Blackout: Diese Probleme der Energiewende darf Deutschland nicht ignorieren!

 Ein Windpark nördlich von Marsberg in NRW, www.imago-images.de 

Am 28. April 2025 fiel in Spanien der Strom komplett aus (Blackout). Wir berichteten hier und hier über das von vielen, insbesondere von Befürwortern der Energiewende und Protagonisten des Ökostroms, für unwahrscheinlich gehaltene Ereignis.

Dipl. Phys. Ulrich Waas nahm diese Ereignis zum Anlass, geradezu lehrbuchartig in einem in der Berliner Zeitung*) erschienenen Artikel die Komplexität der Stromerzeugung zu erklären. Der Artikel vermittelt die Erkenntnis, dass dieses Thema in die Hände von erfahrenen  Elektroingenieuren gehört und nicht in die von politischen Ideologen und warum ein hoher Solarstrom-Anteil allein nicht reicht – und was die Politik jetzt unbedingt tun muss, um das Stromnetz stabil zu halten:

Gut sechs Wochen nach dem massiven Blackout auf der iberischen Halbinsel am 28. April hüllen sich die offiziellen Stellen noch immer ziemlich in Schweigen. Dabei gibt es eine entscheidende Frage: Lag es vielleicht daran, dass an jenem Tag der Solarstrom-Anteil mit rund 60 Prozent ungewöhnlich hoch war und das Netz dafür nicht ausreichend vorbereitet? 

Heute zeichnet sich ab: Nicht allein die hohe Solarstrommenge war das Problem – entscheidend war, dass Stromnetz und Stromerzeugung aus Wind und Sonne nicht ausreichend aufeinander abgestimmt waren. Der Blackout offenbart eine der zentralen Schwachstellen der Energiewende: Das Zusammenspiel zwischen Erzeugung, Netz und Verbrauchern ist deutlich komplexer, als viele wahrhaben wollen. 

Stabiles Stromnetz: Das sind die wichtigsten technischen Aspekte 

Um zu verstehen, wie wichtig dieses Zusammenspiel ist, reicht es nicht aus, lediglich produzierte Kilowattstunden (kWh) und installierte Megawatt (MW) zusammenzuzählen. Genau das tun jedoch politische Befürworter der Energiewende häufig und vermitteln dadurch den irreführenden Eindruck, alles sei auf Kurs. 

Zugegeben: Die weiteren technischen Aspekte, die für ein stabiles Zusammenspiel im Stromnetz nötig sind, bleiben für Nicht-Elektrotechniker oft schwer verständlich. Doch genau deshalb dürfen sie nicht ignoriert werden – denn das gefährdet die Stabilität des Stromsystems und erhöht das Risiko eines Blackouts. Welche wichtigen Faktoren müssen beim Um- und Neubau des öffentlichen Stromnetzes unbedingt berücksichtigt werden, um beim Umbau zu einer „100 Prozent regenerativen Versorgung“ die Systemstabilität zu sichern? Im Folgenden eine vereinfachte Erklärung – ohne zu tief in physikalische und elektrotechnische Details einzusteigen. 

Was wird für Systemstabilität der öffentlichen Stromversorgung gebraucht? 

  • Erzeugung und Verbrauch müssen ungefähr gleich sein (Leistungsgleichgewicht) 
  • geeignetes Netz für Transport von der Erzeugung zum Verbrauch 
  • stabile Netzfrequenz (möglichst glatte Sinus-Kurven), begrenzte Phasenverschiebung zwischen Spannung und Strom, Kontrolle von Blindleistung und Spannung, Begrenzung von Leistungsschwingungen im Netz (z. B. infolge nicht-linearer Effekte) 
  • Robustheit gegen Störungen und Ausfälle 
  • Schutz vor Cyberangriffen 

Was in der öffentlichen Diskussion leicht vergessen wird: Das Netz wurde in den letzten 100 Jahren passend zu einem System mit großen Synchrongeneratoren entwickelt – unter Ausnutzen der günstigen Eigenschaften dieser Generatoren. 

Kritische Herausforderung: Der Umbau des Stromnetzes für „100 Prozent regenerativ“ 

Wenn künftig immer mehr Kern- und Kohlekraftwerke mit ihren Turbinensätzen und Synchrongeneratoren abgeschaltet werden, stellt sich die entscheidende Frage: Was braucht ein zuverlässiges Stromsystem, das zu mehr als 80 Prozent auf Wind- und Solarenergie setzt und daher unvermeidlich großen Schwankungen ausgesetzt ist? 

