Der US-amerikanisch-britische Klimapolitik- und Energie Think Tank Lucid Catalyst hat im November 2025 die Studie „A new nuclear world: how small modular reactors (SMRs) can power industry“ veröffentlicht, die von Urenco beauftragt wurde. Die Studie analysiert das Potential zur Energieversorgung der Industrie in Nordamerika und Europa durch Small Modular Reactors (SMR). In der KTG-Fachinfo [1] werden das SMR-Potential, die Projektumsetzung unter Berücksichtigung bestehender Probleme und die stetige Erweiterung des Marktpotentials beschrieben.
KTG-Bewertung
Die Studie von Lucid Catalyst zeigt einen ambitionierten, aber angesichts des technischen Gesamtpotentials nicht unrealistischen, steilen Entwicklungspfad für den SMR-Sektor auf. Allerdings scheint die Studie bei Betrachtung der Wettbewerber zur Einschränkung des technischen auf ein technisch-wirtschaftliches Marktpotential nur fossil basierte (GuD, KWK) Technologien bzw. die Erzeugungskosten für synthetische Kraft- und Brennstoffe erfasst zu haben. Dies ist für die konkrete, verlässliche Versorgung von Industriestandorten in Nordamerika und Europa gerechtfertigt, da hier – besonders unter Einbeziehung von Flächenrestriktionen – erneuerbare Energien und Speicher absehbar keine Lösung bieten können, zumal in Europa mit dem strukturell schlechteren Potential für Erneuerbare. Für den Sektor synthetischer Brenn- und Kraftstoffe könnte eine solche Betrachtung aber in die Irre führen. Zwar ist es nicht realistisch zu erwarten, dass die Verstromung von „grünem“ Wasserstoff oder Derivaten aus entfernten Regionen mit sehr gutem Potential für erneuerbare Energie oder eine heimische (europäische) Wasserstoffwirtschaft wettbewerbsfähig sein wird. Aber bei der Erzeugung von synthetischen Kraftstoffen könnte sich langfristig ein entsprechender Weltmarkt auf Basis der gut transportierbaren Kraftstoffe Ammoniak und Methanol etablieren, die entweder direkt oder als Vorprodukt von Synthesekraftstoffen genutzt werden. Dabei könnten global betrachtet erneuerbare Energien durchaus in Vorderhand kommen.
Eine grundlegende Unsicherheit besteht in der langfristigen Priorität klimapolitscher Anforderungen. Zwar werden die hohen Ausbauszenarien nicht nur unter der Bedingung einer Nullemissionspolitik, sondern auch unter Betrachtung des Szenarios angekündigte (klimapolitische) Zusagen als realisierbar ermittelt. Beide sehen aber eine substantielle Emissionsbesteuerung vor, die für Nordamerika allerdings nicht ohne weiteres angenommen werden kann. Auch jenseits solcher indirekter politischer Unterstützung ist das kleinere europäische Marktpotential (276 GW vs. 424 GW) robuster als das nordamerikanische, da in Europa auch die Szenarien Energiekosten und Energiesicherheit jeweils ohne forcierte Klimapolitik zur Ausschöpfung des gesamten erreichbaren Marktpotentials führen.
KTG-Fazit
Die Studie ist damit insbesondere für die europäische Kernindustrie stark motivierend, sich auf die Chancen des SMR-Marktes einzulassen und einzustellen. Das ist umso wichtiger als der Schlüssel für die Markterschließung in erster Linie im Bereich Herstellung und Projektimplementation, also den Verantwortungsbereichen der Hersteller und der größeren industriellen Kunden liegt, weniger bei externen Faktoren. Wobei klar ist, dass die Regulierung ebenfalls konstruktiv zu Standardisierung und Produktorientierung weiterentwickelt werden muss und in Sonderfällen wie den Ausstiegsländern Deutschland, Schweiz und Spanien die Politik zuerst am Zuge wäre. Für Europa als Ganzes böte die Industrieenergieversorgung durch SMR die Chance, auch in einer Situation ohne Dominanz klimapolitischer Erwägungen in der Energiepolitik die Ziele Wettbewerbsfähigkeit und Energieunabhängigkeit erreichen zu können, ohne dafür die eigene Klimapolitik ganz opfern zu müssen.
[1] KTG-Fachinfo 13/2025 vom 25.11.2025: Potentialanalyse und Wege zur breiten Implementierung von SMR-Technologie