Klimaschutz vor dem IGH – Worte ohne Wirkung?

Eine Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes [1] Nr. 22/25 (13. August 2025):

Am 23. Juli 2025 hat der Internationale Gerichtshof (IGH) sein lang erwartetes Klima-Gutachten veröffentlicht. Dem wichtigsten Gericht der Vereinten Nationen (VN) zufolge ist eine „saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt“ ein Menschenrecht. Daher lasse sich aus dem Völkerrecht für alle Staaten eine Verpflichtung zu effektivem Klimaschutz ableiten. Das Gutachten könnte Folgen für die nationale und internationale Klimaschutzpolitik haben. Die Betonung liegt auf „könnte“, denn die weitreichenden Forderungen des IGH nach weltweitem Klimaschutz sind nicht bindend.

1. Wie kam es zu dem Gutachten?

Die erste Initiative hatte der Pazifikstaat Vanuatu ergriffen und u. a. mit steigenden Meeresspiegeln begründet. Die VN-Vollversammlung verabschiedete am 29. März 2023 einstimmig eine. maßgeblich von dem Inselstaat eingebrachte Resolution: Der IGH solle eine Stellungnahme dazu abgeben, welche völkerrechtlichen Verpflichtungen Staaten bei der Bekämpfung des Klimawandels hätten.

2. Wie begründet der IGH die Verpflichtung zu Klimaschutz?

Der IGH sieht Umweltschutz und Menschenrechte eng miteinander verknüpft. Die derzeit bestehenden wichtigen völkerrechtlichen Klimaverträge, das heißt die VN-Klimarechtskonvention, das Kyoto-Protokoll und das Übereinkommen von Paris, seien keine abschließenden Regelungen für die Bekämpfung des Klimawandels. Klimaschutz sei vielmehr eine Verpflichtung, die sich bereits aus Menschenrechtsverträgen ergebe:

„The Court thus concludes that, under international law, the human right to a
clean, healthy and sustainable environment is essential for the enjoyment of other
human rights.“

Daher seien zum Klimaschutz auch diejenigen Staaten verpflichtet, die nicht (mehr) Klimaschutz-Abkommen, aber Menschenrechtsverträgen angehörten. Verletze ein Staat seine ihm obliegende Pflicht zur Vermeidung grenzüberschreitender erheblicher Umweltbeeinträchtigungen, stelle dies eine völkerrechtswidrige Handlung dar. Der Staat könne auf Wiederherstellung oder Schadensersatz verklagt werden. Denn die Pflichtverletzung sei justiziabel. Damit haben sich bereits drei internationale Gerichte für eine Verpflichtung zum Klimaschutz ausgesprochen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hatte 2024 im „Klimaseniorinnen-Urteil“ festgestellt, dass die Schweiz die menschenrechtliche Verpflichtung treffe, ein faires und 1,5-Grad-Ziel-kompatibles nationales CO2-Budget zu bestimmen und eine entsprechende Gesetzgebung auszuarbeiten. Rein rechtlich bindet diese Entscheidung nur die Schweiz. Sie dürfte jedoch grundsätzliche Bedeutung haben. Ferner erkannte der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte (IAGMR) in einem Gutachten Anfang Juli 2025 ausdrücklich an, dass Staaten für grenzüberschreitende Klima-Schäden verantwortlich sein können, sofern ein kausaler Zusammenhang bestehe.

3. Ist das Gutachten völkerrechtlich bindend?

Gutachten des IGH sind grundsätzlich nicht bindend. Der IGH hat bei Gutachten, anders als bei Urteilen, nur eine beratende Funktion („advisory opinions“). Gleichwohl gibt ein Gutachten einen Ausblick darauf, wie er in einem künftigen Streitfall die Rechtslage grundsätzlich beurteilt. Gutachten von Gerichten sind dem deutschen Verfahrensrecht grundsätzlich fremd. Die Möglichkeit bestimmter Verfassungsorgane, Rechtsgutachten beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) einzuholen, bestand nur von 1951-1956 und führte zu insgesamt drei Gutachten Auf europäischer und internationaler Ebene können auch andere Gerichte gutachterlich tätig werden: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) nimmt insbesondere zur Vereinbarkeit einer von der EU geplanten Übereinkunft mit den europäischen Verträgen Stellung. Im Unterschied zum IGH sind diese Gutachten bindend. Außerdem kann das Ministerkomitee des Europarats den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) mit der Erstattung sachlich begrenzter Gutachten beauftragen. Gutachten des EGMR sind – anders als seine Urteile – nicht bindend.

