Die Verschwendungsspirale der Energiewende

Im Jahr 2000 verabschiedete die damals rot-grüne Bundesregierung das Erneuerbare Energiegesetz, EEG.[1] Es war der Startschuss der Energiewende. Es war eine punktuelle Intervention in Deutschlands bis dahin gesicherter Stromversorgung. Inzwischen steht die Versorgungssicherheit für Strom auf dem Prüfstand.[2] Nur eine Interventionsspirale (Ludwig von Mises) aus ständig neuen Verordnungen, Gesetzen und Subventionen hat die Energiewende bis heute am Leben erhalten können. Die Energiewende befeuert eine sich immer weiter nach oben drehende Spirale von Verschwendungen von ökologisch und ökonomisch relevanten Ressourcen, sie ist ein riesiges Puzzle mit unzähligen Einzelteilen.

Die Eigentlichkeit der Energiewende ist eine Verschwendungsspirale.

Die Ausgangslage

Einst lieferten grundlastfähige Kraftwerke (Kohle, Erdöl, Erdgas) eine konstante und unterbrechungsfreie Menge an Strom, um den Mindestbedarf des Stromnetzes zu decken. Die Physik diktiert hier die Spielregeln: ein Stromnetz kann keine Energie speichern, d. h. die eingespeiste Strommenge muss zu jeder Zeit gleich der entnommenen Strommenge sein (Energieerhaltungssatz, Kirchhoff’sches Gesetz); im europäischen Netz beträgt die Netzfrequenz 50 Hz, und die muss zu jeder Sekunde gewährleistet sein. Ist das nicht der Fall, so bricht das Netz zusammen (Blackout).

Wind- und Solarindustriekraftwerke können das nicht gewährleisten. Die Konsequenz ist der notwendige Aufbau von Zusatzstrukturen, um diesen Mangel auszugleichen: diverse Speicherformen, Backup-Kraftwerke, Engpassmanagementmaßnahmen usw.. Sie existieren parallel zu den bereits vorhandenen Strukturen, deren Verflechtungen miteinander immer komplexer werden.

Es wird immer verschwenderischer, die Verschwendungsspirale dreht sich nur in eine Richtung: nach oben.

‚One – installation Fallacy‘

Ein einziges Windrad besteht aus bis zu 25000 Einzelteilen:[3] Man stelle sich die darin enthaltenen Rohstoffe, deren Mengen und die Komplexität der Lieferketten vor! Die Ingenieure verstehen die Funktionsweise eines Windrads jedoch bis ins kleinste Detail. Die Ansammlung mehrerer Windräder in einem Windindustriepark stellt da schon höhere Ansprüche. Ein gänzlich neues Phänomen entsteht, wenn etwa 31000 Windräder zu einem das ganze Land überziehenden Netzwerk an Windindustrieparks zusammengeschlossen, und diese dann auch noch mit unzähligen Solarpaneelen verknüpft werden.

Beide Typen von Industrieanlagen unterliegen ihren eigenen, wetterabhängigen Schwankungen. Aus einem unscheinbaren Windrad und einer Solarpaneele ist plötzlich ein komplexes System entstanden, ein Monster, das immer schwerer kontrollierbar wird.

In der Natur begegnet uns dieses Phänomen ständig. Die Funktionsweise einer Nervenzelle ist bestens verstanden, aber die Funktionsweise unseres Zentralnervensystems bleibt ein Rätsel: Es handelt sich eben nicht nur um die milliardenfachen Verästelungen von Nervenzellen. Auch Beziehungen, wie etwa Gen – Genetik – Epigenetik, Spezies – Biodiversität, chemisches Element – Periodensystem der Elemente oder CO2 – Erdatmosphäre sind Beispiele für die Wunder von Mutter Natur. Das Zusammenspiel der Einzelteile ist jeweils so komplex, dass die Simplizität eines Einzelteils nur bedingt Rückschlüsse auf die Komplexität des Gesamtsystems zulässt. Man wird Opfer der ‚One – installation Fallacy‘ wenn man glaubt, vom Einzelteil auf das Gesamtsystem schließen zu können.

Im Falle der Komplexität von Mutter Natur bestaunt man jedes Wunder, im Falle der anthropogenen Komplexität der Energiewende wundert man sich auch, nur anders.