Wind- und Solaranlagen weisen im Vergleich zu konventionellen Kraftwerken deutlich geringere Verfügbarkeiten auf: Windenergie liegt in Süddeutschland bei etwa 20 Prozent, auf dem Meer bei bis zu 40 Prozent, Solarstrom kommt auf etwa zehn bis 15 Prozent. Um dennoch das Ziel einer 100 Prozent regenerativen Stromversorgung zu erreichen, muss die installierte Maximalleistung von Wind- und Solaranlagen deutlich höher sein als der tatsächliche Spitzenverbrauch. Dadurch entsteht das Problem, dass bei optimalen Bedingungen („Hellbrise“, also gleichzeitig viel Sonne und Wind) ein erheblicher Überschuss entsteht, der entweder durch gezielte Fernabschaltung von Anlagen reduziert oder aber gespeichert und bei sogenannten Dunkelflauten wieder eingespeist werden muss. 

Ein wesentliches Problem besteht darin, dass in den vergangenen 10 bis 15 Jahren viele Anlagen installiert wurden – vor allem kleinere –, die sich nicht gezielt fernsteuern und abschalten lassen. Zudem hinkt der Ausbau der Speicherkapazitäten dem Ausbau der erneuerbaren Erzeugung in Deutschland massiv hinterher. Diese Defizite nachträglich zu beheben, ist äußerst kostenintensiv und langwierig. Stattdessen werden die Überschüsse (zu viel Strom) und Engpässe (zu wenig Strom) bislang oft über Deutschlands Nachbarländer abgefedert. Doch gerade dies sorgt zunehmend für erhebliche Verärgerung, etwa in Schweden und Norwegen. Wie lange diese Länder noch bereit sind, diese Last zu tragen, ist offen. 

Beim Bau konventioneller Kraftwerke wurde bisher stets darauf geachtet, den Standort möglichst nah bei den Verbrauchern zu wählen. Bei Wind- und Solaranlagen ist dies jedoch schwieriger: Windanlagen beispielsweise profitieren an der Küste von deutlich besseren Bedingungen, während sich die großen Verbraucher meist in Süd- oder Westdeutschland befinden. Daher müssen Fernleitungen mit wesentlich höheren Kapazitäten gebaut werden als bisher – eine Herausforderung, die politisch und technisch bisher nur schleppend umgesetzt wurde. 

So liegt der Ausbau neuer Fernleitungen auf Höchstspannungsebene weit hinter dem ursprünglichen Plan zurück. Im Übrigen waren die bestehenden Fernleitungen schon immer dafür ausgelegt, Strom in beide Richtungen zu transportieren – die darunterliegenden Verteilnetze (Hoch-, Mittel- und Niederspannung) allerdings meist nicht. Um künftig sowohl die dezentrale Einspeisung als auch die Entnahme elektrischer Energie flexibel zu ermöglichen, müssen diese Netzebenen mit neuen Mess-, Überwachungs- und Steuerungssystemen, oft auch neuen Transformatoren ausgestattet werden. 

Während bisher rotierende Generatoren der Kraftwerke Wechselstrom mit einer stabilen 50-Hertz-Sinuskurve erzeugten, liefern Wind- und Solaranlagen zunächst Gleichstrom, der mithilfe von Wechselrichtern erst in Wechselstrom umgewandelt werden muss. Dabei entsteht jedoch keine glatte Sinuskurve, sondern ein treppenförmiges Signal, das Oberwellen (wie 100 Hertz, 150 Hertz etc.) erzeugt. Diese unerwünschten Oberwellen müssen durch technische Zusatzmaßnahmen reduziert werden, um schädliche Schwingungen im Netz zu verhindern. 

Außerdem kommt es im Netz durch Verbraucher oft zu Phasenverschiebungen zwischen Strom und Spannung. Elektromotoren verursachen beispielsweise ein zeitliches Nachlaufen der Stromstärke hinter der Spannung, wodurch sogenannte Blindleistung entsteht. Diese muss unbedingt begrenzt werden, um das Netz nicht unnötig zu belasten. Bisher konnten Synchrongeneratoren solche Blindleistungen durch Anpassung ihres Erregerstroms problemlos kompensieren. In einem Netz ohne solche Generatoren sind zusätzliche technische Einrichtungen zur Kompensation erforderlich. 

