Energieexperten auf der Kanzel

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Leserbrief vom 8.1.2008

Vorbemerkung: Obwohl dieser Vorgang inzwischen 7 Jahre alt ist, hat dieses Thema leider nichts von seiner Aktualität verloren – im Gegenteil. Nur die Zahlen über den deutschen Strommix haben sich verändert, aber die Vorhersage zu den Folgen einer deutlichen Steigerung bei den „Erneuerbaren“ ist eingetroffen, was nicht allzu schwierig abzusehen war.

Insbesondere aber die von den Medien gerne zitierten selbsternannten Energieexperten haben sich seither stark vermehrt.

Nun zum Original-Leserbrief aus dem Jahre 2008: „Die Leser des Bonner Generalanzeiger haben soeben einen neuen, offensichtlich kompetenten Energiefachmann kennengelernt: Präses Nikolaus Schneider, der höchste Repräsentant der Evangelischen Kirche im Rheinland. Seine Forderung: „Der Ausstieg aus der Atomenergie darf nicht verzögert oder revidiert werden. Es müsse  Genehmigungsgrenzen für neue Kohlekraftwerke und für den rheinischen Braunkohletagebau geben. Außerdem forderte er mehr Kraftwerke auf der Grundlage erneuerbarer Energie – und größere Anstrengungen zur Energieeinsparung in kirchlichen Einrichtungen.“

Es scheint ein Trend zu sein: Menschen, die klar erkennbar weder von Wirtschaft, noch von Technik eine Ahnung haben und zudem anscheinend auch noch mit der einfachen Mathematik auf dem Kriegsfuß stehen, schwingen sich Kraft ihres Bekanntheitsgrades zu Experten auf und teilen Ratschläge aus, die sie nur aus den Medien haben können. Auf diese Art belehren uns nicht nur Sänger und Schauspieler in Talkshows über die richtige Energiepolitik, jetzt wird das auch von den Kanzeln verkündet.

Wenn Herr Schneider die Medien etwas besser studiert hätte, wäre ihm folgende Kausalkette als Erleuchtung erschienen: Die Stromerzeugung in Deutschland kommt zu 27% aus den Atomkraftwerken, zu 21% aus Steinkohle und zu 23% aus der von ihm nicht geschätzten Braunkohle. Macht zusammen 71%. Soviel zu bekannten Wirtschaftsdaten und zur Algebra, Teilgebiet Addition. Wenn man diese 71 Prozent abschafft, fehlen sie anschließend. Die Forderung, sie durch „Kraftwerke auf der Grundlage erneuerbarer Energien“ zu ersetzen, hat mit der Wirklichkeit nichts mehr zu tun. Sie ist vielmehr eine reine Beschwörungsformel, die allerdings ein altbewährtes Instrument kirchlicher Würdenträger ist. Wenn die sogenannten „Erneuerbaren“ auch nur weitere 10% an der Stromerzeugung bekommen, wird es für Stromkunden noch viel teurer. Aber es gäbe noch ganz andere Konsequenzen: Die fehlenden Strommengen müssten selbstverständlich importiert werden. Unsere Nachbarn freuen sich schon seit langem darauf, uns ihren Atomstrom (was denn sonst ?) teuer zu liefern. Und die stark gestiegenen Strompreise würden dann alle energieintensiven Unternehmen – Metallhütten, Gießereien, Zementwerke, Düngemittelhersteller, Chemiebetriebe, u.v.a.m. – ins Ausland treiben. Das gäbe viele neue Arbeitslose, deren Schicksal Präses Schneider doch so am Herzen liegt.

Er scheint aber auch nicht zu wissen, was sich hinter der schönen Öko-Fassade der Biotreibstoffe abspielt: Für unsere Importe von Palmöl werden Tropenwälder abgeholzt und in lukrative Palmölplantagen umgewandelt. Erhaltung der Schöpfung war doch auch einmal ein Kirchenthema ?

Die Energieeinsparung in Kirchen stellt Herrn Schneider übrigens vor ein Problem, das zu lösen eine Riesenleistung darstellen würde, da es sich um das Besiegen der Physik selbst handelt. Auf das Wunder, eine Hallenkirche energiesparend zu beheizen, ohne dass die Gemeinde erfriert , wartet die Welt schon lange. Vielleicht schließt er sich mit der Bundesforschungs-Ministerin Anette Schavan kurz: Sie ist auch Theologin.

Mit der Atomkraft könnte er allerdings einen neuen ökumenischen Konflikt auslösen: Papst Benedikt hat sich klar für die Kernkraft ausgesprochen. Wir brauchen also jetzt mehr als nur ein Wunder.“