Redispatch – Maßnahmen

Weht an einer Stelle des Stromnetzes zu viel Wind (z. B. im Norden), seine Hauptabnehmer jedoch befinden sich im Süden, so muss der Windstrom von Norden nach Süden transportiert werden. Wenn die Stromtransportkapazitäten nicht ausreichen kommt es zu Engpässen: Windräder im Norden müssen dann abgeregelt werden, Backup-Kraftwerke im Süden müssen hochgefahren werden. Das sind Redispatch – Maßnahmen.[4] Das EEG schreibt vor, dass Windradbetreiber vergütet werden, ob sich die Windräder drehen oder nicht; Industrieanlagen, die oft still stehen sind ineffizient und teuer und damit verschwenderisch.

Redispatch-Maßnahmen nehmen proportional mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien zu:[5] Hinzu kommt die Schwierigkeit, dass private Solaranlagen nicht durch Redispatch-Maßnahmen geregelt werden können; bei steigendem Ausbau in Privathaushalten besteht besonders im Sommer das Problem der Überproduktion – Hellbrise – was die Netzstabilität gefährdet.

Redispatch – Kosten:

  • 2015: €1,1 Milliarden
  • 2024: €2,8 Milliarden

Zum Zeitpunkt des Starts der Energiewende waren Redispatch-Maßnahmen irrelevant, heute, 25 Jahre später, sind sie essentieller Bestandteil des Gesamtsystems.

Das Hochfahren der Backup-Kraftwerke (bereits vorhandene Kohle – und Gaskraftwerke)  verursacht natürlich unerwünschte CO2 – Emissionen; diese Kraftwerke stehen auf Abruf bereit, was ineffizient, teuer und damit verschwenderisch ist.

Die Bundesregierung hat aber soeben beschlossen, neue Kapazitäten für Gaskraftwerke zu bauen, in der Größenordnung von 8-10 GW. Es geht nicht anders, denn der Ausbau von Speichern bleibt weit hinter den Erfordernissen zurück.

Batteriespeicher

Deutschland setzt in erster Linie auf elektrochemische Speicherung, also rohstoffintensive Batteriespeicher (Lithium-Ionen-Batterien), die auch besonders umweltbedenklich sind.

Der Ausbau verläuft sehr schleppend, und liegt weit hinter den erforderlichen Kapazitäten zurück:[6a] 

  • 2014:   0,1 GWh
  • 2024: 17,7 GWh
  • 2030: 100 GWh (geplant)

Um eine Größenvorstellung davon zu bekommen, sei hier ein Beispiel genannt: „In Alfeld soll bis 2026 ein Batteriepark mit 137,5 Megawatt Leistung und 275 Megawattstunden (Anm.: 0,275 GWh) Speicherkapazität entstehen – genug, um eine Million Haushalte für rund acht Stunden zu versorgen, rein physikalisch betrachtet.“[6a] Bei Industrieanlagen ist der Strombedarf natürlich deutlich höher.

Batteriespeicher werden auch irreführend als ‚Erneuerbare auf Abruf/auf Knopfdruck‘ bezeichnet.[6a, b] Batterien kommen bei Flaute zum Einsatz, also ungünstigen Bedingungen für Wind und Sonne. Diese Bedingungen können einige Stunden andauern, sogar einige Tage. Wenn die Batterien leer sind, müssen sie auf ‚besseres Wetter‘ warten, um wieder gefüllt werden zu können. Da erneuert sich nichts, erst recht nicht von selbst oder auf Abruf, oder Knopfdruck: ‚besseres Wetter‘ erscheint nicht auf Abruf oder Knopfdruck.

Und da man das weiß, wird eine Alternative benötigt: „Bei mehrtägigen Dunkelflauten beispielsweise reichen Batterien nicht mehr aus, um die geringere Energieerzeugung durch Erneuerbare zu kompensieren – zu begrenzt in der Speicherkapazität, zu teuer in der langfristigen Anwendung. Für solche Szenarien seien wasserstoffstoffbasierte Langzeitspeicher die bessere Lösung“, sagt Wille-Haußmann (Fraunhofer-Institut ISE).[6b]

Wasserstoff

Der Wasserstoff der Energiewende muss ‚grün‘ sein. Das bedeutet, dass er durch Elektrolyse von Wasser mit Hilfe von Wind- und Solarstrom hergestellt werden muss. „Das ist ein solch ineffizientes Verfahren, dass es einem die Tränen in die Augen treibt“ Sagt Ed Conway.[7] Es ist außerdem teuer und rar. Deutschland wird seine Ausbauziele um eine Größenordnung verfehlen, und global sieht es nicht besser aus: Deutschlands Minimumimportbedarf für das Jahr 2030 beträgt 3/4 der zu erwartenden globalen Produktion. [8]

Das Handling von Wasserstoff stellt gänzlich andere Anforderungen an die Materialien, als Erdgas. Die Chemie und Physik diktieren hier wieder die Spielregeln: Behälter, Rohrleitungen und Gasturbinen müssen alle erneuert werden.

