Hohes Sicherheitsniveau bei der Beförderung radioaktiver Stoffe

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Mit ‚schöner’ Regelmäßigkeit werden parlamentarische Anfragen zu Beförderungen/Transporten radioaktiver Stoffe eingebracht (z.B. [1]) oder gar Forderungen zu deren Vermeidung [2] gestellt. Die Anfragen sollen zwar „für Transparenz und Nachvollziehbarkeit sorgen“, die dahinter stehende Absicht ist unverkennbar, das Risiko der Kerntechnik auf allen Ebenen zu überzeichnen und bewusst zu halten.

Die Beförderungen radioaktiver Stoffe sind, wie am Ende dieses Beitrags belegt wird, denkbar ungeeignet, etwaige hiermit verbundene Risiken der Kerntechnik zu beweisen. Speziell die mit dem Betrieb von Kernkraftwerken erforderlichen Beförderungen von radioaktiven Stoffen (Kernmaterial, frische und abgebrannte Brennelemente, radioaktive Abfälle) haben sich in der Vergangenheit als sicher und zuverlässig erwiesen. Auch sollte bekannt sein, dass von den Versandstücken keine radiologischen Belastungen zumal für die Bevölkerung an den Transportstrecken ausgehen.

An den zig Millionen Güterbeförderungen jährlich auf deutschen Straßen haben die halbe Million Versandstücke mit radioaktiven Stoffen vor allem gewichtsmäßig nur einen sehr geringen Anteil. Den zahlenmäßig größten Anteil an diesen radioaktiven Beförderungen wiederum haben radioaktive Stoffe für Mess-, Forschungs- und medizinische Zwecke.

Vorschriften

Nach dem innerstaatlichen Atomrecht unterliegen Transporte radioaktiver Stoffe oberhalb festgelegter Freigrenzen einer atomrechtlichen Genehmigungspflicht, die für Kernbrennstoffe durch das Atomgesetz und für andere radioaktive Stoffe durch Strahlenschutzgesetz und -verordnung geregelt wird. Die atomrechtlichen Genehmigungen werden nur dann erteilt, wenn alle Genehmigungsvoraussetzungen, auch die verkehrsrechtlichen Voraussetzungen, vorliegen.

Die Beförderung radioaktiver Stoffe ist der Genehmigung und Aufsicht unterworfen; um den Schutz vor Gefahren und etwaigen Schadensausgleich, aber auch um die lückenlose Kontrolle der in der Bundesrepublik befindlichen radioaktiven Stoffen und ihre Ortsveränderung sicherzustellen.

Für sämtliche radioaktiven Beförderungen gilt, dass die Sicherheit durch das Versandstück selbst gewährleistet wird. Grundlage dafür sind die Empfehlungen der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA). Die IAEA-Empfehlungen werden von den Vereinten Nationen anerkannt; sie sind von nahezu allen Mitgliedstaaten der IAEA entweder verbindlich übernommen worden oder haben als Grundlage für Internationale Transportvorschriften gedient. Eine ausführliche Zusammenstellung internationaler und nationaler Vorschriften und Organisationen im Beförderungswesen bietet die BMV Broschüre [3]. Wer jemals das „Europäische Übereinkommen über internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR)“ oder das Pendant ADN für Binnenwasserstraßen in den Händen hielt, wird angesichts der Fülle und Detailliertheit der Regelungen sich eines beeindruckenden Gefühls nicht entziehen können.

Sicherheitskonzept

Um radioaktive Stoffe weitgehend unabhängig vom Verkehrsträger und mit nur geringen operativen und administrativen Maßnahmen befördern zu können, müssen die Versandstücke von Art und Inhalt abhängige sicherheitstechnische Verpackungsanforderungen erfüllen. Je gefährlicher der Inhalt umso höher die sicherheitstechnischen Anforderungen. Auch unfallbedingte Belastungen werden dabei berücksichtigt. So müssen folgende Sicherheitsfunktionen gewährleistet sein:

 

  • dichter Einschluss des radioaktiven Inhaltes
  • Begrenzung der äußeren Dosisleistung durch sichere Abschirmung
  • Ableitung der vom Inhalt ausgehenden Wärme
  • Ausschluss des Entstehens einer nuklearen Kettenreaktion (Kritikalitätssicherheit)

Die sicherheitstechnischen Anforderungen reichen von allgemeinen Anforderungen für freigestellte Versandstücke [5] mit sehr begrenztem Inhalt, über Typ A Versandstücke mit kleineren Mengen radioaktiver Stoffe bis hin zu unfallsicheren so genannten Typ B und Typ C Versandstücken für radioaktive Stoffe hoher Aktivität. Zu den Typ B Versandstücken gehört der CASTOR-Behälter.  Die an ihn gestellten extrem hohen sicherheitstechnischen Anforderungen wurden bereits in einem gesonderten Artikel hier beschrieben.

