Das Problem der Entsorgung von Windradblättern weiterhin ungelöst

Unzureichendes Recycling, zu geringe Rückstellungen, fehlende Standards für den Rückbau: Solche Kritik kam in der Vergangenheit oft von entschiedenen Gegnern des Windstromausbaus. Dass sich hierüber sogar das Umweltbundesamt als Befürworter der Energiewende beschwerte, berichtete die FAZ bereits im November 2019.

Nichts geschah seither.  „Deutschland stellt seit Jahrzehnten Windanlagen auf die Felder, die nicht vernünftig verwertbar sind“, sagte der Präsident des Entsorgungswirtschaftsverbandes BDE, Peter Kurth in der Leipziger Volkszeitung vom 7. Juli 2023. Die mit Karbon oder Glasfaser durchsetzten Rotoren seien für das Recycling ein Problem.  Es sei bedauerlich, dass dieses Abfallproblem bei der Energiewende nicht mitbedacht worden sei.

Nach rund 20 bis 30 Jahren haben Windenergieanlagen erfahrungsgemäß das Ende ihrer Lebensdauer erreicht. Rotorblätter von Windenergieanlagen sind verschiedenen Umwelteinflüssen ausgesetzt, die den allmählichen Verschleiß der Windkraftanlage nach sich ziehen. Etliche wurden durch Stürme und Feuer zerstört. Sie werden zurückgebaut oder im Zuge der Repowering für einen Weiterbetrieb modernisiert, mit dem Ziel, die erzeugte Stromleistung zu erhöhen und die Anlagen an den Stand der Technik anzupassen.

Abfallaufkommen

Genaue Zahlen zum Abfallaufkommen ausrangierter Rotorblätter in Deutschland sind nicht bekannt. Den Wissenschaftlichen Diensten [1] jedoch liegen wissenschaftliche Abschätzungen vor, die im Auftrag des Umweltbundesamtes vorgenommen wurden: In diesem Jahrzehnt ist mit einem Abfallaufkommen von jährlich bis zu 20.000 Tonnen Rotorblattmaterial zu rechnen. Für die 2030er-Jahre werden bis zu 50.000 Tonnen pro Jahr vorhergesagt. Bis 2040 sollen zwischen 326.000 und 430.000 Tonnen glasfaserhaltige (GFK) Abfälle aus reinen GFK-haltigen Rotorblättern in Deutschland anfallen. Im gleichen Zeitraum ergibt sich eine zu erwartende Abfallmenge für faserverstärkte Kunststoffe aus Rotorblättern mit GFK- und CFK (carbonfaserverstärkten Kunststoff)-Anteilen von 77.000 bis 212.000 Tonnen [2].

Deponierung/Verwertung

Die Deponierung von GFK-Abfällen und ausgedienten Rotorblättern ist seit 2005 gemäß Technischer Anleitung für Siedlungsabfälle (TASi) verboten. Insofern ist eine energetische, stoffliche oder thermische Verwertung Pflicht, es sei denn, die Anlage wird zum weiteren Betrieb ins Ausland veräußert, wie gegenwärtig oft üblich.

Für den Rückbau und das Recycling von Windenergieanlagen hat das Deutsche Institut für Normung 2020 mit der DIN SPEC 4866 „Nachhaltiger Rückbau, Demontage, Recycling und Verwertung von Windenergieanlagen“ eine Vornorm veröffentlicht, die Kriterien guter Praxis formuliert [3].

„Altrotorblätter gelten als Herausforderung für das Recycling und ihr Verbleib ist oft ungeklärt“, urteilt das Umweltbundesamt [4].

Moderne Rotorblätter werden aus zwei Halbschalen in Sandwichbauweise zusammengesetzt, die vor allem aus Glas- und/oder Karbonfasern bestehen. Diese Fasern sind in Epoxidharz oder anderen Kunststoffen eingebettet. Als Abfallbestandteile fallen daher Faserverbundstoffe aus Glas- und Karbonfasern, Epoxidharzen, und Vinylharzen an, die mit mindestens 70 Prozent den größten Anteil am Gewicht der Rotorblätter ausmachen.