Die Wechselrichter von Wind- und Solaranlagen erzeugen ihren Wechselstrom bisher meist in Abhängigkeit von den Vorgaben der großen Synchrongeneratoren; man nennt sie daher „netzfolgend“. Mit der schrittweisen Außerbetriebnahme dieser Generatoren werden künftig jedoch sogenannte ‚netzbildende‘ Wechselrichter nötig, die Spannung und Frequenz eigenständig und stabil vorgeben können. Angesichts der enormen Größe des europäischen Verbundnetzes und der Vielzahl an Wechselrichtern wird es eine erhebliche technische Herausforderung sein, unerwünschte Schwingungen im gesamten Netz oder einzelnen Netzabschnitten wirksam zu begrenzen. 

Vereinfacht lässt sich die Herausforderung so zusammenfassen: Die bisher dominierenden rotierenden Synchrongeneratoren der konventionellen Kraftwerke waren aufgrund ihrer Bauart besonders gut geeignet, einen stabilen Wechselstrom mit gleichmäßigem 50-Hertz-Sinusverlauf bereitzustellen, Blindleistungen (Phasenverschiebungen zwischen Spannung und Strom) problemlos auszugleichen und stabile Sollwerte im Stromnetz zu gewährleisten. 

Damit die Wechselrichter von Wind- und Solaranlagen eine ähnlich hohe Qualität in der Stromversorgung gewährleisten können wie bisherige Kraftwerke, sind teilweise aufwändige Zusatzmaßnahmen notwendig. 

Für ein stabiles Stromnetz ist eine robuste Absicherung gegen Störungen und Ausfälle unverzichtbar. Bislang spielen neben automatischen Überwachungs- und Schutzeinrichtungen vor allem die großen rotierenden Generatoren der Kraftwerke eine entscheidende Rolle: In deren massiven Turbinen und Generatoren ist viel kinetische Energie gespeichert. Kommt es beispielsweise durch einen Netzfehler zu einem plötzlichen Frequenzabfall, werden diese rotierenden Massen entsprechend abgebremst. Dabei wird gespeicherte kinetische Energie freigesetzt und in elektrische Energie umgewandelt. Zudem können diese Generatoren kurzzeitig ein Vielfaches ihrer Nenn-Stromstärken abgeben und schaffen so eine sogenannte „Momentanreserve“, die wertvolle Zeit für Störungserkennung und Netzstabilisierung bietet. Dies hat bisher geholfen, Blackouts zu verhindern. 

Wechselrichter von Wind- und Solaranlagen besitzen hingegen keine solche gespeicherte kinetische Energie und haben praktisch keine Überstromfestigkeit. Deshalb sind zusätzliche technische Maßnahmen dringend erforderlich, um nach der Stilllegung konventioneller Kraftwerke eine ausreichende Erkennung und Beherrschung von Störungen im Netz zu gewährleisten. 

Beim jüngsten Blackout in Spanien wurde auch geprüft, ob der Vorfall möglicherweise auf einen Cyberangriff zurückzuführen war. Bisher gibt es dafür keine Anhaltspunkte. Allerdings zeigt sich dadurch erneut, wie wichtig zusätzliche Schutzmaßnahmen gegen solche Angriffe sind. Während die bisherigen Großkraftwerke durch abgeschlossene leittechnische Systeme ohne Internetverbindung weitgehend geschützt waren, sind dezentrale Wind- und Solaranlagen oft von außen steuerbar und somit potenziell anfälliger, wodurch Cybersicherheit zu einem kritischen Thema wird. 

Aktuell stammen die in Deutschland eingesetzten Wechselrichter für diese Anlagen überwiegend aus China. Kürzlich ergaben Überprüfungen Hinweise auf möglicherweise problematische Elektronik in einigen dieser Wechselrichter, bei denen externe Eingriffe nicht vollständig ausgeschlossen werden können. Sollten über solche Wechselrichter beispielsweise größere Solarstromkapazitäten gleichzeitig abgeschaltet werden, könnte dies erhebliche Probleme für die Netzstabilität verursachen. 

Aktuell stammen die in Deutschland eingesetzten Wechselrichter für diese Anlagen überwiegend aus China. Kürzlich ergaben Überprüfungen Hinweise auf möglicherweise problematische Elektronik in einigen dieser Wechselrichter, bei denen externe Eingriffe nicht vollständig ausgeschlossen werden können. Sollten über solche Wechselrichter beispielsweise größere Solarstromkapazitäten gleichzeitig abgeschaltet werden, könnte dies erhebliche Probleme für die Netzstabilität verursachen. 

