Schweden wirbt für Kernenergie-Strom: Zur Rettung des Klimas

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Kernkraft ist klimasmart”, “Kernkraft ausbauen für ein grüneres Schweden” – mit solchen Beiträgen in schwedischen Zeitungen werben derzeit die Politiker und Kandidaten der bürgerlichen oppositionellen Parteien vor der Europawahl. Und dabei geht es nicht nur um Schweden. Da Deutschland den Ausstieg aus der Kernenergie umsetzen will und somit für noch mehr Kohlendioxid-Emissionen sorgen werde, müsse das restliche Europa auf die nukleare Energie setzen. Die Konservativ-Liberalen fordern, dass das Budget der EU für Kernenergie auf 4,2 Milliarden Euro verdoppelt wird – zur Rettung des Klimas (1).

In Schweden stehen nach einer vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen Svt in Auftrag gegebenen Umfrage bereits 66 Prozent der Bevölkerung der Kernkraft positiv gegenüber. Es gibt in Schweden, so schreibt Telepolis (1), einen Kernkraft-Hype, der sich nach dem Willen der bürgerlichen Parteien auch auf Europa ausdehnen soll.

Derzeit gibt es acht Reaktorblöcke an drei Standorten. Offiziell sollten zwei Blöcke an der Westküste (Ringhals 1 und Ringhals 2) im Jahre 2019 und 2020 abgeschaltet werden – offiziell. Denn auch unter den Grünen des Königreichs gibt es lautstarke Befürworter der umstrittenen Energieform. “Wie es in Schweden zu dieser Trendwende gekommen ist, wollte das Pressebüro der Partei auf Anfrage nicht verraten”, schreibt Telepolis (1).

Wie in Schweden für die Kernenergie geworben wird, zeigt folgender ins Deutsche übersetzte, nur geringfügig gekürzte Beitrag aus dem Aftonbladet (2):

Kernenergie ist notwendig, um den Klimawandel zu bremsen. Als am wenigsten kohlenstoffintensive Energiequelle ist Kernenergie de facto sauberer als erneuerbare Energien und spielt laut UN-Klimarat eine zentrale Rolle für den grünen Übergang.

Um das Pariser Abkommen und die globalen Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, ist daher mehr Kernenergie erforderlich – nicht weniger.

Die derzeitige Situation in der EU ist trostlos. 44 Prozent des Stroms der Mitgliedstaaten stammen noch immer aus Kohle, Gas und Öl. Nur 25 Prozent stammen aus Kernenergie und 31 Prozent aus Wind-, Wasser- und Sonnenkraft sowie aus Biokraftstoffen.

Der über 20% ige Anteil der Elektrizität der Union aus Kohlekraft trägt zu 60% zur gesamten Klimaauswirkung der Stromerzeugung bei.

Von der CO2-Produktion in der Union machen Deutschland und Polen mehr als die Hälfte aus. Deutschland hat auch die sechst höchsten Emissionen der Welt. So sah es nicht aus, bevor Deutschland die Kernkraft demontierte.

Und so darf es nicht weitergehen. Daher ist es zu begrüßen, dass die Europäische Kommission nach Jahren der Vernachlässigung nun die Kernenergie zum Rückgrat des Energiesystems der Union machen will. Man ist zu dem Schluss gekommen, dass die Klimaziele nicht ohne mehr Kernenergie erreicht werden können.

Zur Sicherung unserer Energieversorgung wird daher Kernenergie benötigt. Heute macht die Kernenergie etwas mehr als 40 Prozent der schwedischen Stromerzeugung aus, was dem Anteil der Wasserkraft entspricht:  63 Terawattstunden (TWh) erzeugen die acht Kernreaktoren in Forsmark, Oskarshamn und Ringhals, 1800 Wasserkraftwerke erzeugen 64 TWh pro Jahr. Um die 17 TWh (oder 11 Prozent) der Stromerzeugung aus Windkraft zu erzeugen, werden rund 3 400 Windkraftanlagen benötigt. Mit anderen Worten, es wäre eine Verdoppelung der heutigen 1.800 Wasserkraftwerke oder etwas mehr als 12.600 Windkraftanlagen erforderlich, um so viel Strom zu erzeugen wie die derzeitigen acht Kernreaktoren.

KKW Oskarshamm. Quelle: Anchor 2009/CC BY-SA-3.0 aus (1)

Ohne die Kernenergie und ihre offensichtlichen Effizienzvorteile riskieren wir die anhaltende Bedrohung durch Stromknappheit und die Gefahr einer zukünftigen Abhängigkeit von Gas aus … Russland. Kernkraft ist daher auch notwendig, um unsere Unabhängigkeit zu sichern. In der aktuellen Situation ist es die einzige Energiequelle, die auf dem Kontinent die Abhängigkeit von russischem Gas verringert. In diesem Zusammenhang ist es problematisch, dass Deutschland und andere Mitgliedstaaten hinter der Gaspipeline Nord Stream 2 stehen, was die Abhängigkeit der EU von russischer Energie erhöhen wird. Auf diese Weise wird Russlands Angriffskrieg in der Ukraine legitimiert und die Anzahl der Verstöße gegen die Gewässer und den Luftraum anderer Staaten in und um die Ostsee erhöht….

Damit Schweden im Jahr 2045 klimaneutral sein kann, ist Kernenergie erforderlich. Bis dahin können wir als Teil der EU unsere Energieversorgung unabhängig vom Druck anderer sicherstellen. Dass in einer Situation mit immer wieder drohenden Stromengpässen die Stilllegung der schwedischen Kernkraft durch die geplante Stilllegung von zwei weiteren Reaktoren (Ringhals 1 und 2) fortgesetzt wird, fehlt daher jegliches Verständnis und jede Resonanz. Eine Abstimmung über die Christdemokraten bei den Wahlen zum Europäischen Parlament am 26. Mai ist eine Abstimmung über eine faktenbasierte Energiepolitik, die Schweden und die EU umweltfreundlicher, unabhängiger und sicherer macht.

Von den zehn größten Industrienationen der Welt mit USA an der Spitze und folgend China, Japan, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Indien, Italien, Brasilien und Kanada (3) nutzen lediglich Deutschland (ab 2022) und Italien die Kernenergie nicht, wobei Italien nie ein Kernkraftwerk am Netz hatte. In den acht Nationen schreitet die Entwicklung der Kernenergie und deren Ausbau voran.

Zu guter Letzt eine nicht unwesentliche Randbemerkung: Die schwedische Schülerin Greta Thunberg, die als Klimaaktivistin europaweit bekannt wurde und  von deutschen Schülerinnen und Schülern nachgeeifert wird, wirbt in Schweden für die Nutzung der Kernenergie. Für deutsche Medien allerdings nicht erwähnenswert – was nicht verwundern dürfte.

 

(1) Telepolis, “Kernkraft ist klimasmart”, 18. April, 2019, Jens Matter

(2) Aftonbladet vom 14. April 2019  “Bygg ut kärnkraften för ett grönare Sverige”

(3) Ten of the Day.de