IAEO warnt vor internationalem nuklearen Wettrüsten

Verlautbarung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages Nr. 29/25 (16.12.2025):

 Anfang September dieses Jahres warnte der Generaldirektor der Internationalen Atomenergie-Organisation, Rafael Grossi, vor einem internationalen nuklearen Wettrüsten, das vergleichbar sei mit jenem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Er halte es nicht für ausgeschlossen, dass sich die Zahl der derzeit neun Atommächte bald auf 20-25 erhöhen könnte; es wäre dies eine „unberechenbare und gefährliche Welt“. Ohne dabei konkret zu werden, sagte er, dass es sich dabei um die sog. atomaren Schwellenländer in Asien und am Persischen Golf handeln könnte. So führt er weiter aus: 

Der Prozess der Entwaffnung oder zumindest der kontrollierten Reduzierung nuklearer Waffenbestände wurde ausgesetzt. Wer atomare Waffen besitzt, produziert nun mehr, China eingeschlossen. Zudem wird inzwischen unbekümmert von ‚taktischen Nuklearschlägen‘ gesprochen, was ein schlechtes Zeichen ist.“ 

Grossi leitet die in Wien ansässige Organisation seit 2019. Deren Bestimmung ist es laut Satzung, den Beitrag der Kernenergie zu Frieden, Gesundheit und Wohlstand in der Welt zu beschleunigen und zu vergrößern; somit soll also die friedliche (v. a. wirtschaftliche) Nutzung von Kernenergie gefördert und die militärische Nutzung durch Überwachungsmaßnahmen verhindert werden. 

Die Gründung der IAEO geht auf eine Initiative von US-Präsident Dwight D. Eisenhower zurück. Unter dem Eindruck der massiven Zerstörung von Hiroshima und Nagasaki durch amerikanische Atombomben kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges und wegen des sich abzeichnenden Kalten Krieges unternahmen damals Großbritannien, die USA und die Sowjetunion anfänglich zwar Anstrengungen, bestehende Atomwaffen zu vernichten; eine Einigung konnte hierbei jedoch nicht erzielt werden. Dennoch erkannte Eisenhower, dass die Gewinnung und Nutzung von Kernenergie dereinst auch von anderen Ländern erforscht werden würden, und hielt daraufhin im Jahr 1953 vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen (VN) eine Rede, in der er die Errichtung einer internationalen Atomenergie-Organisation vorschlug. Diese sollte unter der Kontrolle der VN stehen und für die Lagerung und den Schutz von spaltbarem Material zuständig sein. Eine Verteilung von Kernmaterial für friedliche statt für militärische Nutzung würde überdies einen Beitrag zur Rüstungskontrolle leisten. Nach der Überwindung anfänglichen Widerstands der Sowjetunion wurde am 29. Juni 1957 unter dem Dach der Vereinten Nationen die IAEO mit Sitz in Wien gegründet. 

Die Hauptaufgaben der IAEO sind die Kontrolle der Verwendung und des Verbleibs von spaltbarem Material in kerntechnischen Anlagen im Rahmen der sog. Safeguards-Abkommen, die mit den Mitgliedstaaten geschlossen wurden, sowie die Überwachung der Sicherheit solcher Anlagen, die Förderung der friedlichen Nutzung (z. B. durch internationale Fachtagungen) und die technische Unterstützung von Entwicklungsländern im Rahmen internationaler Entwicklungszusammenarbeit. 

Seit Mitte der 1960er-Jahre fanden wiederum auf Initiative von Großbritannien, der USA und der Sowjetunion Verhandlungen über einen Atomwaffensperrvertrag statt, nachdem diese sich bereits im Jahr 1963 vertraglich geeinigt hatten, nur noch unterirdische Atomtests durchzuführen. Um eine Weitergabe von Atomwaffen an andere Länder (oder gar an nicht-staatliche Akteure) zu verhindern, beschlossen sie am 1. Juli 1968 den Vertrag über die Nichtverbreitung von Atomwaffen (NVV), der 1970 in Kraft trat. Im Jahr 1975 trat Deutschland dem Abkommen bei, 1992 folgten mit China und Frankreich zudem zwei weitere Atommächte. Durch Unterzeichnung des NVV verzichten diejenigen Mitgliedstaaten, die nicht im Besitz von Atomwaffen sind, auf deren Erwerb. 