Nicht-‚grüner‘ Wasserstoff wäre verfügbar aus verschiedenen Quellen, z. B. Länder, die moderne Kernreaktoren haben, aber die Energiewende schreibt den verschwenderischen Weg über Wind – und Solarenergie vor, auch wenn er noch so unrealistisch ist.

Europäischer Stromhandel

Die mit Abstand effektivsten Maßnahmen zur Stabilisierung der flatterhaften Einspeisung von Wind- und Solarstrom bedingen die Mithilfe der europäischen Nachbarn.

  • Überproduktion von Wind- und Solarstrom bedeutet Verschwendung, denn er muss weggeworfen werden: es fehlen Speicher, und daher muss er ans Ausland abgegeben werden und das kostet Geld (Negativstrompreise).
  • Bei Unterproduktion muss Strom aus dem Ausland importiert werden (Positivstrompreise).

Stromimporte und Exporte:[9]

  • 2023 Import: 54 TWh < 2024 Import: 67 TWh
  • 2023 Export: 39 TWh > 2024 Export: 35 TWh

Deutschland exportiert immer weniger Strom und importiert dafür immer mehr. Im Jahr 2022, dem Jahr der Abschaltung der letzten 3 Kernkraftwerke, wurde Deutschland zum Nettostromimporteur. Der wichtigste Stromlieferant für Deutschland ist Frankreich, d. h. Atomstrom aus Frankreich, was einer gewissen Ironie gleichkommt.

Hier werden nicht nur die Ressourcen von Deutschlands Nachbarn strapaziert, sondern auch deren Nerven. Stimmen aus verschiedenen Ländern werden immer kritischer und lauter, weil die zunehmende Instabilität des Stromnetzes in Deutschland sich auf das europäische Stromnetz überträgt: Diese Turbulenzen wirken sich negativ auf die dortigen Strompreise aus.

Der deutsche Strommix

Ist nach 25 Jahren Energiewende die Zeit zum Feiern gekommen? Die Medien berichten weiterhin positiv, die nackten Zahlen sprechen jedoch eine andere Sprache.

Der Stromanteil im deutschen Energiemix beträgt nur etwa 20%; er wird gedeckt durch den Einsatz von fossilen und Erneuerbaren Energiequellen. Die restlichen 80% im deutschen Energiemix werden gänzlich durch fossile Energieträger gedeckt.[10].

Die 20 alten Kernkraftwerke, die noch zu Beginn der Energiewende in Betrieb waren lieferten mehr Strom, als die heutigen etwa 31000 Windkraftanlagen:[10] 2000 war die Stromversorgung gesichert, heute ist sie das nicht.[2]

Nettostromerzeugung:   2000                 2024               

  • Kernkraftwerke:     161 TWh                  0 TWh
  • Windkraftanlagen:    9 TWh              136 TWh
  • Solaranlagen:             0 TWh                58 TWh
  • Stromversorgung: gesichert    nicht gesichert

Die Zahlen sind ernüchternd, aber wie steht es mit der ‚Grünheit‘ des Stroms, dem eigentlichen Ziel? Auch nicht gut: Neulich war eine Ausschreibung für ein Projekt, um ‚grünen‘ Wasserstoff für ein Stahlwerk im Saarland bereitzustellen, um dort ‚grünen‘ Stahl zu produzieren. Der Auftrag ging an einen französischen Bewerber; der direkt benachbarte deutsche Bewerber ging leer aus.[11] Grund: Deutscher Strom ist nicht ‚grün’.

