Die Netto-Null-Politik bekommt Gegenwind

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Es liegt in der Natur der Wirklichkeit, sich immer wieder neu zu behaupten. Oder wie es der römische Dichter Horaz im ersten Jahrhundert v. Chr. ausdrückte: “Man kann die Natur mit einer Mistgabel vertreiben, aber trotzdem kommt sie immer wieder.” Dieser Gedanke wird irgendwann auch für die europäische Klima- und Energiepolitik gelten.

UN-Originalton

UN-Generalsekretär António Guterres [1] reagierte vergangene Woche auf die hohen Temperaturen auf der Nordhalbkugel und erklärte brüsk, dass die Zeit der globalen Erwärmung nunmehr vorbei sei und dass vielmehr die “Ära des globalen Siedens” angebrochen sei. Als ob das nicht genug wäre, erklärte Guterres, dass “die Luft unatembar, die Hitze unerträglich ist”. Guterres’ Äußerungen sind typisch für den hochemotionalen, apokalyptischen Ton, der die Diskussion über das Klima dominiert. Die Klimahysterie der Vereinten Nationen wird vermutlich in erster Linie durch das Scheitern der internationalen Klimapolitik und die europäische Rücknahme der Netto-Null-Zusagen angetrieben und nicht durch eine kurzlebige Hitzewelle. Die Temperatur hat inzwischen längst Normalwerte erreicht.

Wir befinden uns offenbar in einem Wettrüsten extremer Sprache, in dem alle über den anderen herfallen, um sich gegenseitig zu übertreffen. Grüne Politiker und Medien fallen über jeden her, der versucht, das Narrativ um die globale Erwärmung zu entlarven – Klimaskepsis war einer der Gründe, aber niemand scheint jemals wegen Übertreibungen und Lügen in Schwierigkeiten zu geraten.

Wenn man den Leuten permanent eintrichtert, dass sie effektiv dem Untergang geweiht sind, scheint eine erschreckend hohe Zahl von Jugendlichen dies zu glauben. Eine Umfrage der University of Bath [2] aus dem Jahr 2021 unter 10.000 16- bis 25-Jährigen auf der ganzen Welt ergab, dass 56 Prozent von ihnen der Aussage zustimmten, dass die Menschheit dem Untergang geweiht ist. Das ist die Haltung, die Guterres und seinesgleichen züchten.

Auch westliche Staats- und Regierungschefs haben diese Art des Denkens übernommen. Als Antwort auf das, was viele von ihnen als das größte Problem der Welt ansehen, ist ein Ansatz, der zum Scheitern verurteilt zu sein scheint.

Realität ist eine andere

In einem neuen Bericht der Internationalen Energieagentur (IEA) vom 27. Juli mit dem Titel “Coal Market Update” stieg die weltweite Nachfrage nach Kohle, da der Rohstoff in bestimmten Teilen der Welt relativ billiger und leichter verfügbar ist als Gas.

Der weltweite Kohleverbrauch stieg im Jahr 2022 um 3,3 % auf rekordverdächtige 8,3 Milliarden Tonnen, wobei für 2023 ein weiterer Anstieg erwartet wird. Die Kohlenachfrage in China stieg im Jahr 2022 um 4,6 % auf ein neues Allzeithoch von 4,519 Milliarden Tonnen und übertraf damit die Schätzungen des Kohleberichts 2022 der IEA. Die EU verzeichnete im Jahr 2022 nur einen leichten Nachfrageanstieg von 0,9 % auf 488 Millionen Tonnen.

Steigender Kohleverbrauch bedeutet zugleich global zunehmende CO2-Emissionen. Deutschland emittierte in 2022 nach Angaben des Umweltbundesamtes 667 Millionen Tonnen CO2. Demgegenüber stiegen im Jahr 2021 allein die chinesischen Emissionen um 510 Millionen Tonnen auf 11,5 Milliarden Tonnen.  Allein ein Anstieg der Emissionen Chinas in einem Jahr macht rund Dreiviertel der deutschen Jahresemissionen aus. Von den extrem kostenträchtigen CO2 Emissionseinsparungen ganz zu schweigen, die im Kontext mengenmäßig überhaupt völlig untergehen.

Wobei erneut darauf hinzuweisen ist, dass die vom Weltklimarat IPCC postulierte Auswirkung des CO2 auf den Klimawandel wissenschaftlich unbewiesen ist (siehe dazu den letzten Satz dieses Artikels). Wie in vielen Artikeln auf dieser Webseite dargelegt, dass hat das vom Menschen erzeugte CO2, wenn überhaupt, nur einen marginalen Einfluss auf den Klimawandel hat.