Müllverbrennungsanlagen scheiden aus technischen Gründen weitgehend aus, weil geschmolzene Glasfaserabfälle gläserne Stalaktiten bilden, die abbrechen und Schaden anrichten können. Einzig in der Zementindustrie können GFK aus Rotorblättern als sogenannter Ersatzbrennstoff verheizt werden, wobei das in den Glasfasern enthaltene Silizium in das Endprodukt Zementklinker eingebunden wird. Zum einen leistet der Energieinhalt des Substituts einen Beitrag für die Erzeugung der hohen Temperaturen von über 1000 Grad Celsius in den Brennöfen. Zum anderen wird für die Herstellung von Zement auch Sand benötigt, chemisch: Siliziumdioxid. Die ebenfalls siliziumdioxidbasierten Glasfasern können diesen Rohstoff partiell ersetzen. Es handelt sich folglich um eine energetische und stoffliche Verwertung der Rotorblattabfälle.

Regelrecht gefürchtet bei Verwertern aller Art sind Karbonfaserabfälle, die immer öfter auch in Rotorblättern zum Einsatz kommen. Die leitfähigen Fasern können bei der Verbrennung in den elektrischen Filtern der Abgasreinigungsanlagen zu Überschlägen und Kurzschlüssen führen. Nach derzeitigem Stand der Technik lassen sich CFK-Abfälle nur mittels energieintensiver Pyrolyse behandeln, mit dem Ziel einer Rückgewinnung recycelter Karbonfasern. Allerdings gibt es in Deutschland aktuell nur eine einzige Pyrolyseanlage.

Das stoffliche Recycling von Karbonfasern habe sich bisher am Markt nicht etablieren können, was wirtschaftliche und organisatorische Gründe habe, heißt es im Sachstandsbericht des Wissenschaftlichen Dienstes [1]. So gibt es derzeit keinen Markt für recycelte Karbonfasern, da diese chemisch nicht mit der Qualität neuer Fasern vergleichbar sind. Experimentiert wird aber mit der Beimischung gebrauchter Karbonfasern zu Baustoffen, etwa zu ,,Karbonbeton“, der zumindest teilweise die bisher üblichen Stahlarmierungen ersetzen könnte.

Fazit

Unter dem Strich lässt sich sagen, dass das Recycling von Rotorblättern aus der Windkraftindustrie technisch und wirtschaftlich prekär bleibt, was abermals ein schlechtes Licht auf das angeblich so grüne Image der Erneuerbare-Energien- Branche wirft und angesichts des in Deutschland geltenden Deponierungsverbots erhebliche Anreize bietet, das lästige Altmaterial illegal im Ausland zu verklappen. Vielleicht ist der jüngst in Tschechien aufgedeckte Fall nur die Spitze des Eisbergs [5].

Quellen

[1] Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, „Beanspruchung und Recycling von Windkraftanlagen sowie damit verbundener Herausforderungen“, WD 8 – 3000 – 040/23, 08.09.2023

[2] https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/479/publikationen/texte_92-2022_entwicklung_von_rueckbau-_und_recyclingstandards_fuer_rotorblaetter_0.pdf

[3] Technische Regel: DIN SPEC 4866:2020-10, Nachhaltiger Rückbau, Demontage, Recycling und Verwertung von Windenergieanlagen; https://www.beuth.de/de/technische-regel/din-spec-4866/328634880

[4] Umweltbundesamt: Pressedossier Recycling von Windkraftanlagen; Pressedossier vom 18. April 2023; https://www.umweltbundesamt.de/presse/pressedossiers/pressedossier-recycling-von-windkraftanlagen

[5] Georg Etscheit, „Wohin mit dem Windradschrott“, Tichys Einblick 04/25