Ziele für den Ausbau der Kernenergie in Europa

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Frankreich schmiedet Atom-Allianz gegen Deutschland“, unter diesem Titel berichteten wir über die Gründung eines Pro-Atom-Klubs in Europa. Inzwischen liegt dazu eine aktuelle Vereinbarung [1] vor. Im KTG-Fachinfo 10/2023 vom 17.05.2023 heißt es dazu wörtlich:

Am gestrigen Dienstag fand in Paris auf Einladung der französischen Energieministerin Agnès Pannier-Runacher das dritte Treffen der Staaten der Nuklearallianz in der EU statt, nach Treffen in Stockholm am 28. Februar und Brüssel am 28. März. Im Beisein der europäischen Energiekommissarin Kadri Simson haben die inzwischen 15 EU-Staaten eine Erklärung mit ambitionierten Zielen für den Ausbau der Kernenergie in Europa verabschiedet. Der Allianz gehören neben Frankreich inzwischen Belgien, Bulgarien, Estland, Finnland, Kroatien, Italien (Beobachter), die Niederlande, Polen, Rumänien, Schweden, die Slowakei, Slowenien, die Tschechische Republik und Ungarn an, das vereinigte Königreich war als Gast geladen.

Bei den Beratungen standen die Themenbereiche Aufbau einer unabhängigen europäischen supply chain für die Kernenergie und Bedarf an Kompetenz und Innovation für den Aufschwung der europäischen Nuklearindustrie im Mittelpunkt. Nach Einschätzung der Unterzeichner der gemeinsamen Erklärung solle es im Jahr 2050 in der EU eine installierte Kapazität an Kernkraft von 150 GW geben – im Vergleich zu rund 100 GW heute – was neben dem Betrieb eines Teils der bestehenden Anlagen den Neubau von 35 bis 45 großen Kernreaktoren sowie etlicher SMR-Projekte erforderlich macht. Ziel soll dabei ein gleichbleibender Anteil von 25 Prozent an der Stromerzeugung im Verbund mit erneuerbaren Energien sein. Ein solches Nuklearprogramm würde im Vergleich zur Aufrechterhaltung der heutigen Kapazität einen zusätzlichen positiven Beitrag zum europäischen Inlandprodukt in Höhe von 92 Milliarden Euro leisten, insgesamt 300.000 direkte und indirekte Arbeitsplätze schaffen und bis 2050 die Neueinstellung von 450.000 Mitarbeitern erforderlich machen. Es wird auch darauf hingewiesen, dass das als Gast geladene Vereinigte Königreich eine sehr ähnliche Nuklearstrategie verfolgt. Die Teilnehmer des Treffens unterstrichen die strategische Bedeutung der Kernkraft für die europäische Energiepolitik und ihre Ziele Energiesouveränität – einschließlich der Unabhängigkeit von Russland wie sie auch die Kooperation im Rahmen der G7 fördert – und Dekarbonisierung.

Die Unterzeichner der Erklärung streben an, dass die EU sich stärker in die Entwicklung der Nuklearindustrie einbringt und u.a. Energiesicherheit, Dekarbonisierung und Netzstabilität auf europäischer Ebene sicherstellt sowie bessere Bedingungen für die Entwicklung und Errichtung neuer Kernkraftkapazität einschließlich besseren Zugangs zu Finanzmitteln schafft. Im Bereich der Sicherheit und Entsorgung soll sich die EU für hohe Sicherheitsstandards im Sinne der internationalen best practice einsetzen und den Informationsaustausch zwischen den Aufsichtsbehörden fördern, um die Wissensbasis für die Regulierung aktueller und künftiger Reaktordesigns zu verbreitern. Gleiches soll für den Erfahrungsaustausch bei Brennstofftransporten, Wiederaufarbeitung, Transmutation und Entsorgungsfragen gelten. Auch soll die EU gemeinsame Initiativen zur Sicherung eines qualifizierten Arbeitskräftereservoirs für alle Bereiche der Kerntechnik entwickeln sowie Forschung und Innovation insbesondere hinsichtlich Laufzeitverlängerungen, kleinen und fortschrittlichen Reaktoren fördern.

Die Teilnahme Italiens an dem Treffen als Beobachter geht auf eine Parlamentsresolution vom 9. Mai zurück, in der die italienische Abgeordnetenkammer die Regierung auffordert, die Möglichkeiten zu prüfen, die Kernenergie wieder in den nationalen Energiemix zu integrieren, ein Endlager zu errichten, kleine modulare Reaktoren in Erwägung zu ziehen, die Nuklearforschung zu fördern und der europäischen Nuklearallianz beizutreten.

Ebenfalls gestern hat die französische Nationalversammlung am späten Nachmittag in letzter Lesung das Gesetz zur Beschleunigung der Verfahren in Verbindung mit dem Neubau von Nuklearanlagen in der Nähe bestehender Anlagen mit einer breiten, lagerübergreifenden Mehrheit von 399 der 577 Abgeordneten verabschiedet. Mit diesem Gesetz wurde auch die Begrenzung des Anteils der Kernenergie ab dem Jahr 2035 auf maximal 50 Prozent der Stromerzeugung sowie die Obergrenze für die installierte (Netto-)Kapazität von Kernkraftwerken in Frankreich von 63,2 GW abgeschafft. Das Projekt einer Fusion von ASN und IRSN wurde aufgeschoben und das parlamentarische Büro zur Evaluierung wissenschaftlicher und technischer Entscheidungen wurde mit der Erstellung eines Berichts zur Folgenabschätzung einer solchen Maßnahme beauftragt.

[1] https://www.euractiv.com/section/energy-environment/news/nuclear-alliance-aims-for-150-gw-of-nuclear-power-in-eu-by-2050/?mc_cid=6b3759f437