Ein Reaktionstrend zeichnet sich ab

 Landauf, Landab erkennen Bürger, dass die Energiepolitik nicht das gehalten hat, was sie versprochen hat: billigere Energie, zuverlässige und umweltverträgliche Energieversorgung, eine Senkung der Inflation, gut bezahlte “grüne” Arbeitsplätze und nicht zuletzt die Beibehaltung des bisherigen Lebensstandards. Stattdessen verschandeln zunehmend mehr Windräder ihre Landschaft (selbst das energiewendefreundliche Wochenmagazin Der Spiegel räumte ein, dass “Wind und Sonne allein nicht ausreichen”), ebenso auch die Verlegung von tausenden von Kilometer Netzkabel, ober- wie unterirdisch. Das politische Gerangel um das Gebäudeenergiegesetz (GEG) und seine kostenträchtigen Folgen könnten das Fass zum Überlaufen bringen. Der nächste Winter kommt bestimmt…und ob genügend Heizgas zur Verfügung stehen wird, ist mehr Hoffnung als Sicherheit.

Es ist nicht nur das Gesetz der Physik, das eine Rückkehr zum Realismus fordert. Egal, wie oft Politiker aus Berlin oder Brüssel für Green New Deals oder für ein Europa werben, das fast ausschließlich durch Wind und Sonne mit Strom versorgt wird, die Realität beginnt sich zu wehren. In den letzten Wochen haben mehrere Länder und Bündnisse eine Pause in der Umweltgesetzgebung gefordert, unter Ihnen Frankreich, während andere die Klimaziele still und leise ganz aufgegeben haben.

In Deutschland tritt bislang nur eine Oppositionspartei für eine realistische Energiepolitik ein. Dies kommt zum Beispiel durch die Unterstützung für die Kernenergie zum Ausdruck, ein Bereich, in dem sich die Mehrheitsposition der Deutschen von einer Ablehnung zu einer Befürwortung gewandelt hat.

Tesla wirbt für seine „Gigafactory“ im Land Brandenburg zwar, wie die Schaffung von Arbeitsplätzen und Energiewende Hand in Hand gehen können. In Wahrheit steht das viel zur Schau gestellte Versprechen von Tesla, seine Fabrik ausschließlich mit erneuerbarer Energie zu versorgen, kurz davor, gebrochen zu werden. Um den Betrieb aufzunehmen, plant das US-Unternehmen den Bau eines eigenen Gaskraftwerks, um eine unterbrechungsfreie und zuverlässige Energieversorgung zu gewährleisten.

Nicht nur Tesla bricht seine Versprechen: Nach der Abschaltung der letzten Kernkraftwerke hat der deutsche Wirtschaftsminister gerade erkannt(?), dass das Land 50 neue Gaskraftwerke braucht, um künftige Blackouts zu vermeiden. Vorteilhafterweise werden Regasifizierungshäfen für LNG schneller gebaut als erneuerbare Energien und die dazu notwendige Infrastruktur, um sie zu betreiben, insbesondere Übertragungsleitungen. Sie werden bei weitem nicht so schnell gebaut, wie sie es für eine erfolgreiche Energiewende hin zu erneuerbaren Energien müssten.

Kurz bevor die EU ihren Emissionsplan verabschiedete, kündigte Deutschland eine Vereinbarung auf, den Verkauf neuer Verbrennungsmotoren in der EU bis 2035 zu verbieten.

In den Niederlanden hat sich die landwirtschaftsfreundliche Farmer-Citizen Movement (BBB) zu einer wichtigen Kraft in der niederländischen Politik entwickelt, vor allem aufgrund ihrer Kritik an dem, was sie als Umweltüberschreitung ansieht. Die Agrarlobby wird kritischer gegenüber den Klimazielen der EU. Viele der vorgeschlagenen Maßnahmen würden sich direkt darauf auswirken, wie viel Land die Landwirte nutzen und welche Art von Dünger sie ausbringen könnten [3].

Eine sehr bemerkenswerte Nachricht kommt aus Irland. Das Irish Climate Science Forum (ICSF) ist der Ansicht, dass der AR6-Synthesebericht des IPCC, Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger (SPM), schwerwiegende Mängel aufweist, da er die neuesten objektiven Klimawissenschaften und -beobachtungen ignoriert. Der ICSF lehnt daher diesen neuesten IPCC- Synthesebericht SPM als geeignete Grundlage für eine wirklich nachhaltige Politikgestaltung durch die irische Regierung ab und fordert eine grundlegende Überprüfung ihres Klimaschutzplans 2023 (CAP23) im Lichte objektiver Klimawissenschaft, der Erfordernisse von Energie und Ernährungssicherheit und wirtschaftliche Erschwinglichkeit. Auch wächst in Irland der Widerstand von Landwirte gegen EU-Pläne bis zu 200.000 Kühe zu töten, um den Methanausstoß zu reduzieren.

