Noch ist es nicht zu spät: Kernkraftwerke anstatt Kohlekraftwerke

Print Friendly, PDF & Email

Eine wichtige Erkenntnis ist wenigstens inzwischen beim Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck angekommen: Selbst bei weiterem Ausbau der erneuerbaren Energie „gebe es immer wieder Phasen, wo Wind und Sonne nicht ausreichten“. Dann sollen „steuerbare“ Kraftwerke einspringen. Auch wenn die Erkenntnis trivial ist, sie brauchte offenbar Zeit, dort anzukommen.

Nun muss noch die Erkenntnis reifen, dass selbst bei doppelter oder dreifacher Kapazitätsgröße der derzeitigen erneuerbaren Energie zur sicheren Stromversorgung „steuerbare“, vor allem grundlastfähige Kraftwerke von rund 50.000 MW ständig betriebsbereit zur Verfügung stehen müssen. Es ist also nicht mit ein paar „steuerbaren“ Kraftwerken getan.

Doch anstatt die noch vorhandenen Kernkraftwerke zu nutzen, die überdies den gewünschten CO2-freien Strom produzieren würden, werden lieber alte Kohlekraftwerke reaktiviert mit der Folge steigender CO2-Emissionen. Oder gar der Neubau von Gaskraftwerken mit der bekanntlich teuersten Art der Stromerzeugung angekündigt. Gaskraftwerke, die dereinst mit grünem Wasserstoff betrieben werden sollen, der ineffektivsten Art der Stromerzeugung. Man bedenke: Strom aus Windkraftwerken zum Betrieb von Elektrolyseanlagen zur Herstellung von grünem Wasserstoff, der in Gaskraftwerken erneut Strom erzeugen soll. Verrückter geht es kaum. Grünes Denken ist weder rational noch wirtschaftlich.

Die deutsche Bevölkerung ist in puncto Erkenntnis dem Bundeswirtschaftsminister weit voraus. In Umfragen hat sich über die Hälfte für den Fortbetrieb der Kernkraftwerke ausgesprochen. Ist es zum Fortbetrieb nicht längst zu spät?

Das US-amerikanische Beratungsunternehmen Radiant Energy Group, gegründet und geführt von dem Kerntechniker Mark Nelson, hat sich die Lage genau angesehen. Nelson sprach unter dem Siegel der Vertraulichkeit mit Vorstandsmitgliedern und leitenden Mitarbeiter von Betreibergesellschaften und Kerntechnikunternehmen in Deutschland. Er wollte herausfinden, welche technischen, rechtlichen und politischen Hürden es gibt, um die stillgelegten Kernkraftwerke wieder ans Netz zu nehmen. Cicero berichtete am 21. Juli 2023 [1] über die amerikanische Studie [2].

„Die Beteiligten machten, unter der Bedingung der Wahrung ihrer Anonymität, detaillierte Angaben zu den Herausforderungen beim Wiederanfahren der angesprochenen Kernkraftwerke“, schreiben Nelson und sein Co-Autor in ihrer frisch veröffentlichten Studie. Ihr Ergebnis ist überraschend und entlarvt die in der innerdeutschen Debatte dominierenden Verhinderungsargumente als vorgeschoben: „Die Rücknahme des deutschen Atomausstiegs wird von der Öffentlichkeit unterstützt, lohnt sich wirtschaftlich und ist technisch machbar.“

Im günstigsten Fall würden nur neun Monate benötigt, um viele der Reaktoren wieder anzufahren. „In unserem realistisch machbaren Best-Case-Szenario könnten sechs Reaktoren innerhalb von neun bis zwölf Monaten und zwei weitere Reaktoren innerhalb von zwei bis drei Jahren wieder in Betrieb genommen werden“, so die Experten.

Insgesamt gebe es in Deutschland mindestens acht Kernreaktoren, bei denen mit dem Rückbau entscheidender Komponenten im Reaktorgebäude noch nicht begonnen wurde. Diese Reaktoren hätten das größte Potenzial für eine Wiederinbetriebnahme, heißt es in der Studie. „Zusammen besitzen diese Reaktoren eine elektrische Nettoleistung von insgesamt 10,7 Gigawatt, das entspricht circa 30 Prozent des deutschen Mindest- beziehungsweise Grundlaststrombedarfs von 35 Gigawatt.“

Bei weiteren Reaktoren, deren Rückbau weiter fortgeschritten ist, sei eine Wiederinbetriebnahme zwar schwieriger. Die Autoren empfehlen dennoch „dringend, die weitere Zerstörung auch dieser Anlagen zu stoppen“. Denn sie blieben „gute Kandidaten für eine zukünftige Instandsetzung, sollten sich die politischen Verhältnisse in Deutschland ändern.“

Die international tätigen Kerntechnikexperten loben den hervorragenden Zustand der stillgelegten deutschen Kernkraftwerke, die jünger als andere Reaktoren seien, deren Laufzeit derzeit weltweit verlängert wird. Und sie betonen: „Deutschland betrieb einst eine der größten Kernkraftwerksflotten der Welt. Das Land war auch weltweit ein führender Anbieter von Reaktoren und nuklearen Dienstleistungen.“

Die angebliche Klimaschutzpartei schafft es nicht, sich von ihrer Anti-Atom-Vergangenheit zu lösen. Sie sollten dem Vorbild ihrer grünen Parteifreunde in Finnland folgen, die Kernkraft aus Klimaschutzgründen befürworten.

Wichtig wäre daher nun ein KKW-Rückbaustopp, den der Bundestag auch ohne Grünen-Stimmen beschließen kann, damit bis zur nächsten Bundestagswahl gerettet werden kann, was noch zu retten ist.

 

[1] Cicero, „Mindestens acht deutsche Kernkraftwerke könnten gerettet werden“, Daniel Gräber, 21.7.2023

[2] https://www.radiantenergygroup.com/reports/restart-of-germany-reactors-can-it-be-done