CASTOR-Beförderung auf dem Neckar am 28.2.2017 Quelle: GNS

Grundlegende Anforderungen der verkehrsträgerspezifischen Rechtsvorschriften beziehen sich auf die Verpackung, Kennzeichnung, Dokumentation und Handhabung der gefährlichen Güter während der Beförderung. Einzelheiten wie zum Beispiel die Beschriftung auf dem Versandstück und zu den Versandstückarten werden in [3] beschrieben.

Zulassung von Transportbehältern

Im Rahmen des Gefahrgutrechts ist das „Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung“ (BASE) zuständig für die Erteilung von Bauart-Zulassungen für Transportbehälter. Das BASE prüft dabei die radiologischen Aspekte wie die Strahlenabschirmung und die Kritikalitätssicherheit [4].

Mechanische und thermische Eigenschaften, Dichtheit und Qualitätssicherung werden eigenständig von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) begutachtet und durch ein Prüfungszeugnis bestätigt. Auf Basis dieser beiden Untersuchungen erteilt das BASE die Zulassung [4].

Bewertung der Beförderungssicherheit 

Im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit wertete die Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) für den Zeitraum von 1995 bis 2013 die insgesamt 670 Vorkommnisse im Zusammenhang mit der Beförderung radioaktiver Stoffe auf öffentlichen Verkehrswegen aus [6]. In der abschließenden Bewertung heißt es (in der für gutachterliche Aussagen typischen Art):

„Die Untersuchungsergebnisse zeigen keine Hinweise auf grundlegende Defizite bei der Beförderung radioaktiver Stoffe im Untersuchungszeitraum; das Sicherheitsniveau ist demnach weiterhin als sehr hoch anzusehen.“

Die hohe Zahl an Vorkommnissen mag zunächst erschrecken, der Schreck allerdings legt sich, wenn man liest, dass „es sich bei den Vorkommnissen überwiegend um eher geringfügige Regelverstöße gegen Bestimmungen der Transportvorschriften (z.B. Fehler in der Dokumentation oder bei der Kennzeichnung von Versandstücken) sowie um unsachgemäße Handhabungs- und Betriebsabläufe bei der Beförderung radioaktiver Stoffe“ handelt. „Klassische Verkehrsunfälle und Brände auf dem Beförderungswege machen dagegen nur einen kleineren Anteil (ca. 3 %) der Transportvorkommnisse aus.“

Die obige zusammenfassende Bewertung fußt auf der wesentlichen Erkenntnis:

„Hinweise, die auf gravierende verkehrsträgerspezifische oder verpackungstypische Regelungs- und Sicherheitsdefizite hindeuten, sind aus den derzeit vorliegenden Untersuchungsergebnissen nicht erkennbar.“

Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass sich seit 2014 an diesem Ergebnis etwas geändert haben könnte.

 

[1] Deutscher Bundestag Drucksache 19/15685 vom 03.12.2019

[2] Deutsche Presseagentur „Diskussion um Atomtransporte“, 6.04.2020 über Schreiben der Grünen an den BMI, „unnötige Castortransporte in dieser ohnehin schweren Zeit zu verhindern“.

[3] Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, „Die Beförderung radioaktiver Stoffe“, 18. Auflage 10/2013

[4] https://www.base.bund.de/DE/home/home_node.html

[5] Freigestellte Versandstücke im Sinne der verkehrsrechtlichen Vorschriften sind Verpackungen, die so geringe Mengen radioaktiver Stoffe enthalten, dass sie von einigen Auslegungs- und Verwendungsvorschriften freigestellt werden. Sie müssen jedoch bestimmte Anforderungen erfüllen, z. B. muss beim Öffnen erkennbar sein, um welchen Inhalt es sich handelt. Konstruktionsanforderungen gewährleisten die ordnungsgemäße und sichere Handhabung und Stauung des Versandstücks und schließen die schädigenden Auswirkungen von Stoß, Erschütterungen, Wasseransammlung und den Qualitätsverlust des Verpackungsmaterials durch chemische, physikalische oder radiolytische Prozesse aus.

[6] GRS  – 364, Untersuchungen zur Sicherheit bei der Beförderung radioaktiver Stoffe, Abschlussbericht zum Arbeitspaket 6, September 2014, ISBN 978-3-944161-45-7