Der internationale Vergleich der Emissionen von CO2 – Äquivalenten pro erzeugter KWh für das Jahr 2024 ist eine schallende Ohrfeige für die Energiewende:[12a, b]

  • EU                      237 gCO2  /KWh
  • Deutschland    344 gCO2  /KWh
  • Frankreich         44 gCO2  /KWh

Trotz der 25 Jahre dauernden Herkulesanstrengung ist deutscher Strom sogar weniger ‚grün’ als der europäische Durchschnitt. Damit sind auch alle Ideen für ‚grüne‘ Mobilität und ‚grünes‘ Heizen ad absurdum geführt. Trotzdem ist kein Umdenken festzustellen, dabei sind alle Probleme offensichtlich systeminhärent.

Im Gegenteil, die Bundesregierung unterstützt die deutsche Stahlindustrie mit weiteren Subventionen, um ‚grünen‘ Stahl zu produzieren.

Fazit

Aus der Installation des ersten Windrades ist ein immer komplexer werdender Moloch entstanden. Als Opfer der ‚One – installation Fallacy‘ ging man in die Falle der Interventionsspirale.

  • Windkraftanlagen liefern heute weniger Strom als Kernkraftwerke vor 25 Jahren.
  • Wind – und Solarenergieanlagen benötigen fossile Backup – Kraftwerke, Batterien, Wasserstoff und Engpassmanagementmaßnahmen, die man vorher nicht brauchte, die nun aber unverzichtbar geworden sind.
  • Die Stromversorgung war vor 25 Jahren sicher, heute ist sie das nicht mehr. [2]
  • Der Strom ist nicht ‚grün’, er ist sogar schmutziger als der EU-Durchschnitt. [12a, b]
  • Strom aus Erneuerbaren Energien ist teuer, wie an den hohen Strompreisen deutlich zu erkennen ist.

Die hohen Stromkosten sind zurückzuführen auf die Verknappung des Energieangebots und der hohen Systemkosten. Jedes neu installierte Windrad verschlimmert die Lage. Es ist das zentrale Problem der Energiewende, und es führt unweigerlich zur Abwanderung der Industrie und damit zum wirtschaftlichen Niedergang. Damit wird der Wohlstand und damit der Sozialstaat aufs Spiel gesetzt.

Deutschland hat sich an diesen Zustand gewöhnt. Statt ihn grundlegend zu ändern, wird weiter interveniert und weiter verschwendet. Es ist keine Verschwendungswende in Sicht.[13]

Die Verschwendungsspirale wird sich weiterdrehen, bis die Energiewende an ihre ökologischen und ökonomischen Grenzen stößt. Die normative Kraft des Faktischen wird dafür sorgen.

Zeichenerklärung:

TWh = Terawattstunde = 1000 Gigawattstunden

GW = Gigawatt = 1000 Kilowattstunden (KWh)

Quellen:

[1] https://www.wind-energie.de/themen/politische-arbeit/eeg/

[2] https://www.bundeswirtschaftsministerium.de/Redaktion/DE/Downloads/J-L/klimaneutral-

werden-wettbewerbsfaehig-bleiben.pdf?__blob=publicationFile&amp;v=22

[3] https://energiewinde.orsted.de/energiewirtschaft/windraeder-bestandteile-rohstoff-versorgung-recycling

[4] https://www.transnetbw.de/de/strommarkt/systemdienstleistungen/redispatch?date=2024-12&app=redispatch

[5] https://www.smard.de/page/home/topic-article/46/217842/entwicklung-des-netzengpassmanagements

[6a] https://www.enbw.com/unternehmen/themen/speicher/batteriespeicher.html; [6b] https://www.bdew.de/online-magazin-zweitausend50/groesse/batteriespeicher-energie-auf-abruf/

[7] Ed Conway – Material World, S. 488

[8] https://www.bundesrechnungshof.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/2025/wasserstoff/kurzmeldung_wasserstoffstrategie.html

[9] https://www.bundesnetzagentur.de/1043198

[10] https://energy-charts.info/charts/energy_pie/chart.htm?l=de&c=DE&interval=year&year=2000&source=total

[11] https://www.welt.de/wirtschaft/article69062e01df9fa029228f02b9/energiewende-berlin-zahlt-paris-kassiert-im-saarland-erlebt-deutschland-eine-wasserstoff-niederlage.html

[12a] https://ourworldindata.org/grapher/carbon-intensity-electricity; [12b] https://www.eea.europa.eu/en/analysis/indicators/greenhouse-gas-emission-intensity-of-1

[13] J. Schulz: Wo bleibt die Verschwendungswende? https://www.ageu-die-realisten.com/archives/8435/