In Großbritannien warnt seit Jahren The Sun Politiker, dass die Wähler es nicht tolerieren werden, im wahnsinnigen Wettlauf um Netto-Null mit Strafkosten belangt zu werden. Sowohl innerhalb der Labour- als auch in der Tory-Führung werden Stimmen lauter, die das britische Engagement für Netto-Null kritisieren [3]. Der ehemalige Vorsitzende der Labour Party Tony Blair sorgte für Aufruhr, in dem er einseitige Maßnahmen gegen den Klimawandel in Frage stellte. Blair nannte den Klimawandel “die größte globale Herausforderung”, bevor er über die britischen Bemühungen zur Reduzierung der Kohlenstoffemissionen sagte: “Verlangen Sie von uns nicht, dass wir viel tun, wenn alles, was wir in Großbritannien tun, den Klimawandel nicht wirklich beeinflussen wird.“

Italien unter der Führung von Georgien Meloni hat versprochen, einen pragmatischeren und weniger ideologischen Ansatz in Bezug auf den Klimawandel zu verfolgen, während Schwedens neue Regierung ihr Ziel von 100 Prozent erneuerbaren Energien bis 2045 aufgegeben hat. Sie wird die Weiterentwicklung der Kernenergie weiter unterstützen.

Der französische Präsident Emmanuel Macron hat sich besorgt über die Auswirkungen der grünen Regeln der EU auf die Energieversorgung Frankreichs geäußert. So wie es aussieht, unterstützt der Green Deal der EU nur erneuerbare Energien. Aber das schließt die größte Energiequelle Frankreichs aus – nämlich die Kernenergie, die kohlenstofffrei, aber nicht erneuerbar ist. Macron fordert Brüssel vernünftigerweise auf, die französische Kernenergie als “grün” einzustufen.

Traditionelle Parteien, die nicht immer größere Stimmenanteile an Parteien am politischen Rand verlieren wollen, werden diese neue Skepsis gegenüber Umwelt- und Klimazielen früher oder später ernst nehmen müssen. Die meisten Menschen werden nicht für Parteien stimmen, die im Austausch für eine Klimapolitik einen niedrigeren Lebensstandard bieten, und wenn man davon ausgeht, dass die meisten Politiker Opportunisten sind, wird es letztendlich die Klimaagenda sein, die in den Hintergrund treten wird. Die Frage ist nicht mehr wann, sondern nur noch wie schnell.

Die Öffentlichkeit ist sicherlich besorgt um die Umwelt, was sich in den Entscheidungen und Verhaltensweisen der Verbraucher zeigt, aber sie ist nicht bereit, sich für dumm verkaufen zu lassen. Umfragen sagen das schon seit langem: Zwar gibt es in der Öffentlichkeit Unterstützung für Netto-Null-Ziele und andere grüne Maßnahmen, aber diese Unterstützung schwindet schnell, wenn die Menschen nach den derzeit vorgeschlagenen Kompromissen gefragt werden.

Die Kritik am IPCC reißt nicht ab. Äußerst kritische Aussagen von 46 ehemaligen IPCC-Wissenschaftlern an der Arbeitsweise des IPCC veröffentlichte Electroverse [4] im Juni 2023.

Nach Ansicht von Prof. Roger Pielke [5] hat sich der IPCC weit von seiner Rolle entfernt, die wissenschaftliche Literatur zur Unterstützung der Politikgestaltung zu bewerten. Sie hat zunehmend eine Haltung der expliziten politischen Interessenvertretung eingenommen und dabei die relevante Wissenschaft ignoriert und sogar falsch dargestellt. „Der IPCC muss komplett überarbeitet werden.“

Eine Bestätigung dieser Ansicht lieferte Timothy Wirth, ehemaliger Präsident der UN-Stiftung [4], der mit seiner Aussage sich und die IPCC disqualifizierte:

„Wir müssen das Pferd „globale Erwärmung“ immer weiter reiten. Selbst wenn die Theorie der globalen Erwärmung falsch ist, werden wir in Bezug auf die Wirtschafts- und Umweltpolitik das Richtige tun.“  

 

[1] https://twitter.com/NetZeroWatch/status/1684981225990041601/photo/1

[2] https://www.spectator.co.uk/article/if-the-air-is-unbreathable-how-is-the-un-still-here/?mc_cid=6fa8a08ead

[3] https://brusselssignal.eu/2023/07/waking-up-to-reality-there-is-a-europe-wide-push-back-against-net-zero/?mc_cid=92186956b4

[4] https://electroverse.info/climate-change-denying-statements-by-former-ipcc-scientists/

[5] https://rogerpielkejr.substack.com/p/has-the-ipcc-outlived-its-usefulness