Im General-Anzeiger Bonn erschien am 19. Februar 2014 unter der Überschrift „Schwarz-rote Speziwirtschaft“ ein Interview mit Christian Lindner, Vorsitzender der FDP im Bund und in NRW, über den Fall Edathy, die Energiewende und die Inklusion. Mit Lindner sprach Wilfried Goebels von der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung. Nachfolgend finden Sie seine Fragen zur Energiewende, Lindners Antworten (kursiv) und eine Bewertung aus AGEU-Sicht:
Bundeswirtschaftsminister Gabriel will die Kosten der Energiewende begrenzen. Reichen die Maßnahmen aus?
Lindner: Nein. Es werden immer noch zu hohe Subventionen gezahlt. Zudem muss das Tempo aus der Energiewende genommen werden. Wer die Ausbauziele der Bundesregierung addiert, kommt zu Überkapazitäten. Das ist eine Beleidigung für den gesunden Menschenverstand. Ich bin für einen europäischen Energie-Binnenmarkt mit Wettbewerb statt Subventionen. Wasserkraft aus dem Norden und Sonnenenergie aus dem Süden Europas wären besser als der deutsche Sonderweg.
Was ist mit der geplanten EEG-Umlage von einem Cent pro Kilowattstunde auf Eigenstrom?
Lindner: Eine Frechheit. Wer selbst Strom für sich produziert, soll trotzdem zahlen. Das zerstört Investitionspläne und gefährdet Industriearbeitsplätze. Die Eigenstromumlage muss weg. Das ist wichtiger für NRW als das Betteln um Windkraft-Subventionen. Ich verstehe ohnehin nicht, dass SPD, Grüne und sogar die CDU für Windräder in Wäldern sind. Gleichzeitig werden Stromtrassen torpediert. Es ist ein Schildbürgerstreich, wenn der Trassenbau nicht vorankommt, das Tempo beim Ausbau von Wind und Solar aber nicht angepasst wird.
Die EU will die Ausnahmetatbestände von der EEG-Umlage beschränken. Ist das akzeptabel?
Lindner: Man muss die Ausnahmen für Unternehmen prüfen, die nicht im internationalen Wettbewerb stehen. Es sollte aber Ausnahmen geben, weil unsere Energiekosten inzwischen doppelt so hoch sind wie in den USA. Wenn es einen echten Neuanfang in der Energiepolitik geben würde, wäre Brüssel eher verhandlungssicher.
Wie sind Lindners Aussagen aus Sicht der AGEU zu bewerten?
– Der Verweis auf einen europäischen Energie-Binnenmarkt lenkt geschickt von der wahren Ursache der Probleme im Strommarkt ab. Der Verursacher ist Deutschland (durch das EEG). Das Problem muss in Deutschland gelöst werden.
– Wasserkraft aus dem Norden ist ein weiteres Ablenkungsmanöver oder zeugt von Unkenntnis der Realitäten. Mit Wasserkraft aus dem Norden sind vorrangig die norwegischen Speicherseen gemeint. Es gibt aber keine direkte Leitung von dort nach Deutschland. Immer noch in der Planung ist die sogenannte NordLink-Leitung, ein HGÜ-Seekabel mit 1400 MW Leistung, das 2018 in Betrieb gehen soll. Die Investitionsentscheidung soll bis Ende Juni 2014 fallen. Anmerkung: Dieses Kabel sollte einmal bereits 2015 Strom liefern.
– Sonnenenergie aus dem Süden Europas bedeutet Strom aus Spanien oder Süditalien oder Griechenland – sozusagen ein europäisches Mini-DESERTEC. Erstaunlich, dass Herr Lindner nicht zu wissen scheint, wie ruhig es um das ‘große’ DESERTEC-Programm seit 1 1/2 Jahren geworden ist.
– Die Forderung Die Eigenstromumlage muss weg ist nur dann sinnvoll, wenn der betreffende Erzeuger seinen Strom vollständig und dauerhaft selbst erzeugt, also unabhängig von allgemeinen Stromnetz ist. Kann er das nicht, muss er sich an den Netzkosten beteiligen.
– Ausnahmetatbestände von der EEG-Umlage: Es war die letzte Bundesregierung, also die Koalition mit FDP-Beteiligung, die den Grenzwert von 10 GWh auf 1 GWh abgesenkt hat und damit wissentlich den starken Anstieg befreiter Unternehmen herbeigeführt hat. Dass die EU derartigen Ausnahmen sehr kritisch gegenübersteht, war damals schon bekannt. Was hat dieses Vorgehen letztendlich bewirkt? Brüssel schaut jetzt völlig zu Recht noch kritischer auf das Deutsche Energiegebaren.
Das EEG gehört in Gänze abgeschafft. Das ist die Lösung aller Probleme, denn dann herrscht wieder Wettbewerb aller Erzeuger mit gleichen Voraussetzungen.
Hans Stirnberg