Die GRÜNEN sollten sich Finnland zum Vorbild nehmen

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Zweimal in zwei Jahrzehnten sind die Grünen in Finnland aus der Regierung ausgetreten, weil sie Entscheidungen über den Bau neuer Kernkraftwerke nicht mittragen wollten. Das hat die Partei nicht daran gehindert, bei nächster Gelegenheit wieder Regierungsverantwortung zu übernehmen.

Diese ambivalente, pragmatische Einstellung zur Kernkraft ist schon lange ein Merkmal der finnischen Grünen. Sie waren nie eine dogmatische Anti-Atomkraft-Partei. Und wegen der Klimakrise sind sie nun sogar bereit, auf die Nukleartechnik zu setzen, um den Ausstoß von Treibhausgasen drastisch zu verringern und zugleich die Energieversorgung zu sichern. Kurz: Aus der gängigen Parole «Atomkraft? Nein, danke!» ist zunächst ein entschiedenes Jein und mittlerweile ein vorerst noch leise ausgesprochenes «Ja, danke!» geworden.

Die Welt am Sonntag [1] brachte am 9.1.2022 ein aufschlussreiches Interview mit dem Grünen-Fraktionschef Atte Harjanne (37). Der Diplomingenieur war Klimaforscher am Finnischen Meteorologischen Institut, ehe er vor zwei Jahren für die grüne Partei ins Parlament einzog. Er ist ein ausgesprochener Befürworter der Kernenergie und findet vor allem die Idee kleinerer Kernkraftwerke zukunftweisend. Allein mit erneuerbaren Energien könne die Nachfrage bei nicht gedeckt werden.

Auf die Frage nach dem Wandel in der grünen Partei seit Anfang des Jahrzehnts erläutert Harjanne, dass nicht alle in der Partei mitgegangen seien, aber „2020 haben wir die Anti-Atomkraft-Haltung gestrichen. Wir sagen, dass wir alle nachhaltigen (!) Technologien nutzen müssen, um fossile Energien loszuwerden.“

Harjann zeigt sich überzeugt, dass der radioaktive „Müll sich sicher einlagern lässt im Gegensatz zu den Treibhausgasen, die ein Kohle- oder Gaskraftwerk ausstößt.“ Natürlich sei die Endlagerung eine Herausforderung, „aber in Finnland haben wir sie gelöst. Das Endlager wird gerade gebaut.“ In diesem Zusammenhang weist Harjann auf die problematischen Abfälle beim Rückbau von Solaranlagen und Windrädern hin.

Im Unterschied zu den Grünen in Deutschland „ist unser oberstes Ziel, CO2-frei zu werden, und dafür wollen wir auf Basis der Wissenschaft alle Möglichkeiten ausschöpfen. Wenn die Einbeziehung von Atomkraft uns am schnellsten dorthin führt, heiligt der Zweck dieses Mittel.“ Die Atomkraft sei zentraler Baustein, um die CO2-Neutralität bis 2035 zu erreichen.

Harjann begrüßt folglich den EU-Entschluss, die Kernenergie als nachhaltig einzustufen, findet es allerdings „absurd, dass mit Erdgas ein fossiler Energieträger dabei ist.“ Natürlich habe Deutschland das recht, auf Gas zu setzen, aber es mache sich abhängig von Importen. Denn gleichzeitig aus der Atomkraft und der Kohlekraft auszusteigen bedeute eine hohe Nachfrage nach Gas für eine lange Übergangszeit. „Ich wünschte, es gäbe einen wissenschaftsbasierten Ansatz.“

Die gestiegenen Kosten und den Zeitverzug beim aktuellen Olkiluoto 3-Kernkraftwerksneubau sieht Harjann gelassen. „Regulierungen in Finnland erschweren solche Großbauprojekte. Der Bau der Metro-Linie in Helsinki war auch teurer und dauerte länger. Aber keiner sagt nun, man sollte keine Metro-Linien mehr bauen.“

Das Kernkraftwerk startete im Dezember 2021 erstmals die Kettenreaktion, physikalisch ausgedrückt, es wurde kritisch.

 

[1]  Welt am Sonntag, „Der Zweck heiligt die Mittel“, Interview von Gregor Schwung, 09.01.2022