4. Ausblick

Also alles nur Worte ohne Wirkung? Nicht ganz: Das IGH-Gutachten dürfte sich in zweierlei Hinsicht auswirken: Als politisches Argument in nationalen und internationalen Debatten und als rechtliches Argument in Verfahren über nationale oder internationale Klimaklagen. Rechtlich gesehen würde zwar keine Bindungswirkung für die Argumentation des IGH sprechen, aber seine fachliche Autorität bei der Festigung und Fortentwicklung des Völkerrechts verleiht ihr praktische Bedeutung. Ferner können Parteien in klimarechtlichen Streitigkeiten vor dem IGH ihre Erfolgsaussichten nunmehr auf Grundlage des Gutachtens besser abschätzen. Der IGH ist allerdings nur für Streitverfahren zwischen Staaten zuständig; internationale Organisationen, Behörden und Privatpersonen haben kein Klagerecht. Die betroffenen Staaten müssen die Zuständigkeit des IGH anerkannt haben. Dieses Anerkenntnis erfolgt durch eine allgemeine Unterwerfungserklärung, eine zwischenstaatliche Vereinbarung oder eine widerspruchslose Einlassung auf das Verfahren. Derzeit sind allgemeine Unterwerfungserklärungen von 74 Staaten in Kraft. Auch Deutschland hat eine solche Erklärung abgegeben, ohne z. B. das Thema Klima- oder Umweltschutz von der Zuständigkeit des IGH auszunehmen. Der IGH hat jedoch keine Möglichkeit, seine Urteile durchzusetzen, und ein nicht unerheblicher Anteil der unterlegenen Staaten hat in der Vergangenheit diese Urteile nicht umgesetzt.

(Ende der WD-Ausarbeitung)

Kommentar

Erneut stellt sich bei dem IGH-Klima-Gutachten die grundlegende Frage: Was wird unter „Klimaschutz“ verstanden? Klima ist nach meteorologischer Definition eine statistische Größe und zwar eine Mittelung von Wetterparametern (Temperatur, Niederschläge, Luftdrucke usw.) über einem Zeitraum von 30 Jahren. Es ist daher eigentlich nur allzu verständlich, dass sich das Klima nicht schützen lässt. Inwiefern kann dann ein Staat zum Klimaschutz verpflichtet sein? Was also soll geschützt werden? Das Wetter? Die Parameter des Wetters? Oder Schutz vor weiterer Erderwärmung, die bislang 0,15 bis 0,2  0C in zehn Jahren beträgt, mit voraussichtlich abnehmender Tendenz?

Weitere Frage: Wenn sich das Klima nicht schützen lässt, wie lässt sich dann der Klimawandel bekämpfen? Die Ursache hätte zu Beginn des o.g. Gutachtens eindeutig geklärt werden müssen. Auf den Klimawandel muss sich der Mensch, was er seit Jahrtausenden getan hat, einstellen und sich dagegen schützen, wenn es erforderlich ist. Als Ursache des Klimawandels wird nach UN-Vorgaben allein das vom Menschen emittierte CO2 angesehen. Das CO2 ist in der Erdatmosphäre mit einem Anteil von nur 0,3 % ein Spurengas. Und davon wiederum trägt der Mensch nur einen Bruchteil bei, der Rest ist natürlichen Ursprungs. Bezogen auf diesen Bruchteil besagt das Petitionsprojekt zu globaler Erwärmung, von über 31.000 amerikanischen Wissenschaftlern unterzeichnet:

„Es gibt keinen überzeugenden wissenschaftlichen Beleg, dass der menschliche Ausstoß von Kohlendioxid, Methan oder anderen Treibhausgasen eine katastrophale Aufheizung der Erdatmosphäre sowie Störung des Erdklimas verursacht oder in absehbarer Zukunft verursachen wird. Darüberhinaus gibt es substantielle wissenschaftliche Beweise, dass Anstiege im atmosphärischen Kohlendioxid viele vorteilhafte Auswirkungen auf die natürliche Pflanzen- und Tierwelt der Erde hervorbringt.“

Dass sich, wie oben ausgeführt, aus dem Völkerrecht für alle Staaten eine Verpflichtung zu effektivem Klimaschutz ableiten lässt, ist aus wissenschaftlicher Sicht demzufolge nicht nachvollziehbar.

Quelle:

[1] https://www.bundestag.de/resource/blob/1105212/klimaschutz-vor-igh.pdf