Bis heute haben 191 Staaten das Abkommen unterzeichnet, 93 davon haben es zusätzlich ratifiziert. Die einzigen Staaten, die nicht Teil des Vertrags wurden, sind der Südsudan sowie die Atommächte Pakistan, Indien und Israel (letzterer bestätigt die Existenz von Atomwaffen nicht). Nordkorea ist im Jahr 2003 aus dem Abkommen ausgetreten und verfügt mittlerweile ebenfalls über Atomwaffen. Gemäß Art. 3 NVV ist jeder Nichtkernwaffenstaat dazu verpflichtet, entsprechende Safeguards (Sicherungsmaßnahmen) mit der IAEO zu vereinbaren (vgl. auch Art. 3 Nr. 5 IAEO-Statut) und damit die Überwachung der Anlagen und Verhinderung der Kernwaffenherstellung (s. o.) zu gewährleisten. 

Im vergangenen Jahr verhandelte die IAEO mit dem Iran über eine Ausweitung der Überwachung des Atomprogramms, nachdem Spuren entdeckt wurden, die auf geheime Nuklearanlagen hindeuteten, was der Iran jedoch bestritt. Im November 2024 verabschiedete der Gouverneursrat der IAEO eine Resolution, wodurch Grossi mit der Erstellung eines Berichts über das iranische Atomprogramm beauftragt wurde. Infolge der Angriffe Israels und der USA auf die iranischen Atomanlagen im Juni 2025 veröffentlichte eine regimenahe iranische Zeitung Mordaufrufe gegen Grossi, da die Berichte der IAEO angeblich als Rechtfertigungsgrundlage für die Angriffe gedient hätten. Zwischenzeitlich konnten sich der Iran und die IAEO wieder annähern und kündigten Atominspektionen an. Etwa einen Monat später bezeichnete Irans Außenminister Abbas Araghtschi infolge der Wiedereinsetzung internationaler Sanktionen eine Kooperation mit der IAEO wiederum als „sinnlos“. 

Auch die bereits bestehenden Atommächte drohen wieder vermehrt mit einer nuklearen Eskalation. So verschärfte Russlands Machthaber Wladimir Putin infolge des Angriffskriegs auf die Ukraine (und der Unterstützung der Ukraine durch die USA) die russische Atomdoktrin und führte dieses Jahr nach eigenen Angaben Tests an neuentwickelten atomaren Unterwasser-Waffensystemen und Marschflugkörpern durch. US-Präsident Donald Trump gab wenig später bekannt, ebenfalls Atomwaffentests durchführen zu wollen, ließ dabei aber offen, ob es sich dabei um atomare Sprengungen oder ebenfalls um Tests von Trägersystemen handeln solle. Russland kündigte daraufhin an, nachzuziehen, sollten die USA tatsächlich Sprengungen durchführen. China hat seinen Bestand an Atomwaffen Schätzungen des Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) zufolge auf mindestens 600 erhöht und damit in den letzten fünf Jahren laut dem Center for Strategic & International Studies (CSIS) etwa verdoppelt. Im Jahr 2024 vermeldete das Verteidigungsministerium in Peking den Test einer (atomwaffenfähigen) Interkontinentalrakete. Gleichzeitig modernisieren und erweitern laut SIPRI auch die anderen Atommächte ihre Nuklearwaffenbestände; die Entwicklung und Tests entsprechender neuer Waffensysteme in der jüngeren Vergangenheit sind ein deutlicher Hinweis hierfür. 

Quellen und weiterführende Links:

Gjevori, Elis: Iran says nuclear cooperation with IAEA ‚no longer relevant‘, Al-Jazeera, 5.10.2025 Sommavilla, Fabian: IAEA-Chef warnt vor 20 bis 25 Nuklearmächten, Der Standard, 16.11.2025 

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Verfasser/in: Geprüfter Rechtskandidat Lionel Schmidt, Fregattenkapitän Wolfgang Müller-Seedorf – Fachbereich WD 2 (Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe)