Nicht nur, dass der Betriebsbeginn des Endlagers Konrad von Jahr zu Jahr verschoben wurde, nunmehr verkündete die Entsorgungskommission (ESK) am 24. Oktober 2024, dass es keine endlagerfähigen Abfallgebinde für das Endlager Konrad gibt [1]. Wörtlich:
„Aktuell gibt es keine Gebinde, die die Anforderungen aus den derzeit gültigen Endlagerungsbedingungen sowie den gemäß der Gehobenen wasserrechtlichen Erlaubnis (GwE) weiter zu berücksichtigenden Regelwerken vollumfänglich erfüllen und damit im Endlager Konrad eingelagert werden können.“
Die Feststellung der ESK ist nicht neu. Bereits 2014 hatte die ESK in ihrer Stellungnahme [3] „Stand der Vorbereitungen hinsichtlich der Bereitstellung radioaktiver Abfallgebinde für das Endlager Konrad“ kritisch angemerkt:
„Obwohl seit über 20 Jahren die vorläufigen Endlagerungsbedingungen bzw. Endlagerungsbedingungen Konrad bekannt sind und zumindest im radiologischen Teil dieser Endlagerungsbedingungen keine Änderungen mit einer Relevanz für die meisten Ablieferungs- und Abführungspflichtigen durchgeführt wurden, liegt nur eine geringe Anzahl vollständig dokumentierter Abfallgebinde vor. Dies lässt Zweifel aufkommen, dass eine spätere Einlagerungsmenge von 10.000 m3 im jährlichen Mittel als realistisch angesehen werden kann.“
In ihrer jüngsten Stellungnahme [1] sieht die ESK als wesentliche Ursachen für die Schwierigkeiten, endlagerfähige Gebinde freizugeben, in der Verzögerung bei der Bauartzulassung von Behältern und die Gehobene wasserrechtliche Erlaubnis.
Hinsichtlich der Behälterzulassung für das Endlager Konrad wird festgestellt, dass die Verfahren sehr langwierig seien und teils mehr als zehn Jahre benötigten. Neben inhaltlich/technischen Fragestellungen seien auch formale Aspekte, fehlende Vorgaben und Entscheidungen der BGE sowie Ressourcenengpässe in der Bauartprüfung für die Verfahrensdauer ursächlich.
Der schwerwiegendere Tatbestand sei aber die Erfüllung der Anforderungen der Gehobenen wasserrechtlichen Erlaubnis (GwE), die neben drei weiteren wasserrechtlichen Erlaubnissen bestehe und nicht inhaltlicher Teil des Planfeststellungsbeschlusses für Endlager Konrad sei. Gemäß Nebenbestimmungen der GwE müssten die endgelagerten Abfälle in ihrer Zusammensetzung überwacht und die gemäß zweier Stofflisten genannten begrenzten Stoffe bilanziert werden. Die Bewertung hinsichtlich der zur Einlagerung vorgesehenen Massen nicht-radioaktiver Stoffe sei in Bezug auf eine mögliche Gefährdung des oberflächennahen Grundwassers verglichen mit der Bewertung hinsichtlich der Radionuklide in der Langzeitsicherheitsanalyse in einem sehr vereinfachten, außerordentlich konservativen Modell erfolgt. Dabei seien zahlreiche physikalisch und chemische Phänomene, die zu einer Reduktion der Menge wassergefährdender Stoffe während des Transports vom Endlager in oberflächennahe Wässer führen würden, nicht berücksichtigt. Zur Bewertung des Gefährdungsausschlusses im Rahmen der GwE seien die Regelwerke zum Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses herangezogen worden und von diesen immer das restriktivste.
Die ESK gelangte zu der Erkenntnis, dass die GwE nicht praktikabel sei und die Einlagerung von Gebinden in Endlager Konrad verhindern werde. Die häufigen Änderungen der wasserrechtlichen Regelwerke seien z. T. durch die Vermeidung der übermäßigen Einbringung eines Schadstoffes über die Erdoberfläche begründet. Daher muss aus Sicht der ESK neu bewertet werden, inwieweit solche neuen Grenzwerte für die Bewertung eines tiefengeologischen Endlagers herangezogen werden müssten bzw. ob sie Auswirkungen auf das Schutzziel für das oberflächennahe Grundwasser hätten. Dies müsse auch im Lichte des stark vereinfachten sehr konservativen Modells, das der wasserrechtlichen Bewertung zu Grunde liege getan werden. Diese Konservativitäten müssten ihrerseits überprüft und quantifiziert werden.
Andernfalls sieht die ESK die Gefahr, dass die Abfälle wegen der derzeitigen Vorgaben zur Umsetzung der GwE für eine unbestimmte Dauer in den Zwischenlagern verbleiben müssten. Komme es nicht zur Einlagerung der radioaktiven Abfälle in das Endlager Konrad, widerspreche das dem Ziel des langfristigen Sicherheitsgedankens, wie er im Nationalen Entsorgungsprogramm festgeschrieben sei. Die Endlagerbehälter sind für derart lange und unbestimmte Zwischenlagerzeiträume weder ausgelegt noch qualifiziert worden. Eine Nachqualifizierung wäre mit großem Aufwand verbunden oder sogar unmöglich, so dass eine Neuverpackung von Abfällen erforderlich werden könne.
Die Kerntechnische Gesellschaft (KTG) zieht folgendes Fazit aus der ESK-Stellungnahme:
„Die Stellungnahme [1] der ESK beschreibt eine unhaltbare Situation hinsichtlich der künftigen Nutzbarkeit des Endlagers Konrad mit schweren Konsequenzen für alle Betroffenen, die schnell ausgeräumt werden muss, indem man die Auswirkung der häufigen, ganz anders begründeten Änderungen des Wasserrechts auf die Erfüllung der Endlagerbedingungen auf schutzzielrelevante Tatbestände begrenzt und so weitgehend abschirmt, Bestandsschutz für freigegebene Gebinde einführt und die gegebenen Überkonservativitäten im Verfahren angemessen berücksichtigt. Andernfalls hätte man dann nach „nur“ 55 Jahren endlich ein Endlager für schwach- und mittelaktive Abfälle, in das man nach aktuellem Sachstand nichts einlagern kann.“
Eine für mich seit langem ungeklärte Frage ist…
…wie ist es möglich, dass in der größten untertägigen Deponie der Welt im hessischen Herfa-Neurode [2] seit der Inbetriebnahme der Deponie in 1972 offenbar problemlos inzwischen rund 3,2 Millionen Tonnen gefährlicher chemischer Industrieabfall in abgebauten Bereichen des Kaliwerks Werra endgelagert werden und sich im Endlagerprojekt Konrad in Salzgitter, dem seit Mitte der 80er Jahre geplanten Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle, die Probleme türmen ohne sichere Aussicht auf baldige Inbetriebnahme? Bedenkenswert ist auch: Die Gefährlichkeit des chemischen Abfalls bleibt ewig, die Radioaktivität des nuklearen Abfalls sinkt permanent und verliert seine Gefährlichkeit.
Die hessische Deponie erlangte kaum nationale Aufmerksamkeit, obwohl in der obigen Abfallmenge 690.000 Tonnen dioxin- und furanhaltige Abfälle, 220.000 Tonnen quecksilberhaltige Abfälle, 127.000 Tonnen zyanidhaltiger und 83.000 Tonnen arsenhaltiger Giftmüll enthalten sind [2].
[4] KTG-Fachinfo 16/2024 vom 15.11.2024: ESK-Stellungnahme zum Fehlen endlagerfähiger Gebinde für das Endlager Konrad – Nutzbarkeit des Endlagers in Frage gestellt