahren die fünffache Kapazität hinzukommen, um den Wegfall der Kernkraftwerke zu kompensieren.

(1) <https://webstore.iea.org/nuclear-power-in-a-clean-energy-system> Die IEA ist eine selbständige Organisation innerhalb der OECD