Ampel-Koalitionsvertrag: Eingeständnis einer gescheiterten Energiewende

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Die Messlatte für Energiewende und Klimaschutzmaßnahmen liegt in der Ampelkoalition sehr hoch. Unerreichbar hoch:

Mit dem „beschleunigten Ausstieg aus der Kohleverstromung, der idealerweise bis 2030 gelingen“ soll und unter der Annahme eines „höheren Bruttostrombedarfs von 680 -750 TWh im Jahr 2030“, der zu „80 Prozent aus erneuerbaren Quellen“ stammen soll, ferner „15 Millionen zugelassener E-Autos in 2030“ sowie forcierte Elektrifizierung der Industrie, Ausbau der Wärmepumpen und der Wasserstoffgewinnung mit „grünem“ Strom, damit droht Deutschland eine Stromlücke.

Damit es dazu nicht kommt, heißt es im Koalitionsvertrag:

„Wir beschleunigen den massiven Ausbau der Erneuerbare Energien und die Errichtung moderner Gaskraftwerke, um den im Laufe der nächsten Jahre steigenden Strom- und Energiebedarf zu wettbewerbsfähigen Preisen zu decken. Die bis zur Versorgungssicherheit durch Erneuerbare Energien notwendigen Gaskraftwerke müssen so gebaut werden, dass sie auf klimaneutrale Gase (H2-ready) umgestellt werden können. Erdgas ist für eine Übergangszeit unverzichtbar“.

 Diese Ansicht war bislang nicht offenkundig, denn auch Gaskraftwerke emittieren CO2, was mit dem angestrebten Klimaschutzziel vermieden werden soll. Zugleich ist der Hinweis auf die Unverzichtbarkeit von Gaskraftwerken ein Eingeständnis einer gescheiterten Energiewende. Versorgungssicher, umweltschonend, wirtschaftlich, nichts davon wurde erreicht, im Gegenteil!

 Laut einer im Handelsblatt [1] zitierten Rechnung des EWI Köln müssen demnach bis 2030 Gaskraftwerke mit einer installierten Leistung von 23 GW neu gebaut werden. Zum Vergleich, das Ende 2021 abgeschaltete Kernkraftwerk Grohnde hat eine Leistung von 1,43 GW. Bei der Bundesnetzagentur seien aktuell Gaskraftwerkskapazitäten von 2,3 GW bis 2030 als geplanter Zubau gelistet. Folglich wäre eine 10-fache Kapazität bis 2030 erforderlich. Ein konkreter Zubau ist nicht in Sicht.

 Der „massive Ausbau der Erneuerbaren Energien“ bedeutet einen Ausbau der „Photovoltaik auf ca. 200 GW und der Kapazität für Windenergie auf See auf mindestens 30 GW bis jeweils 2030“. Die derzeitigen Kapazitäten sind für Photovoltaik 59 GW [2] und für Offshore-Anlagen 7,8 GW. Aufgrund der bisherigen Ausbauentwicklung ist das angestrebte Ausbauziel geradezu utopisch.

Eine totale Verspargelung steht der deutschen Kulturlandschaft bevor, wenn „für die Windenergie an Land (Onshore) 2 Prozent der Landflächen ausgewiesen werden“ sollen. Die rund 30.000 installierten Windenergieanlagen nehmen ca. 0,2 Prozent in Anspruch. Gleich, ob Ausbau der Onshore- oder Offshore-Anlagen, die Schädigung der Flugtiere wird ignoriert, auch wenn es bei der Ampel heißt:

„Den Konflikt zwischen Windkraftausbau und Artenschutz wollen wir durch innovative technische Vermeidungsmaßnahmen entschärfen, u.a. durch Antikollisionssysteme“.

Diese Groteske des Klimaschutzes auf den Punkt gebracht: Der Klimaschutz betreibt offensichtliche Naturzerstörung, spricht sich aber selbst heilig.

Aufgrund der momentanen kritischen Erdgasversorgung in Deutschland und Europa stellt sich die alles entscheidende Frage nach der Liefersicherheit und der Erdgaskosten. Gegenwärtig schießen die Erdgaspreise durch die Decke.

