Der Strompreis spielt verrückt. Wieso? Wer profitiert?

Print Friendly, PDF & Email

„Die Sonne schickt keine Rechnung“, so lautete vor Jahren der Slogan der Ökostrom-Befürworter, um für die Photovoltaik zu werben. Durch „grüne“ Energie werden die Stromkosten geringer, so deren Überzeugung.

Wenn es so wäre, würde der Ökostrom sich auf den Märkten allein durchsetzen und müsste von den Staaten nicht erzwungen und gefördert werden. Die nach Profit strebenden Unternehmen würden alleine in diesen neuen Markt hineingehen und Geld investieren, in der Erwartung der Gewinne, die sie machen können.

Die Erfahrung lehrt, wenn der Staat etwas erzwingen muss, was die Leute nicht von allein getan hätten, dann wird es teurer und nicht billiger. Angesichts der massiven staatlichen Intervention, die die Energiewende verlangt, ist die grüne Energie sogar sehr viel teurer. Deutschland hat die höchsten Stromkosten aller Industrieländer. Die Strompreise in Deutschland haben sich in den letzten 15 Jahren verdoppelt.

An den Strombörsen spielen die Strompreise aktuell verrückt. Die Preisgestaltung ist komplex und vielfach „undurchsichtig“. Interessen der Politik, von Stromerzeugern und Stromhändlern wirken hier hinein. Knappes Energieangebot scheint extrem ausgenutzt zu werden.

Stromkostenentwicklung

Vor einer Woche kostete an der European Energy Exchange (EEX) in Leipzig, dem wichtigsten Handelsplatz in Deutschland, eine Megawattstunde (MWh) rund 660 Euro – rund achtmal mehr als vor einem Jahr [1].

Der Preis am EEX-Terminmarkt für Strom für die Lieferung im nächsten Jahr 2023 beläuft sich aktuell auf 523,40 Euro/MWh. Vor einem Monat, am 29. Juli 2022, betrug der Preis 361,340 Euro/MWh. Und vor einem Jahr, am 30. August 2021, kostete die Megawattstunde 86,51 Euro [1].

Der Strompreisbildung liegt das Merit-Order-Prinzip zugrunde. Kraftwerke, die fortlaufend sehr preisgünstig Strom produzieren, werden gemäß der Merit-Order als erstes zur Einspeisung zugeschaltet. Danach werden so lange Kraftwerke mit höheren Grenzkosten hinzugenommen, bis die Nachfrage gedeckt ist.  Der „springende“ Punkt dabei ist:  Die Kosten des Kraftwerkes, das als letztes zur Bedarfsdeckung benötigt wird und das ist in der Kette das Teuerste, bestimmen den Börsenpreis für alle Kraftwerke*). Gaskraftwerke sind in der Kraftwerkskette am Teuersten. Im Juni 2022 trugen Gaskraftwerke rund 11 % zur Stromerzeugung bei.

Kraftwerke mit niedrigen Grenzkosten können also einen niedrigeren Preis für ihren Strom bieten und werden damit öfter bezuschlagt als Kraftwerke mit höheren Grenzkosten.

Fluktuierend einspeisende Photovoltaik- und Windkraftwerke mit Grenzkosten nahe bei Null stoßen in den Markt vor und verdrängen Grundlastkraftwerke und Spitzenlastkraftwerke in der Merit-Order nach hinten. Allerdings ist dies nur die halbe Wahrheit. Denn aufgrund des Erneuerbare-Energiegesetzes (EEG) hat die Einspeisung von Ökostrom ohnehin Vorrang vor der Einspeisung von Strom aus Kern- und Fossilkraftwerken.

Fällt der Ökostrom wetterbedingt aus oder ist zu gering, müssen die Kern- und Kohlekraftwerke für den Stromausgleich sorgen. Mit dem von der Politik verordneten Ausstieg aus Kernenergie und Kohle verbleiben als Option nur Gaskraftwerke, die die letzten in der Kostenkette im Sinne des Merit-Order-Prinzips sind.

Die – aufgrund des Krieges in der Ukraine – knappe Verfügbarkeit von Erdgas hat den Preis für Erdgas auf dem Weltmarkt hochschnellen lassen, mit der Folge, dass auch die Stromerzeugungskosten in die Höhe schossen. Kostentreibend wirkte sich auch der große Strombedarf aus dem Ausland (u.a. Frankreich) und die eingeschränkte Kapazität von Kohlekraftwerken in Deutschland aufgrund des Niedrigwassers in den Flüssen aus.

Hinzu kommen die Kosten für Verschmutzungsrechte, die Kraftwerksbetreiber in der EU für jede emittierte Tonne Kohlendioxid (CO₂) vorweisen müssen, deutlich gestiegen. Der CO2-Preis dient dazu, externe Kosten der CO2-Freisetzung zu internalisieren. Der CO2-Preis wird als CO2-Steuer und als CO2-Emissionshandel-System umgesetzt.

Bund und Länder einigten sich im Vermittlungsausschuss darauf, die CO2-Steuer ab Januar 2021 auf zunächst 25 Euro festzulegen. Danach steigt der Preis schrittweise bis zu 55 Euro im Jahr 2025 an. Für das Jahr 2026 soll ein Preiskorridor von mindestens 55 und höchstens 65 Euro gelten.

Der Emissionsrechtehandel (Zertifikatehandel) vollzieht sich an der Börse. Verkäufer sind Unternehmen, die ein überschüssiges CO2-Depot abstoßen wollen, Käufer sind Unternehmen, die für ihren Betrieb weitere Emissionsrechte erwerben müssen. Am 9. September 2022 zum Beispiel waren für eine Tonne CO2 66,25 US-Dollar zu zahlen.

