Fehlende Energiespeicher: Achillesferse der Energiewende

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Durch die Wetterabhängigkeit der Stromerzeugung aus Wind- und Sonnenenergie sind zum Ausgleich ihrer Volatilität und zur Gewährleistung ausreichender elektrischer Versorgungssicherheit nach vollständiger Umsetzung der Energiewende Energiespeicher mit einer Kapazität von etwa 12 Tagen zwingend erforderlich.  Genau hier liegt die „Achillesferse“ der Energiewende.

Energiespeicher sind ein Schlüsselelement für eine erfolgreiche Energiewende. Sie steht und fällt mit der Speicherkapazität. Wobei auch Wirtschaftlichkeit und Wirkungsgrad eine nicht unerhebliche Rolle spielen.

Pumpspeicher-Kraftwerke sind gegenwärtig die einzige im Markt etablierte, großtechnische Speicheroption. Pumpspeicher liefern im Gigawatt-Bereich mit Reaktionszeiten von teilweise unterhalb einer Sekunde und Wirkungsgraden von 80 bis fast 90 Prozent die mit Abstand größten Mengen an Speicherenergie. Wir hatten mehrfach das Thema angesprochen. Um es in Erinnerung zu rufen:

Deutschland verfügt derzeit über 35 Pumpspeicher. Die Speicherkapazität aller 35 Pumpspeicher beträgt 40 GWh. Das größte Pumpspeicher-Kraftwerk mit 1060 MW, aber mit einer maximal speicherbaren Elektroenergiemenge von nur rund 8,5 GWh befindet sich in Goldisthal, Thüringen.

Der mittlere tägliche Strombedarf in Deutschland beträgt etwa 1600 GWh, somit könnten sämtliche Speicher zusammen Deutschland nicht mal 1 Stunde mit Strom versorgen und das auch nur rein rechnerisch.

Bei der unvermeidbar vorhandenen Volatilität von Wind- und Solarstrom müssen mindestens 12 Tage mit Pumpspeicher überbrückt werden können. Die dazu notwendige Strommenge beträgt rund 19.000 GWh.

Diese Strommenge würde folglich Pi mal Daumen 2200 Pumpspeicher in der Größe von Goldisthal erforderlich machen. Ein in Deutschland unrealistisches Unterfangen.

Die vorhandenen Speicher werden derzeit ausschließlich zur Feinregulierung des Stromnetzes genutzt, d.h. zum Ausgleich leichter Stromdefizite im Netz.

Die Situation der Energiespeicher in Deutschland beschrieb die Bundesregierung auf parlamentarische Anfrage [1]. Danach waren Ende 2020 zwar 2019 Pumpspeicherkraftwerke an das deutsche Netz angeschlossen, deren Netto-Nennleistung betrug insgesamt etwa 11,3 GW, „darunter auch Pumpspeicherkraftwerke in Luxemburg und Österreich, deren Leistung nach Angaben der Bundesnetzagentur bei etwa 3,5 GW liegt.“ Sie bestätigte hierin die oben genannte Gesamtkapazität aller angeschlossenen Pumpspeicherkraftwerke von rund 40 GWh.

„Die Kapazität aller Batteriegroßspeicher in Deutschland wird mit insgesamt rund 450 MWh abgeschätzt.“

In Anbetracht notwendiger Strommengen ist ebenso die Speicherkapazität des einzigen Druckluftspeichers in Norddeutschland (Nähe Bremen) von etwa 2 GWh undiskutabel.

Die Frage nach der bis 2030 und 2050 notwendigen Speicherkapazitäten blieb unbeantwortet. In der Antwort [1] heißt es ausweichend: „Die Bedeutung von Stromspeichern hängt unter anderem davon ab, welche alternativen Flexibilitätsoptionen zur Verfügung stehen, beispielsweise steuerbare Lasten, Gaskraftwerke, Biomasseanlagen oder auch ein besserer regionaler Ausgleich von Stromerzeugung und Stromverbrauch durch Inbetriebnahme neuer Stromleitungen. Eine allgemeingültige Aussage zu einer notwendigen Mindestzahl an Stromspeichern ist vor diesem Hintergrund nicht möglich.“ Bemerkenswert, dass die Bundesregierung auch noch bis 2050 Gaskraftwerke einplant, wo doch zu dem Zeitpunkt die Klimaneutralität erreicht sein sollte.

Die sogenannte „Netzbooster“-Technologie, die die Auslastung von Übertragungsnetzen durch den Einsatz von sehr großen Stromspeichern verbessern soll, steckt noch in den Kinderschuhen. „Hierbei sollen die Batteriespeicher das Stromnetz im Fall des Ausfalls von Netzkomponenten kurativ absichern, weswegen über das ansonsten unveränderte Stromnetz mehr Strom transportierbar werden soll [1].“

Was mag die Bundesregierung zu der Aussage bewogen haben:

„Im Übrigen wirken auch aus dem benachbarten Ausland (Österreich, Schweiz, aber auch Norwegen) große Speicherkapazitäten auf den deutschen Strommarkt“? Die inländische Strom-Versorgungssicherheit kann doch wohl nicht auf ausländische Stromlieferungen angewiesen sein, zumal auch diese Länder sich bereits Sorgen über ausreichende Stromversorgung machen.

Es klingt wie der Griff nach dem Strohhalm, wenn die Bundesregierung weiterhin an Anwendungsmöglichkeiten für Batterien von Elektrofahrzeugen als Energiespeicher für das Stromnetz festhält:

„Bei entsprechendem Verbrauchs- und Erzeugungsverhalten können Batterien von Elektromobilen – wie andere Flexibilitätsanbieter – eine ausgleichende Wirkung auf dem Strommarkt haben und die von ihnen verursachte Last im Stromnetzbetrieb mindern.“

Welcher Autofahrer möchte wohl eine entleerte Batterie vorfinden, wenn er auf sein Fahrzeug angewiesen ist?

Fazit: Pumpspeicher-Kraftwerke als die einzige im Markt etablierte, großtechnische Speicheroption für den großtechnischen Einsatz von Stromspeichern sind um etwa einen Faktor 500 von der notwendigen Leistungskapazität entfernt. Ein Ausbau scheitert in erster Linie an den in Deutschland gegebenen topologischen Voraussetzungen. Wirkungsgrade, Kosten und Bürgerbegehren sind weitere Hindernisse. Technische Ansätze, die als wesentliche Lösung für die Umsetzung der Energiewende eine Rolle spielen könnten, sind auf absehbare Zeit nicht in Sicht. Keine anderen Signale gehen von der obigen Antwort der Bundesregierung aus.

Es klingt wie ein Scherz, ist aber mathematisch absolut real, was Prof. Dr.-Ing. Helmut Alt in einer uns vorliegenden Berechnung angibt, um sich eine Vorstellung von der notwendigen Pumpspeicherkapazität machen zu können: „Für die Absicherung von (nur) 5 Flautetagen wäre die Anhebung des Bodensees um 87,37 Meter erforderlich.“

 

[1] Deutscher Bundestag Drucksache 19/30853 vom 21.06.2021