Studie belegt unsichere Stromversorgung auch bei Ausbau der Windenergie- und Solaranlagen

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Die e.venture consulting GmbH,Berlin legte im April 2023 eine bislang in der Öffentlichkeit wenig bekannte Studie [1]  „Zukunft des deutschen Strommarktes“ vor, in der Auswirkungen eines dekarbonisierten Stromsystems auf Versorgungssicherheit, Investitionserfordernisse und Markdesign beschrieben werden.

 In der Studie heißt es wörtlich: “Trotz des starken Ausbaus der Erneuerbaren Energien und der sicheren Stromversorgung allein durch PV (Photovoltaik) und Wind ist nicht gewährleistet.”

Das Problem ist bekannt und in vielen Artikeln von uns, der AGEU erläutert: Weil Solar- und Windanlagen auf launenhaftem Wetter basieren, liefern sie sehr intermittierend und selten sekundengenau den Strom, wie ihn das Netz benötigt.

Energiewendeplaner ziehen in diesem Fall schnell einen Trumpf aus dem Ärmel: “Flexibilitäten”.

Doch diese Flexibilitäten sind für Wirtschaft, Industrie und Haushalte inakzeptabel. Stimmt die Nachfrage nach Strom nicht mit dem Angebot von Wind- und Solaranlagen überein, wird “Demand-Side-Management” praktiziert: Industrieunternehmen drosseln ihre Produktion gegen Gebühr, Kühlhäuser kühlen ihre Lager für einige Stunden nicht mehr.

Auch Privatpersonen sollten den Zeitpunkt des Aufladens von Batterien für Elektroautos und Wärmepumpen in der Nacht verschieben müssen. Die Rechtsgrundlage dafür bereiten die Bundesregierung und die Bundesnetzagentur mit der Novelle des § 14a Energiewirtschaftsgesetz vor.

Die Bundesnetzagentur geht davon aus, dass solche Flexibilitäten im mehrstelligen Gigawattbereich liegen und zur Verfügung stehen werden, um den kapriziösen Ökostrom aus Wind und Sonne zu kompensieren. Nach Berechnungen werden diese “Flexibilitäten” jedoch überschätzt.

“Etwa 1.600 Stunden im Jahr ist mit einer Abregelung bzw. marktbedingten Abschaltung der Erneuerbaren zu rechnen, weil alle anderen Möglichkeiten zur Nutzung der Strommengen ausgeschöpft sind”, heißt es in der Studie. Bei 8.760 Stunden pro Jahr wäre das fast jede fünfte Stunde.

Die Bundesregierung erweckt den Eindruck, dass relativ wenige Gaskraftwerke ausreichen, um erhalten zu bleiben. Und weil sie bei Windstille nur selten einspringen müssen, ließen sie sich gut mit teurem, klimaneutralem Wasserstoff betreiben.

Die Regierung spricht von neuen Gaskraftwerken mit einer Leistung von 21 Gigawatt, d.h. bis 2030 sollen rund 50 Anlagen gebaut werden.

Auf dieser Basis plant Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) seine “Kraftwerksstrategie”, die er noch in diesem Jahr vorlegen will. Habeck wörtlich: “Die tragenden Säulen der Dekarbonisierung sind erneuerbare Energien und Flexibilität in Anlage und Speicherung, aber auch steuerbare Kraftwerke für wenige Stunden im Jahr.”

Ein paar Stunden im Jahr? E.venture kommt auf ganz andere Zahlen: “Die flexiblen Kraftwerke haben mit weit über 1800 Stunden beachtliche Betriebszeiten und laufen nicht nur in wenigen Stunden”, widersprechen die Studienautoren dem Minister. Statt “ein paar Stunden” würden die Systeme ein Fünftel des Jahres laufen.

Die Mengen an Wasserstoff, die ein derart umfangreicher Betrieb von Notstromkraftwerken verbraucht, würden noch auf keiner Rechnung auftauchen. Auch 21 Gigawatt Gaskraft sind nicht genug.

Selbst wenn der Ausbau der Erneuerbaren wie gewünscht gelingen sollte, rechnet das Studien-Team damit, dass 75 Gigawatt an flexiblen Gaskraftwerken notwendig sein werden, um die Schwankungen beim Ausgleich von Wind und Sonne zu bewältigen. Das wäre fast die gesamte Spitzenlast des heutigen Stromnetzes, die als Backup-Kapazität vorgehalten werden müsste.

Die Tatsache, dass Wind und Solar keine Rechnung schicken, ist irrelevant. Habeck hatte erklärt, dass ein subventionierter “Brückenstrompreis nur noch bis 2030 notwendig sein wird, weil dann Wind und Sonne billigen Strom liefern werden. Wenn die in der Studie ausgewiesenen Berechnungen stimmen, entbehrt das Versprechen von billigem Strom jeder Grundlage.

Das Fazit der Studie: “Die Strompreise werden im Schnitt bei 120 Euro/MWh im Jahr 2040 liegen, das ist etwa das Zweieinhalbfache des Vorkrisenniveaus.

 Wörtlich heißt es im Fazit der Studie:

“Wesentliche, erwartbare Erkenntnis ist, dass die Erzeugung aus Wind und PV der geforderten Nachfrage, bzw. Last nicht entspricht. Es kommt zu Überschüssen und Defiziten. Die Höhe des leistungsseitigen Defizits ist mit brutto 120 GW bei einer Maximallast von 146 GW erheblich. Anders ausgedrückt reicht an 5.000 Stunden im Jahr die Erzeugung aus Wind und PV nicht aus, die Bedarfe zu decken.”

“Dies entspricht einer fehlenden Erzeugungsmenge von 233 TWh. Trotz starkem Ausbau der Erneuerbaren Stromerzeugungskapazitäten und dem Erreichen der hundertprozentigen bilanziellen Abdeckung des Strombedarfs im Jahr 2040 sind weiterhin flexible Kraftwerkskapazitäten in signifikantem Ausmaß erforderlich. Das werden aus heutiger Sicht wasserstoffbetriebene Gaskraftwerke oder Kraftwerke mit CO2-Abscheidung sein.”

“Nutzbare Flexibilitäten auf der Verbrauchsseite und Speicher, wie Batterien, leisten einen Beitrag, die Defizitstunden zu reduzieren, helfen aber nicht, die Spitze in der Defizitlast wesentlich zu reduzieren. Diese beträgt nach Nutzung aller Flexibilitäten 75 GW.”

“Die entsprechend erforderlichen flexiblen Kraftwerke haben mit deutlich über 1.800 Stunden signifikante Einsatzzeiten und laufen nicht nur in wenigen Stunden. Die Finanzierung der flexiblen Kraftwerke ist unter der Annahme von knapp 400 Engpassstunden mit einem durchschnittlichen Preis von über 680 Euro/MWh gegeben.”

“Der Umbau des Stromsystems ist nicht umsonst zu haben. Der Ausbau der Wind und PV-Kapazitäten wird etwa 430 Mrd. Euro benötigen. Der Aufbau der flexiblen Erzeugung schlägt mit ca. 70 Mrd. Euro zu Buche und allein der Ausbau der Übertragungsnetze ist mit 200 Mrd. Euro zu veranschlagen.”

[1] https://e-vc.org/