Diese Emissionsrechte könnten sich demnächst weiter verteuern, sollten in Deutschland Gaskraftwerke eine Zeit lang durch Kohlekraftwerke ersetzt werden, wie es bereits geschieht. Denn bei der Verstromung von Kohle wird mehr CO₂ ausgestoßen. Mit der EU-Klimapolitik soll bis 2050 der CO2-Ausstoß auf null runtergefahren werden. Durch die Verknappung von Emissionsrechten werden die Preise für CO2 im europäischen Emissionshandel – gewollt – drastisch erhöht, mit dramatischen Folgen für die Wirtschaft.

Profiteure der Strompreishausse sind die Erzeuger von Ökostrom. Zwar wird derzeit, typisch für den Sommer, relativ wenig Windstrom produziert. Dennoch verdienen die Betreiber von Windparks wie auch von Solaranlagen gerade richtig viel Geld. Schließlich können diese Ökostromproduzenten ihre Elektrizität zurzeit auf dem Markt zu extrem hohen Preisen verkaufen.

Wer 15 Minuten Zeit zur Verfügung hat, möge sich das Interview mit Prof. Haferburg anhören, das nach dem Quellennachweis angefügt ist.

ANHANG

Stromhandel, Börse

Seit 2002 ist die in Leipzig ansässige „European Energy Exchange“ (EEX) ein zentraler Punkt für den Terminmarkt (langfristige Verträge) im Stromhandel. Dort versammeln sich neben den vier großen Stromversorgern – EnBW, RWE, Vattenfall und E.ON – auch lokale Energieversorger sowie Industriekonzerne. Dort wird Strom angeboten und verkauft. Der Handel von Strom ist von Angebot und Nachfrage abhängig: Erzeuger, die zu viel Strom übrighaben, können die Energie an der Börse anbieten und legen hierfür einen Preis fest. Umgekehrt passiert dies genauso.  Der Spotmarkt(kurzfristiger Handel) befindet sich an der Pariser European Power Exchange (EPEXSPOT).

Der Regelleistungsmarkt überwacht dieses hochkomplizierte Unterfangen, damit keine Störungen entstehen. Dabei handeln die Betreiber des Regelleistungsmarktes ebenfalls mit Strom. Sie kaufen beispielsweise Energie dazu, um das Stromnetz stabil zu halten.

Die meisten Stromanbieter erzeugen ihren Strom nicht selbst, sondern kaufen ihn von Stromerzeugern ein. Dazu treffen sich die Anbieter und Nachfrager zum Beispiel auf sogenannten Strombörsen oder verhandeln gleich direkt miteinander über den Strompreis (Over-the-Counter-Geschäfte, OTC). Deren Preise sind nur den beiden Akteuren bekannt und nicht öffentlich einsehbar, jedoch orientieren sie sich in der Regel am Börsenpreis [3].

Etwa die Hälfte des jährlichen Stromverbrauchs wird kurzfristig gehandelt (Spotmarkt). Für die anderen 50% werden langfristige Lieferverträge geschlossen (Terminmarkt). Wenn es um die langfristigen Lieferverträge geht, verhandeln die Parteien aktuell noch lieber direkt (56%), allerdings holt die Strombörse auf.

Strompreiszusammensetzung 2022

Der Strompreis setzt sich ab Mitte 2022 aus Steuern, Netzentgelten und den Kosten für die Energieerzeugung mit folgenden Anteilen zusammen [2]:

31,1 % staatlich veranlasste Steuern, Abgaben und Umlagen
24,7 % Nutzung der Stromnetze [Geld bekommt der Netzbetreiber]
44,2 % Stromerzeugung und Vertrieb [Geld geht an den Stromanbieter]

Die Mehrwertsteuer in Höhe von 19% wird auf alle Preisbestandteile gezahlt. In 2022 sind das 27,48 Cent + 19% MwSt = 32,7. Die Mehrwertsteuer beträgt 5,22 Cent.

 

*) Anmerkung von Dr.-Ing. Dietmar Ufer: „Die „günstigsten“ Kosten und damit die Einsatzreihenfolge werden jedoch nicht aus den Gesamtkosten der Stromerzeugung ermittelt, sondern lediglich aus den sog. „variablen Kosten“. Das sind diejenigen Kostenbestandteile, die mehr oder weniger proportional der erzeugten Strommenge sind – also in erster Linie den Brennstoff- kosten. Alle „Fixkosten“ (Kapitaldienst, Personalkosten, Wartung und Instandhaltung, Versicherungen etc.) bleiben hier unberücksichtigt.

Daraus ergibt sich, dass Wind- und PV-Anlagen mit nahezu null variablen Kosten zuerst eingesetzt werden, obwohl Strom aus diesen Anlagen bekanntlich insgesamt teurer als Strom beispielsweise aus modernen Braunkohlekraftwerken ist. Dass Biomasse-Kraftwerke, deren variable Kosten deutlich höher als die von Wind- oder Solar- anlagen sind, trotzdem vorrangig eingesetzt werden, resultiert aus den Bestimmungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, wonach die dort genannten Anlagen vorrangig einzusetzen sind.“

 

[1] Leipziger Volkszeitung, „Warum die Strompreise an der Leipziger Börse EEX so hoch sind“, 3./4. September 2022

[2] https://strom-report.de/strompreise/strompreis-zusammensetzung/#:~:text=Der%20Strompreis%20setzt%20sich%20ab%20Mitte%202022%20aus,%25%20Nutzung%20der%20Stromnetze%20%5BGeld%20bekommt%20der%20Netzbetreiber%5D

[3] https://www.forbes.com/advisor/de/strom/stromboerse/

Interview mit Prof. Haferburg: