Die Stromerzeugung mit Windenergie- und Solaranlagen macht wegen ihrer Volatilität zwingend die Betriebsbereitschaft von steuerbaren Kraftwerken erforderlich, also von Kraftwerken, die rund um die Uhr bei Dunkelflaute die Stromversorgung sicherstellen.
Im jetzt vorliegenden „Versorgungssicherheitsbericht Strom“ [1] zu Stand und Entwicklung der Versorgung kommt die Bundesnetzagentur (BNA) zu dem Ergebnis, dass die Versorgungssicherheit mit Elektrizität in Deutschland nur gewährleistet werden kann, wenn zusätzliche steuerbare Kapazitäten von bis zu 22,4 GW (Zielszenario) bzw. bis zu 35,5 GW (Szenario „verzögerte Energiewende“) bis zum Jahr 2035 errichtet werden und zwar fristgerecht. Die BNA legte sich bemerkenswerterweise auf keine Technologie fest und spricht nur von steuerbarer Kraftwerksleistung, obwohl offiziell die Rede von Gaskraftwerken ist. BNA rechnet damit, dass bis 2031 sämtliche Steinkohle- und Braunkohlekraftwerke vom Netz gehen. Damit fehlen ab der Zeit 17 bis 21 GW Kraftwerksleistung.
Wer sich eine industrie- und haushaltsfreundliche Energiepolitik unter der neuen Regierung erhofft hat, wird enttäuscht werden. Im BNA-Bericht wird nämlich fernerhin betont, dass die Versorgungssicherheit nur erreicht werden kann, wenn die Nachfrage flexibilisiert wird: „Eine ausbleibende Flexibilisierung kann den Bedarf an zusätzlichen Kapazitäten wie Kraftwerken weiter erhöhen, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.“ Eine Aussage, die von der Ampelregierung her noch bekannt ist. Eine Stromversorgung nicht nach Bedarf sondern nach Verfügbarkeit! Absolut keine Werbung für unsere Industrie.
Wie zwingend der Bedarf an „steuerbarer Kraftwerksleistung“ ist, zeigte sich besonders an dem diesjährigen windärmsten ersten Quartal seit 50 Jahren. Auch ein noch so starker Zubau an Windenergie- und Solaranlagen würde keine Versorgungssicherheit herstellen. Bisher sind zwar gewaltige Kapazitäten von insgesamt über 184 GW aufgebaut worden, gut das Dreifache des durchschnittlichen Leistungsbedarfs, aber davon wird die theoretisch mögliche Leistung nie erreicht. Im August 2025 betrug sie z.B. nur 30,5 Prozent.
Geht man von einer durchschnittlichen Anlagengröße von 500 MW aus, wären das bei einem Leistungsbedarf von 35,5 GW 71 Gaskraftwerks-Blöcke. Bis 2035 bleiben zehn Jahre für den quasi parallelen Bau von vielleicht 70 Gaskraftwerken, einige davon für Wasserstoffgas geeignet. Wobei nicht im Entferntesten klar ist, woher die notwendigen Mengen an Wasserstoffgas kommen sollen.
Wie verträgt sich das mit einer Meldung der „Bild“ vom 24.10.2025, wonach laut Umfrage des Stadtwerksverbands VKU bereits jedes fünfte Stadtwerk (19%) sein Gasnetz bis spätestens 2045 stilllegen will. Fast jeder zweite Anbieter (46%) weiß noch nicht, ob er das Netz auf Ökogas umrüstet oder ganz abschaltet. Besonders viel Tempo mache die Stadt Mannheim. Der Versorger MV will bis 2025 das Gasnetz stilllegen. Städte wie Augsburg, Hannover, Würzburg wollen die Gasversorgung bis 2040 stoppen.
Der besseren Übersicht wegen schlaglichtartig aufgelistet zeigen sich folgende Probleme bei der Ausrichtung der steuerbaren Kraftwerke auf Gaskraftwerke:
- Grundfehler: Die Ausrichtung allein nur auf Gaskraftwerke, die zudem das unerwünschte CO2 emittieren. In allen bedeutenden Industriestaaten werden die im Betrieb CO2-freien Kernkraftwerke eingesetzt.
- Gewaltiger Zeitdruck durch den Ausstieg aus der Kohle. Ein äußerst ambitionierter Zeitplan.
- Bislang fehlende Ausschreibungen. Die Ausschreibungen wurden für das 2. Quartal 2026 angekündigt.
- Nur stundenweiser Betrieb der Gaskraftwerke, daher unwirtschaftlich und extrem teuer.
- Gaskraftwerke lassen sich nur mit ständiger staatlicher finanzieller Unterstützung betreiben, anderenfalls werden sich keine Investoren finden.
- Aber die Subventionen unterliegen zur Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen den EU-Beihilferegeln. Die Genehmigung von 12 GW neuer Kapazität hatte der Ex-Wirtschaftsminister Habeck ausgehandelt. Ein deutliches Mehr ist sehr fraglich.
- Hat das Zieldatum der Klimaneutralität weiterhin Bestand, werden etliche neue Gaskraftwerke, die nicht auf Wasserstoffbetrieb ausgelegt sind, wieder außer Betrieb genommen, bevor sie auch nur annähernd sich amortisiert haben.
- Der mit Gaskraftwerken erzeugte Strom war schon immer am teuersten verglichen mit Strom aus Kern- und Kohlekraftwerken.
- Widerspruch zur politischen Forderung nach bezahlbarem, wettbewerbsfähigem Strompreis
- Infolge des Zeitdrucks und Parallelaufbaus besteht Gefahr von Lieferengpässen an Kraftwerksbauteilen und an Engpässen bei Unternehmenskapazitäten, was zudem den Preis in die Höhe treibt
- Fehlende Verfügbarkeit von H2-Ready-Anlagen
- Enormer Anstieg des Gasbedarfs und der Auslandsabhängigkeit, dies vor dem Hintergrund der weltweiten Turbulenzen in der Energieversorgung (Stichwort: Sanktionen)
Auf ein besonderes Problem wiesen Deutschlands Stromnetzbetreiber hin: Durch den Boom bei Batteriespeichern könnten die geplanten neuen Gaskraftwerke nicht mehr ans Leitungsnetz angeschlossen werden. Der Chef von Tennet Deutschland, Tim Meyerjürgens, sagte dem Handelsblatt [2]: „Wenn Speicher sich heute alle Netzkapazitäten sichern, bleiben systemrelevante Gaskraftwerke, Industriebetriebe und Rechenzentren auf der Strecke.“
Grundsätzlich gelten die Stromspeicher als wichtiger Baustein für die Energiewende, weil sie die schwankende Stromerzeugung durch erneuerbare Energien wie Wind und Solar ein Stück weit ausgleichen können. Auch Meyerjürgens sagt: „Die Dynamik bei der Entwicklung und dem Ausbau von Speichern ist ein Gamechanger für die Energiewende.“
Das Anschlussprinzip ist in der Kraftwerksnetzanschlussverordnung (KraftNAV) geregelt. Aber die Zahl an Batteriespeicherprojekten sei so rasant gewachsen, dass das System nicht hinterherkommt. Das sorge für eine Reihe von Problemen. Noch gelte das „Windhundprinzip“, wer zuerst kommt, wird zuerst angeschlossen.