Keine Stromversorgungssicherheit ohne grundlastfähige Stromerzeugung

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Die Mehrfachauslegung sicherheitstechnischer Einrichtungen ist ein ehernes Prinzip in der Sicherheitsphilosophie. Wenn immer möglich sollte die Mehrfachauslegung auf verschiedene Techniken beruhen (Diversität), damit ein und der gleiche Fehler/Ausfall nicht gleichzeitig in mehreren Teilen einer Gesamtanlage auftreten kann.

Ein typischer Anwendungsfall ist die Stromversorgung von Sicherheitseinrichtungen. Fällt der Strom des öffentlichen Netzes aus, muss die Notstromversorgung mit Dieselgeneratoren einspringen. Bei deren Ausfall übernehmen Akkus (vorübergehend) die Stromversorgung.

Auch die Stromversorgung auf nationaler Ebene erfolgte bis etwa  zum Jahr 2000 nach diesem Prinzip: Die Stromerzeugung aus Kohle, Gas, Kernkraft, Öl und Wasserkraft sorgte für eine äußerst sichere Stromversorgung. Um einseitige Abhängigkeit zu vermeiden, erfolgte die Anlieferung der Energieträger weltweit gestreut. Bis auf Steinkohle und vor allem Braunkohle ist Deutschland auf den Import von fossilen Energieträgern angewiesen.

Die Energiewende hat dieses bewährte Sicherheitsprinzip eklatant missachtet: Zu 100 Prozent soll die Stromerzeugung auf die wetterabhängigen Windenergie- und Solaranlagen zusammen mit Wasserkraft- und Biomasseanlagen umgestellt werden. Grund dafür ist das bei der Verbrennung fossiler Energieträger entstehende Kohlenstoffdioxid CO2, dem ein Treibhauseffekt unterstellt wird, was bislang unbewiesen ist.

Der Kernenergie-Ausstieg wird nach gesetzlicher Vorgabe bis Ende 2022 vollzogen. Der Ausstieg aus der Kohle soll spätestens bis 2038 möglichst aber bis 2030 erfolgen. Die ersten Kohlekraftwerke wurden bereits abgeschaltet. Damit entfallen wesentliche Strombeiträge zur Grundlastversorgung, also jenem Strom, der rund um die Uhr sicher zur Verfügung stehen muss. Die wetterabhängige Stromversorgung ist dazu logischerweise nicht in der Lage. Das Stromerzeugungsdefizit dieser Anlagen soll für eine Übergangszeit von Gaskraftwerken ausgeglichen werden. Die dafür notwendigen Gaskraftwerke stehen aktuell nicht zur Verfügung. Von einem zusätzlichen Bedarf von 50 bis 60 Anlagen ist die Rede.

Deutschlands Gasbedarf wird bislang zu 55% mit Gasimporten aus Russland gedeckt. Und nun Putins Krieg gegen die Ukraine, der die Gasimporte als politisches Drohpotential und die Schwachstellen der Energiewende für alle sichtbar macht. Diese mehr oder weniger einseitige Abhängigkeit zumal von einem autokratischen Staat ist ein Kardinalfehler deutscher Energiepolitik. „Nun hat Putin die Grünen gelehrt, dass ihre Träume auf Gas aufgebaut sind, auf seinem Gas“, schreibt Tichy in seinem Magazin von 05/22.

Doch anstatt die Reißleine bei der Energiewende zu ziehen und die Stromerzeugung wieder auf sicher verfügbare Energieträger zu bauen, verabschiedete das Kabinett am 6. April 2022 mit dem „Osterpaket eine zentrale Gesetzesnovelle für die Beschleunigung des Erneuerbaren-Ausbaus“, wie es in der Pressemitteilung des BMWK heißt. „Wir werden den Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch innerhalb von weniger als einem Jahrzehnt fast verdoppeln. Wir verdreifachen die Geschwindigkeit beim Erneuerbaren Ausbau – zu Wasser, zu Land und auf dem Dach. Die erneuerbaren Energien liegen künftig im öffentlichen Interesse und dienen der öffentlichen Sicherheit.“

Der Glaube, dass fossile Brennstoffe aus der modernen Wirtschaft eliminiert werden können, indem einfach ausreichende Kapazitäten zur Wind- und Solarstromerzeugung aufgebaut werden, berücksichtigt nicht oder erwähnt selten die Notwendigkeit der Energiespeicherung oder die Machbarkeit oder die Kosten derselben. Und doch führt jede ernsthafte Betrachtung der Intermittenz (Unterbrechung) von Wind und Sonne unweigerlich zu der Schlussfolgerung, dass sie ohne disponierbare Backups (fossile Brennstoffe oder Kernkraft) riesige Mengen an Energiespeichern benötigen, um die Perioden der Intermittenz abzudecken. Das Verständnis der benötigten Speichermenge, ihrer physikalischen Eigenschaften und ihrer Kosten ist für die Beantwortung der Frage, ob ein vollständiges Wind-/Solar-/Speichersystem machbar ist, von entscheidender Bedeutung.

Ein Ausbau der Windenergie- und Solaranlagen auf Teufel komm raus, ohne Rücksicht auf betroffene Bevölkerung und überzeugenden, widerspruchsfreien Naturschutz, ja und ohne den gewünschten Nutzeffekt.

Selbst nach über 20 Jahren und hunderten Milliarden Euro Fördergelder durch EEG-Umlagen auf den Strompreis deckten die angeblich allrettenden wetterabhängigen Energien 2021 gerade mal 16,1 Prozent des deutschen Primärenergieverbrauchs. Den überwiegenden Teil machten Öl, Kohle, Gas und die verbliebenden drei Kernkraftwerke aus, wie aus der Grafik hervorgeht.

Quelle: Tichys Einblick 05/2022. Seite 17

An diesen 16,1 Prozent haben wiederum Windenergie nur einen Anteil von 3,5 Prozent und die Photovoltaik von 1,6 Prozent. Den Löwenanteil von fossilen Energieträgern und Kernenergie durch Strom aus Windenergie und Photovoltaik zu ersetzen, ist nicht zu bewältigen, auch nicht mit einer doppelt höheren Windenergie- und Photovoltaik-Kapazität. In Anbetracht dieser Zahlen ist das Vorhaben, allein den Ökostromausbau zu einer Frage der “nationalen Sicherheit” zu erheben eine rechtlich fragwürdige Akzentuierung. “Zumal die Bundesregierung zugleich glaubt, auf 66 Terawattstunden CO2-freien Kernenergiestrom aus den letzten noch betriebenen Kernkraftwerken verzichten zu können, obwohl diese Menge Elektrizität größer ist als die Jahresproduktion aller deutschen Solaranlagen zusammen”, wie es in der WamS vom 3.4.2022 heißt.

Wann endlich fallen die „grünen“ Scheuklappen bei den Politikern?

Gas als einzige Quelle der grundlastfähigen Stromerzeugung für eine Übergangszeit?  Dazu schreibt Alexander Wendt in Tichys Einblick 05/2022:

„Statt die eigenen Quellen (Schiefergas) anzuzapfen, will Bundeswirtschaftsminister Habeck lieber lange und unter Klimagesichtspunkten auch aufwendige Lieferwege in Kauf nehmen und Gas entweder von der anderen Seite des Atlantiks oder von Staaten mit prekärer Menschenrechtslage beziehen. In Zukunft jedenfalls wären ganz andere Gasmengen als heute nötig, um die schätzungsweise 50 bis 60 zusätzlichen Gaskraftwerke zu versorgen, die nach dem großen Energietransformationsplan Kern- und Kohlekraft ersetzen sollen, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint.“

Die Potentiale der bisherigen Gaslieferanten, neben Russland, Niederlande, Norwegen und Großbritannien aber sind begrenzt. Auch kamen aus diesen Ländern bereits Meldungen, den Export nach Deutschland nicht erhöhen zu wollen. Die übrigen fossilen Ressourcen liegen in der “strategischen Ellipse”zwischen dem nahen Osten und dem Kaspischen Raum, zum Teil unter Kontrolle der Opec. Für das knappe Angebot von verflüssigtem Gas gibt es mehrere Interessenten, entsprechend hoch sind die Preise.

Fazit

Eine sichere Stromversorgung kommt ohne grundlastfähige Stromerzeugung und verschiedene, sicher verfügbare Energieträger nicht aus. Eine grundlegende Reform der Energiepolitik unter Beachtung realistischer Optionen ist dringend notwendig, wozu auch eine ideologiefreie, sachgerechte Bewertung der CO2-Auswirkung auf das Klima gehört.