Obwohl sich die Erde durch den Klimawandel insgesamt erwärmt, treten in Teilen der USA zunehmend eisige Winter mit extremem Schneefall und lebensbedrohlich tiefen Temperaturen auf. Welche Faktoren zu diesem lokalen Extremwetter beitragen, haben nun Klimaforscher herausgefunden. Demnach sind dafür zwei spezifische Muster des Polarwirbels hoch über der Arktis verantwortlich. Sie bestimmen, wann und wo ein Kälteeinbruch auf dem Kontinent auftritt. Diese polaren Luftströmungen interagieren wiederum mit dem Jetstream und werden vom El Niño-Phänomen beeinflusst – und dadurch letztlich auch vom Klimawandel.
Mindestens sieben Bundesstaaten meldeten am 9. September 2025 Rekordtiefs, als sich eine frühe Kälte über den Osten der USA ausbreitete. Das Wettervorhersagezentrum des NWS bestätigte Rekorde in Indiana, Kentucky, Michigan, Wisconsin, West Virginia, Missouri und Alabama, mit Unentschieden in Minnesota, Illinois, Maryland und Connecticut [1].
Die Frostwarnungen erstreckten sich über Teile von Maine, Vermont, New Hampshire und New York, wo über Nacht Messungen in den niedrigen 30er Jahren (-1 °C bis 1 °C) Ernten und Gärten bedrohten. Sioux City, South Dakota, fiel auf 36 °F (2,2 °C) und brach damit den Rekord von 1986, während Mitchell auf 35 °F (1,7 °C) fiel, eine Marke, die zuletzt 1898 erreicht wurde [1].
Die letzten Kälteextreme in den USA ereigneten sich in den Wintern 2009/2010, 2013/2014, 2014/2015, 2020/2021 und 2024/2025. Im Februar 2021 herrschte beispielsweise eine eisige Kälte in Montana, im Mittleren Westen und in Texas, die hunderte Menschenleben kostete. In Millionen Haushalten fiel der Strom aus. Doch wie kommt es trotz globaler Erwärmung zu diesen lokalen Kälteextremen? [2]
Verschiebung des Polarwirbels verursacht Wintereinbrüche
Das haben nun Forschende um Laurie Agel von der University of Massachusetts untersucht. Dafür werteten sie Wetterdaten der vergangenen Jahre aus und extrahierten daraus sich wiederholende Muster. Dabei fokussierten sie sich auf den Polarwirbel: einem Band aus kalter Luft in der Stratosphäre, das die Arktis in zwölf bis 50 Kilometer Höhe über unseren Köpfen umkreist. „Die Öffentlichkeit hört oft vom ‚Polarwirbel‘, wenn der Winter streng wird, aber wir wollten tiefer Graben und verstehen, wie sich Variationen innerhalb dieses Wirbels darauf auswirken, wo und wann extreme Kälte zuschlägt“, so das Team.
Agel und ihre Kollegen identifizierten insgesamt fünf spezifische Muster innerhalb des Polarwirbels. Zwei von ihnen sind für die Kälteeinbrüche in den USA verantwortlich. Diese beiden atmosphärischen Muster lenken extreme Kälte aus der Arktis in jeweils verschiedene Teile des Landes. Ein Strömungsmuster treibt die Luft aus dem oberen Teil des Polarwirbels in Richtung Westkanada und führt zu kalter Luft im Nordwesten der USA. Das andere Muster schwächt den oberen Teil des Wirbels ab und lenkt ihn in Richtung Nordatlantik, was zu Kälte in den zentralen und östlichen Landesteilen führt. Beide Bewegungsmuster „strecken“ nicht nur den oberen Wirbelabschnitt, sondern zugleich auch den unteren Teil des Polarwirbels, so dass er von Asien bis Nordamerika reicht. Tiefer liegende Windbänder des polaren Jetstreams, die aus kalten Gegenden wie Sibirien und Ostasien aufsteigen, prallen an diesen Luftschichten in der Stratosphäre ab und werden zurück Richtung Erdoberfläche gelenkt. Dieses verzerrte und verschobene Zirkulationsmuster der arktischen Luft führt daher zu ungewöhnlichem Wetter und intensiver Kälte am Boden, erklärt das Team.
Kälte im Nordwesten tritt in La Niña-Phasen auf
Das Team stellte zudem fest, dass der Nordwesten der USA seit 2015 mehr dieser Kälteeinbrüche erlebt als andere Landesteile. Die Forschenden schließen daraus, dass der Polarwirbel sein Verhalten dynamisch ändert und sich zuletzt häufiger nach Westen ausgerichtet hat und seltener nach Osten. Auffällig dabei: Diese Verschiebung fällt mit Perioden eines anderen Klimaphänomens zusammen – der El Niño/Southern Oscillation (ENSO). Wie das Team feststellte, treten Kältewellen im Nordwesten der USA eher in kalten La Niña-Phasen der ENSO auf. Die Luftzirkulation der ENSO ist eng mit dem Jetstream verbunden und ebenfalls ein wichtiger Treiber des globalen Wetters, vor allem in niedrigeren Breiten. Wie genau sich die ENSO auf den Polarwirbel in der höher gelegenen Stratosphäre auswirkt, ist allerdings noch unklar und muss weiter erforscht werden, betonen Agel und ihre Kollegen.
Quellen:
[1] Electroverse’s Substack electroverse@substack.com, 2025.9.9.
[2] Laurie Agel (University of Massachusetts) et al.; Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.adq9557, zitiert unter https://www.wissenschaft.de/erde-umwelt/warum-erlebten-die-usa-zuletzt-so-viele-harte-winter/