Insgesamt umfasst der notwendige Aus- und Umbau des Stromnetzes für eine „100 Prozent regenerative“ Stromversorgung ein breites Spektrum an Maßnahmen. Dazu gehören auch Geräte, deren großtechnischer Einsatz heute noch nicht abschließend entwickelt oder bewährt ist. Der Gesamtinvestitionsbedarf hierfür wird auf etwa 600 bis 700 Milliarden Euro geschätzt. 

Der „vergessene“ Netzumbau: Die Lehre von Balkonkraftwerken 

Die politischen Befürworter der Energiewende konzentrierten sich bisher vor allem auf den schnellen Ausbau der Stromerzeugung durch Wind- und Solaranlagen. Gerne wurde dabei auf den jährlichen Zubau in Gigawatt (GW) oder darauf verwiesen, dass bereits 50 Prozent des jährlichen Stromverbrauchs regenerativ gedeckt seien. Um schnelle Ergebnisse vorweisen zu können, wurde dieser Ausbau großzügig finanziell gefördert. Dabei wurde jedoch weitgehend ignoriert, dass der Ausbau und die Modernisierung des Stromnetzes deutlich hinterherhinken. 

Es ist nachvollziehbar, dass politische Entscheidungsträger Schwierigkeiten haben, komplexe technische Details wie Phasenverschiebung, Oberwellen, Redispatch oder den ROCOF-Grenzwert – der beim Blackout auf der iberischen Halbinsel eine Rolle gespielt haben könnte – vollständig zu durchdringen. Allerdings entstehen Probleme, wenn politische Ziele („100 Prozent regenerativ in der Stromversorgung bis 2035“) formuliert, gleichzeitig aber wichtige Hinweise von Fachleuten zu Kosten und Zeitbedarf beim Netzumbau nicht ausreichend berücksichtigt werden. 

Wie kritisch diese Vernachlässigung technischer Details ist, zeigt sich deutlich beim aktuellen Boom von sogenannten Balkonkraftwerken: Um diese möglichst kostengünstig anzubieten, wurde häufig auf technisch wichtige Anforderungen wie eine fernsteuerbare Abschaltung oder die Integration von Speicherkapazitäten verzichtet. Dies könnte jedoch langfristig zu höheren Kosten führen, da umfangreiche Nachrüstungen nötig werden könnten. Bereits jetzt klagen Netzbetreiber, dass es zunehmend schwieriger wird, die Netzstabilität aufrechtzuerhalten. Um ein stabiles und vollständig regeneratives Stromnetz zu erreichen, müssen daher viele Anlagen künftig nachgerüstet oder sogar ersetzt werden. 

Der daraus resultierende Verlust an Zeit und Kapital hätte vermieden werden können, wenn von Anfang an auf eine solide technische Planung gesetzt worden wäre. Vor diesem Hintergrund erscheint das politische Ziel, bis 2035 vollständig auf regenerative Stromversorgung umzustellen, kaum realistisch. Zumindest hat die neue Wirtschaftsministerin Katherina Reiche angekündigt, die Energiewende einem raschen Realitätscheck zu unterziehen. Es bleibt zu hoffen, dass dabei auch kritische Fachleute ernst genommen werden – an Wunschdenken hat es in den letzten Jahren nicht gemangelt. 

Positiv ist auch, dass die neue Bundesregierung inzwischen signalisiert hat, nicht mehr gegen den Betrieb und Neubau von Kernkraftwerken in Nachbarländern wie Frankreich, Belgien, Tschechien, der Slowakei oder den Niederlanden zu opponieren. Da der erforderliche Netzausbau bisher nur schleppend vorangeht, könnte der Weiterbetrieb großer Synchrongeneratoren in diesen Ländern hilfreich sein, um die Netzstabilität auch in Deutschland zu sichern. 

Vor diesem Hintergrund wirkt die im März 2022 von Robert Habeck und Steffi Lemke durchgesetzte Entscheidung, die endgültige Abschaltung der noch funktionsfähigen Kernkraftwerke in Deutschland nicht nochmals ergebnisoffen zu überprüfen, kaum nachvollziehbar – sie diente jedenfalls nicht der langfristigen Versorgungssicherheit. 

 

*) https://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft-verantwortung/blackout-diese-probleme-der-ener-giewende-darf-deutschland-nicht-ignorieren-li.2330227