Deutschland ist nahezu vollständig auf Erdgasimporte angewiesen. Deutschlands Gaslieferanten sind nach Angaben der Bundesnetzagentur und des Kartellamtes:

Zwei Drittel aus Russland, etwa 20 % aus Norwegen, knapp 12 % aus den Niederlanden. Die deutsche Förderung lag 2020 bei etwa 5 % des Inlandverbrauchs. Deutschland war 2020 mit Abstand der größte Einzelkunde für russische Erdgasexporte. Auf Deutschland entfielen 56,3 Milliarden Kubikmeter. Rund 85 Milliarden Kubikmeter Erdgas braucht Deutschland bislang im Jahr (Grafik).

Entwicklung des deutschen Erdgasverbrauchs

Die Niederlande haben angekündigt, ihre Gasexporte zu drosseln und könnten für Deutschland ausfallen.

Die Erdgasspeicher sind nur noch zu knapp 45 Prozent gefüllt. Zum Vergleich: Vor drei Jahren, am 18. Januar 2019, lag der Wert bei 70 Prozent, am 18. Januar 2020 sogar bei 93 Prozent, wie das ZDF am 21.1.2022 berichtete [6].

Bei Ausstieg aus der Kohle muss diese Energie in Form von Erdgas bereitgestellt werden. Steinkohle und Braunkohle tragen mit rund 2.000 Petajoule (PJ) zur Stromerzeugung in Deutschland bei (Abbildung). Wenn die unterschiedlichen Wirkungsgrade von Kohle und Gas bei der Verstromung der Einfachheit halber außer Betracht bleiben, dann entsprechen 2.000 Petajoule einer Erdgasmenge von rund 50 Milliarden Kubikmeter. Diese Gasmenge entspricht etwa dem Gasimport aus Russland.

Primärenergieverbrauch in Deutschland.

1 Petajoule (PJ) = 1015 Joule= 278 GWh = 34,121 Tonnen Steinkohleeinheiten

Will Deutschland sich von russischen Erdgasimporten deutlich unabhängiger machen, was nach gegenwärtiger politischer Lage aber auch grundsätzlich dringend erforderlich wäre, bietet sich der Import von Flüssiggas aus den USA an oder aber Deutschland unterzieht die deutsche Erdgasförderung durch Fracking einer erneuten politischen Prüfung. Die kritische Versorgungslage gebietet dies. Es sind dringend verlässliche und auch bezahlbare Versorgungsalternativen aufzubauen.

Flüssiggas aus den USA, darüber muss man sich im Klaren sein, wird durch Fracking gefördert.  Dieses zur Erschließung und Förderung von Erdgas aus Schiefergestein in den USA bereits wirtschaftlich und im großen Stil angewandte Verfahren stößt in Deutschland wegen des vermeintlichen Risikos einer Grundwasserversorgung auf Widerstand und ist daher untersagt, wird im Fall des Importes aber dem Förderland zugemutet. Ähnlich den Importen von Strom aus den Nachbarländern Deutschlands, der zum großen Teil in Kernkraftwerken erzeugt wird.

Diese neue Fracking-Technik hat in den USA durch die Erschließung bislang unerreichbarer, enormer Öl- und Gasvorkommen zu einem beispiellosen Energieboom mit einem Preisverfall der Energiekosten geführt.

Der Schiefergasboom in Pennsylvania hat die US-Verbraucher vor extremen Preisspitzen geschützt, wie sie kürzlich in Europa zu beobachten waren. Dank einer Fülle von Erdgas in den Marcellus- und Utica-Schiefern hat sich Pennsylvania innerhalb weniger Jahre zu einem wichtigen Produzenten und Exporteur von Erdgas entwickelt, der Tausende von Arbeitsplätzen unterstützt und Milliardeneinnahmen für den Staat generiert [3].

In den USA verwendet etwa die Hälfte aller Haushalte heute Erdgas als primären Heizstoff. Die Umstellung von weniger sauberen Energiequellen auf Erdgas zur Stromerzeugung hat dazu beigetragen, die Kohlendioxidemissionen auf den niedrigsten Stand einer Generation zu senken, was beweist, dass Erdgas ein mächtiges Instrument im Kampf gegen den Klimawandel ist [3].

In Deutschland sind weitreichende Verbote und Einschränkungen für die Anwendung der Fracking-Technik in Deutschland in Kraft. „Unkonventionelle Fracking-Vorhaben aus kommerziellem Interesse sind in Deutschland bis auf weiteres nicht zulässig. Das heißt, es gilt ein Verbot für unkonventionelles Fracking im Schiefer-, Mergel-, Ton- und Kohleflözgestein. Bundesweit erlaubt sind lediglich vier Erprobungsmaßnahmen, die ausschließlich wissenschaftlichen Zwecken dienen“ [7].

Das durch Fracking förderbare Schiefergaspotential in Deutschland ist beträchtlich. Die Schiefergas-Gesamtmenge beträgt nach den von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) durchgeführten Berechnungen 13 Billionen Kubikmeter, wobei allerdings die technisch gewinnbare Menge, die Schiefergasressourcen, auf etwa 1,3 Billionen Kubikmeter geschätzt wird. Diese Menge liegt nach Angaben im Bericht [4] deutlich über Deutschlands konventionellen Erdgasressourcen von 0,15 Billionen Kubikmetern.

Mehrere in [5] genannte Studien kommen zu dem Ergebnis, „dass die Erkundung und Förderung von unkonventionellen Lagerstätten unter bestimmten Voraussetzungen mit den Anforderungen der geltenden Umweltgesetze vereinbar ist. Daher ist – unter Einhaltung bestimmter Qualitäts-, Umwelt- und Sicherheitsanforderungen – ein Einsatz der Fracking-Technologie aus geowissenschaftlicher Sicht grundsätzlich möglich. Weiterhin wird betont, dass ohne Aufsuchungs- bzw. Untersuchungstätigkeiten jedoch keine belastbaren Aussagen über die Möglichkeiten der Gewinnung von Schiefergas gemacht werden können.“

Fassen wir zusammen:

  • Der Ausstieg aus Kernenergie und Kohle soll/muss durch Gaskraftwerke kompensiert werden.
  • Auch der Zubau von Windenergie- und Solaranlagen macht eine ständig abrufbare Gaskraftwerkskapazität mindestens in Höhe der Grundlast erforderlich.
  • Ausreichende Gaskraftwerkskapazität steht nicht zur Verfügung. Ein Zubau von ca. 23 GW ist erforderlich. Standortbenennungen, Gasleitungen zu den Standorten und technisch kaum mehr zu erfüllende Emissionsanforderungen sind bis 2030 nicht zu bewerkstelligen.
  • Fehlende Stromerzeugungskapazität bei gleichzeitig steigendem Strombedarf erzeugt eine bedrohliche Lücke in der Stromversorgung.
  • Der Ersatz der Kohle durch Erdgas macht einen zusätzlichen jährlichen Gasimport von mindestens 50 Milliarden Kubikmeter erforderlich.
  • Gasimporte aus Osteuropa könnten politisch bedingten Lieferschwierigkeiten ausgesetzt sein. Flüssiggasimporte aus den USA stehen im Prinzip zur Verfügung, werden von Deutschland aber nicht in Anspruch genommen.
  • Deutschland verfügt über ein beträchtliches Schiefergaspotential, das genutzt werden muss, um von Gasimporten weniger abhängig zu sein.

 

[1] Klaus Stratmann, Kathrin Witsch „Stromlücke droht: Warum die Ziele aus dem Koalitionsvertrag kaum zu meistern sind“, Handelsblatt 06.12.2021

[2]   https://www.ise.fraunhofer.de/content/dam/ise/de/documents/publications/studies/aktuelle-fakten-zur-photovoltaik-in-deutschland.pdf

[3]  https://www.post-gazette.com/opinion/Op-Ed/2022/01/15/Stephanie-Catarino-Wissman-Oil-and-gas-keep-America-Pennsylvania-competitive/stories/202201060086?mc_cid=0869e1e4dd&mc_eid=2560bc397b

[4] http://www.bgr.bund.de/DE/Themen/Energie/Downloads/BGR_Schiefergaspotenzial_in_Deutschland_2012.pdf?__blob=publicationFile

[5] https://www.dirk-hottmann.com/fracking-vii-das-potenzial-von-schiefergas-in-deutschland/

[6] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/gasversorgung-winter-speicher-puffer-100.html

[7] https://www.umweltbundesamt.de/themen/wasser/gewaesser/grundwasser/nutzung-belastungen/fracking#:~:text=Das%20Umweltbundesamt%20hält%20die%20Unterscheidung%20zwischen%20konventionellen%20und,der%20Fracking-Technologie%20durchgeführt%20wird%2C%20sollten%20gleichwertige%20Anforderungen%20gelten.